"Wettbewerbsnachteil": Intel bringt Hyper-Threading zurück
Nur wenige Monate nach dem aufsehenerregenden Aus für Intels Hyper-Threading Technologie (HTT) kündigt der neue CEO Lip-Bu Tan jetzt eine Kehrtwende an. Er erhofft sich von der Rückkehr des simultanen Multithreadings (SMT) gerade im Server-Bereich einen wichtigen Schritt bei der Aufholjagd auf AMD.
Seit der ehemalige Aufsichtsrat Lip-Bu Tan im Frühjahr als CEO zu Intel zurückgekehrt ist, kann er sich über Arbeitsmangel nicht beklagen. Konnten es die meisten seiner Vorgänger angesichts der einst unangreifbar wirkenden Vormachtstellung noch erlauben, den Konzern mit ruhiger Hand zu lenken, muss Tan gleichzeitig im Tagesgeschäft die teils schon seit Jahren schwelenden Brände löschen, während er Intel strategisch umkrempelt und neu aufstellt. Um das schwache Geschäft abzufedern, sollen zunächst rund 1,5 Millionen Dollar eingespart werden, mit teils äußerst schmerzhaften Schnitten. So soll neben der Entlassung von etwa 30.000 Mitarbeitern beispielsweise die bislang strategisch als wichtiges Zukunftsgeschäft hoch priorisierte Sparte für Automotive-Chips abgewickelt werden. Der Bau der Chipfabrik in Magdeburg wurde abgeblasen und auch die Netzwerksparte soll ausgegliedert werden.
Mit diesem Kahlschlag will sich Tan wieder verstärkt auf das Kerngeschäft mit x86-CPUs konzentrieren. "Wir werden uns darauf konzentrieren, unseren Marktanteil in unseren Kernsegmenten Clients und Server zu erhöhen. Ich arbeite eng mit unseren Produkt- und Technikteams zusammen, um unsere Roadmap dahingehend zu stärken", so Tan in einem offenen Brief an die Mitarbeiter.
SMT für die Aufholjagd bei Server-CPUs
Im Fokus steht dabei vor allem das Server-Geschäft, in dem Mitbewerber AMD inzwischen technologisch klar die Nase vorne hat und Intel damit so deutlich Marktanteile abnimmt, dass demnächst erstmals ein Führungswechsel droht. Als Gegenmaßnahme kündigte Tan jetzt auf technologischer Ebene einen überraschenden Schritt an: Die Rückkehr zum gerade erst abgeschafften Simultaneous Multithreading (SMT), bei Intel seit der Einführung 2002 Hyper-Threading Technologie (HTT) genannt. Sie soll laut TAN vor allem die "Fähigkeiten für Hyperscale-Workloads verbessern. Um dies zu unterstützen, führen wir das simultane Multi-Threading (SMT) wieder ein."
Es ist bereits Intels zweite Rückkehr zu HTT. Nach dem Start beim Pentium 4 HT, der es noch prominent in der Bezeichnung trug, war es zunächst abgeschafft und dann 2009 wieder eingeführt worden. Von da ab war es bis zum erneuten Abschied mit Meteor Lake gerade bei höherwertigen Modellen durchwegs gesetzt und ein steter Erfolgsgarant im Direktvergleich mit AMD. Insofern hat sich Intel mit der Abschaffung selbst einen Nachteil aufgebürdet, wie Tan zugibt (siehe Seite 2).
HTT-Verzicht als Wettbewerbsnachteil
Ob und inwieweit ein solcher Vorteil durch ein effizienteres HTT auch bei künftigen CPU-Generationen wieder realisiert werden kann, ist allerdings nicht sicher. Immerhin hatte Intel gute Gründe angeführt, warum HTT mit der Einführung der hybriden Core-Ultra-Prozessoren gestrichen wurde. Allen voran wurde argumentiert, dass Hyper-Threading bei den neuen hybriden Architekturen mit eigenen Leistungs- und Effizienzkernen nicht mehr so effizient sei. Da bei ihnen nur die meist wenigeren Performance-Kerne vom um rund 30 Prozent erhöhten Durchsatz durch die virtuelle Kernverdopplung profitierten, sei der Vorteil weitgehend verdampft.
Ganz in diesem Sinne hatte der Chiphersteller noch bei der Vorstellung der ersten Lunar-Lake-Prozessoren Ende des vergangenen Jahres auf Kritik am fehlenden HTT geantwortet, dass die durch den Wegfall mögliche Optimierung der Performance Per Area (PPA) den Verlust mehr als ausgleichen würde. In den Benchmarks lässt sich das jedoch nicht nachvollziehen. Während Intels neue Architekturen den Erwartungen nicht ansatzweise gerecht wurden, konnte AMD davonziehen – mit SMT.
Das musste nun letztendlich auch Lip-Bu Tan eingestehen und erklärt: "Mit dem Verzicht auf HTT haben wir uns einen Wettbewerbsnachteil eingehandelt." Er ist sich daher sicher, "die Rückkehr zu HTT wird uns helfen, die Leistungsunterschiede zu verringern".
Allerdings gab es noch ein zweites gewichtiges Problem, das zur Abschaffung von HTT beigetragen hatte: Durch eine schwerwiegende Lücke in der Hardware gefährdete es ausgerechnet bei Server-Prozessoren die Sicherheit, indem es Angreifern den Ausbruch aus virtuellen Maschinen erlaubte. Da das Problem nicht per Patch behoben werden konnte, wurde Hyper-Threading auf einigen CPUs, vor allem aus dem Datacenter-Lineup, sogar nachträglich deaktiviert. Offenbar hat Intel dieses Problem inzwischen gelöst, oder ist zumindest kurz davor. Sonst würde CEO Tan sich wohl kaum trauen, die Rolle rückwärts jetzt schon offiziell anzukündigen.
Hyper-Threading-Rückkehr wohl erst 2026 oder 2027
Dennoch wird es noch eine ganze Weile dauern, bis aus der Ankündigung in Silizium gegossene Realität wird und tatsächlich neue Intel-Serverprozessoren mit Hyper-Threading verfügbar sind. Denn die verbleibende Zeit dürfte nicht mehr ausreichen, um die notwendigen Änderungen am Design noch in die bald erwarteten ersten Vertreter der siebten Generation der Xeon (7) Server-CPUs mit dem Codenamen "Diamond Rapids" zu integrieren. Gut möglich also, dass HTT dann erst mit einem Refresh der Xeon-7-Prozessoren zurückkommt, oder sogar erst mit Xeon 8, alias "Coral Rapids".
Auf die Auswirkungen der Entscheidung zur HTT-Rückkehr für Desktop-Prozessoren ging Intel bisher nicht offiziell ein. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie auch wieder Hyperthreading bekommen werden, um keine zusätzlichen Kosten für ein eigenes Chipdesign zu produzieren. "Im Client-Segment hat Panther Lake oberste Priorität, da es unsere Stärke bei Notebooks im Consumer- und Enterprise-Bereich stärken wird. Außerdem müssen wir weitere Fortschritte bei Nova Lake erzielen, um Lücken im High-End-Desktop-Bereich zu schließen", erklärt Tan. Zusätzliche Leistung, welche die Desktop-CPUs dringend benötigen, um Intels Initiative zur Etablierung von KI-PCs effizient unterstützen zu können.
Mehr Kontrolle und vereinfachten SKU-Stacks
Gleichzeitig mit der Rückkehr zu HTT/SMT will Tan aber auch bei den CPUs die Sparschrauben anziehen. "In den Bereichen Client und Rechenzentrum habe ich unsere Teams angewiesen, Produktfamilien der nächsten Generation mit klaren und einfachen Architekturen, besseren Kostenstrukturen und vereinfachten SKU-Stacks zu definieren", erklärt TAN. Um den Erfolg sicherzustellen will er künftige Chip-Entwicklungen höchstselbst absegnen: "Darüber hinaus habe ich eine Richtlinie eingeführt, nach der jedes größere Chipdesign vor dem Tape-Out von mir geprüft und genehmigt wird. Diese Disziplin wird unsere Ausführung verbessern und die Entwicklungskosten senken."
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