VMware: Tesco fordert über 115 Millionen Euro Schadenersatz
Da Tesco in den geänderten Lizenzbedingungen bei VMware einen schwerwiegenden Vertragsbruch sieht, der den eigenen Geschäftsbetrieb gefährde, verklagt das Unternehmen Broadcom auf Schadenersatz in dreistelliger Millionenhöhe. Auch der Dienstleister Computacenter soll dabei mit in Haftung genommen werden.
Seit der Übernahme von VMware arbeitet Broadcom unnachgiebig daran, das Geschäft mit gravierenden Veränderungen an den Vertriebs- und Lizenzbedingungen auf große Partner und Kunden auszurichten. Dass dieses vielerorts als äußerst rüde empfundene Vorgehen allerdings nicht nur die kleineren Kunden und Partner vor den Kopf stößt (siehe auch: Satte Zuwächse: Nutanix übernimmt Tausende VMware-Kunden), zeigt jetzt wieder beispielshaft der Fall von Tesco. Die britische Supermarktkette mit einem jährlichen Umsatz von etwa 80 Milliarden Euro hat wegen der Veränderungen Klage gegen Broadcom und auch ihren Dienstleister Computacenter eingereicht, von dem sie ihre VMware-Lizenzen bezogen hatte. Diese werden nach eigenen Angaben dazu genutzt, rund 40.000 Server-Workloads zu hosten und bilden damit "die Grundlage für die Server und Datensysteme, die das Funktionieren der Tesco-Filialen und -Geschäfte ermöglichen".
Broadcom wischt Vertragszusagen bis 2030 vom Tisch
Wie The Register mit Bezug auf die ihm vorliegenden Gerichtsunterlagen berichtet, fordert Tesco von den Beschuldigten insgesamt 100 Millionen britische Pfund Schadenersatz, also etwas mehr als 115 Millionen Euro. Hinzu kommen noch Zinsen, durch die sich der Betrag im Laufe eines langwierigen Prozesses weiter erhöhen würde. Kernpunkt der Klage ist demnach der Vorwurf des Vertragsbruchs. Tesco hatte nach eigenen Angaben im Januar 2021, also noch vor der Übernahme durch Broadcom, für seinen IT-Betrieb klassische Dauernutzungs-Lizenzen für die Produkte vSphere Foundation und Cloud Foundation über Computacenter erworben. Dazu kamen noch Abonnements für Tanzu sowie ein Support Vertrag für die Produkte, der Tesco zufolge auch explizit Software-Upgrades bis 2026 einschließt. Zudem habe der Anbieter in den Verhandlungen eine anschließende Verlängerungsoption des Pakets zu gleichen Bedingungen um weitere vier Jahre eingeräumt.
Mehrere dieser zugesicherten Punkte seien nach der Übernahme einseitig durch Broadcom abgeräumt worden, das VMwares Perpetual-Lizenzen abgeschafft und durch Abonnements ersetzt hat. Das bringt auch für viele Altkunden wie Tesco einige Probleme mit sich, weil sie keine Lizenzen für ihre Pakete mehr nachkaufen können und somit mittelfristig zum Wechsel aufs Abomodell gedrängt werden. Dieser Druck wird nochmals verstärkt, indem Broadcom den Support an das Abomodell gebunden hat. Deshalb monieren die Anwälte in der Klageschrift, dass ihr Mandant nun "überhöhte und überhöhte Preise für Virtualisierungssoftware zahlen muss, für die Tesco bereits bezahlt hat". Darüber hinaus sei es dem Unternehmen entgegen den Verträgen "nicht mehr möglich, eigenständige Support-Services für seine dauerhaft lizenzierte Virtualisierungssoftware zu erwerben, ohne dafür zusätzlich noch abonnementbasierte Lizenzen für dieselben Softwareprodukte kaufen zu müssen, die es bereits besitzt".
Fehlende VMware-Updates und -Upgrades gefährden die Lebensmittelversorgung
Ähnlich problematisch ist die Lage bei den Upgrades und Updates. Hier wird beklagt, dass Broadcom dem Kunden wegen seiner Perpetual-Lizenzen die Aktualisierung auf die neue Version Cloud Foundation 9 versagt, obwohl diese Lizenzen laut den Verträgen explizit das Recht auf Softwareupgrades beinhalten. Selbst die Patches für die bestehenden Versionen wurden laut Tesco eingeschränkt, sodass man teilweise von neuen Funktionen, Fehlerbereinigungen und vor allem Sicherheitsupdates ausgeschlossen sei. Mit ähnlichen Argumenten gehen auch andere Großkonzerne wie etwa AT&T und Siemens bereits juristisch gegen Broadcoms Schritte vor.
Und genau wie sie zeichnet dabei auch Tesco ein Bild, nach dem das Vorgehen von Broadcom nicht nur die eigene Infrastruktur beeinträchtigt und möglicherweise gefährdet, sondern sogar die Versorgungssicherheit der Bevölkerung. Immerhin seien die VMware-Lösungen "für den Betrieb und die Ausfallsicherheit des Unternehmens Tesco und seine Fähigkeit, die Verbraucher in Großbritannien und der Republik Irland mit Lebensmitteln zu versorgen, von entscheidender Bedeutung". Für den Channel ist der Fall besonders interessant, da es neben der direkten Auseinandersetzung zwischen Broadcom und einem VMware-Kunden auch um die Verantwortung eines großen VMware-Partners geht.
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