Windows 10 trotzt seinem Support-Ende

Zum heutigen Support-Ende läuft in Deutschland noch etwa die Hälfte der Windows-PCs mit Windows 10, der Handel richtet sich auf eine weiterhin schleppende Migration ein. Die Gründe für das Abwarten reichen von knappen Budgets bis zur KI-Hoffnung. Manche Kunden haben sich aber auch schlichtweg verzockt.

"Windows 10 wurde für eine Welt entwickelt, in der zu Hause und am Arbeitsplatz alles oder fast alles digital vermittelt wird und in der Sie auf möglichst natürliche Weise mit Ihrer Computerumgebung interagieren möchten, sei es durch Sprache, Berührung, Handschrift und nun natürlich auch durch Blicksteuerung und holografische Ausgabe." Satya Nadella, CEO, Microsoft, Januar 2015 (Foto: Microsoft)

Nach etwas mehr als zehn Jahren endet mit dem heutigen Tag der Support für Windows 10. Ab dem heutigen 14. Oktober 2025 gibt es keine Features und Updates mehr und Microsoft versorgt das Betriebssystem nur noch im Rahmen des bezahlten ESU-Programms (Extended Security Updates) mit den wichtigsten Sicherheitspatches. Obwohl das seit Jahren bekannt war, haben jedoch viele Privatnutzer, Unternehmen und andere Einrichtungen wie Behörden den Zeitpunkt für den Wechsel zu Windows 11 verpasst und schieben die fällige Migration weiter auf. Der Branchenanalyst Mike Crosby, Executive Director bei Circana, bezeichnet die aktuelle Windows-Migratiosnwelle deshalb gar als "eine der langsamsten" aller Zeiten.

Laut Statistikdiensten wie Statcounter laufen weltweit noch immer etwa 40 Prozent der mit dem Internet verbundenen PCs mit Windows 10. Erst im Sommer hat es der Nachfolger, rund vier Jahre nach seinem Erscheinen, geschafft, vorbeizuziehen. Dennoch treibt Windows 11 damit aktuell nur knapp die Hälfte der Windows-Rechner an. Auch wenn das Verhältnis im Unternehmensumfeld etwas besser aussieht, rechnen mehrere von CRN befragte Distributoren und Systemhäuser damit, dass selbst in den USA knapp ein Drittel der Arbeits-PCs noch nicht auf den aktuellen Stand gebracht wurde.

In Deutschland ist die Umstiegswelle sogar noch deutlich verzögerter unterwegs. Erst von August auf September kam es hier zu einem signifikanten Einbruch des Nutzeranteils von Windows 10, der von 58 Prozent auf 51 Prozent absackte. Auch wenn hier also kurz vor dem Support-Ende einige Nutzer noch schnell umgestiegen sind, bleiben die Windows-10-PCs in der Überzahl gegenüber dem 44-prozentigen Anteil von Windows 11. Immerhin ist davon auszugehen, dass sich Windows 11 im Oktober in Deutschland erstmals an die Spitze setzen wird. Dennoch verbleiben auch hierzulande hunderttausende noch auf Windows 11 umzuziehende PCs.

Windows 7 kehrt zurück

Hinzu kommt außerdem ein anderes Phänomen: Offenbar folgen bei weitem nicht alle, die sich jetzt von Windows 10 verabschieden, dem von Microsoft vorgesehenen Migrationspfad. Denn in den letzten Monaten ist auf einmal der Anteil von Windows 7 wieder spürbar gewachsen, und das sogar fast so stark wie der von Windows 11. Weltweit stieg er zwischen Juli und September von 2 auf 10 Prozent und in Deutschland von weniger als 2 auf 4 Prozent.

Warum Nutzer plötzlich auf die Uralt-Version zurückspringen, ist noch nicht klar. Einige Beobachter vermuten hier etwa einen Zusammenhang mit Microsofts ESU-Vorgaben, andere sehen dahinter die Hoffnung, das ältere System sei nicht mehr im Fokus der Hacker. Letzteres ist ein gefährlicher Fehlschluss, da auch die Hacker die entsprechenden Entwicklungen aufmerksam verfolgen und ihre weitgehend automatisierten Angriffe mit den heutigen Möglichkeiten auch leicht auf Windows 7 anpassen können.

Windows ESU: Zahlen oder zittern

Viele Unternehmen nutzen die kostenpflichtige ESU-Option, um ihre Migration noch etwas aufzuschieben (Foto: Microsoft)

All diese verbleibenden Nutzer von Windows 10 stecken spätestens jetzt in der Zwickmühle: Entweder sie kaufen die kostenpflichtigen ESU-Pakete, deren Preis von etwas über 60 US-Dollar pro PC sich mit jedem der maximal drei Jahre verdoppelt, oder aber sie riskieren ihre Sicherheit. Letztendlich können sie die Migration so aber auch nur weiter aufschieben und nicht verhindern. "Die ESU ist selbst im besten Fall nur ein Notbehelf", warnt Crosby deshalb. "Sie werden aber ein voll funktionsfähiges Betriebssystem benötigen."

Lediglich für virtuelle Windows-10-Maschinen in Windows 365, Azure Virtual Desktop, Azure Virtual Machines, Azure Dedicated Host, Azure VMware Solution – einschließlich Citrix und Omnissa Horizon auf Azure VMware Solution – Nutanix Cloud Clusters auf Azure Azure Local (ehemals Azure Stack HCI), Azure Stack Hub sowie Azure Stack Edge sind laut Microsoft kostenlose ESUs verfügbar. Nicht zuletzt sollten auch Dienstleister überprüfen, ob und inwieweit sie eine Mitverantwortung dafür tragen, die PCs ihrer Kunden aktuell zu halten.

Ähnlich wie schon der Vorgänger soll auch Windows 11 mit Funktionen wie Spracheingabe ein neues Zeitalter des Computing einläuten (Foto: Microsoft)

Diese Aussicht auf viele Nachzügler sollte es dem Vertrieb in den nächsten Wochen und Monaten zunehmend erleichtern, den betroffenen Businesskunden einen Wechsel auf Windows 11 nahezulegen. Dabei lohnt es sich laut Analyst Crosby auch, verschiedene Branchen und Unternehmensgrößen einzeln zu betrachten. Er geht aufgrund der ihm vorliegenden Zahlen beispielsweise davon aus, dass gerade in den kritischen Bereichen des Gesundheits- und Finanzsektors noch besonders viele Rechner mit Windows 10 betrieben werden. Gleiches gilt auch für kleinere Unternehmen, die schon bei früheren Migrationswellen meist zögerlicher agiert und zunächst abgewartet haben.

Aber auch Microsoft selbst wurde durch diese verzögerte Migrationsbewegung unter Druck gesetzt. Schon vorab hatte der Softwarekonzern angekündigt, erstmals auch den Endnutzern ein Jahr ESU-Verlängerung anzubieten, für den stark reduzierten Satz von einmalig 30 US-Dollar. Angesichts der großen verbleibenden Nutzerbasis und der damit verbundenen Risiken hat sich das Unternehmen vor wenigen Wochen nun allerdings dazu entschieden, auf diese Gebühr zu verzichten, wenn sich die Nutzer mit einem aktiven Microsoft-Konto dafür registrieren. Dennoch wurde Microsoft dafür teils heftig kritisiert (siehe: Microsoft-Support-Verlängerung für Windows 10 ist "bloße Augenwischerei").

Während Marktforscher Crosby im ersten Jahr mit etwa 7 Milliarden Dollar an ESU-Umsätzen rechnet, will sich Microsoft selbst nicht zu konkreten ESU-Zahlen äußern. Gegenüber CRN spricht Mark Linton, Vice President for device partner sales, jedoch von "starker Nachfrage über alle Kundensegmente hinweg". Dennoch geht er davon aus, dass ein Großteil der Unternehmen die Migration zumindest bereits geplant hat und auch dabei die Partner einbindet. "Wir haben ein starkes Engagement aus dem gesamten Ökosystem festgestellt, um Kunden bei der Planung und Durchführung von Migrationen oder der Verwaltung von ESUs zu unterstützen." Gemeinsam mit den Partnern stelle man den Wechselwilligen zahlreiche Hilfen und Tools für einen reibungslosen und schnellen Umstieg zur Verfügung, betont Linton.

Gründe für das Zögern beim Wechsel auf Windows 11

Mit der Ankündigung von Windows 11 wurde die Idee vom letzten, kontinuierlich weiterentwickelten, Windows begraben (Foto: Microsoft)

Es ist nicht das erste Mal in der Windows-Geschichte, dass eine Migrationswelle sich so hinzieht. Hier sei nur an das Paradebeispiel Windows XP erinnert, das noch auf Jahre nach seiner Abkündigung (2014) einen festen Platz in der Statistik hatte und 2017 der Malware WannaCry die Bahn ebnete. Meist waren es in der Vergangenheit vor allem zwei Gründe, die Nutzer von einem Wechsel abhielten. Zum einen spielte ein gewisser Gewohnheitseffekt eine Rolle, bei den Nutzern genauso wie bei Administratoren. Vor allem jedoch waren die Migrationen mit erheblichem Aufwand verbunden, sowohl die Migration selbst als auch die Anpassung proprietärer Software und Prozesse betreffend.

Diese Probleme spielen aktuell allerdings keine so große Rolle mehr wie in der Vergangenheit. Und das ist gerade Windows 10 zu verdanken, seitdem Upgrades weitestgehend reibungslos verlaufen, inklusive der Mitnahme der darauf eingesetzten Lösungen. Laut Microsoft ist Windows 11 zu mehr als 99 Prozent aller Windows-10-Anwendungen kompatibel. Dazu kommen die angesprochenen Hilfestellungen für Umzüge, etwa über Intune. Just dieser Effekt dürfte nun aber dazu beitragen, Windows 11 so auszubremsen.

Von Schnarchern, Schnorrern und Zockern

Aus Sicht von Jason Dugger, Chief Technology Officer und Mitgründer des Systemhauses DGR Systems aus Florida, hat die Migration für viele Organisationen "einfach keine Priorität", da sie davon ausgehen, "dass sie keine so große Sache ist". Für die Dienstleister bringt das eine große Unsicherheit in der Planung mit, wann die Migrationsprojekte tatsächlich angestoßen und umgesetzt werden. "Unser größter Konkurrent in dieser Branche ist manchmal die Apathie", konstatiert Dugger.

Ähnliche Erfahrungen macht auch Jasen Meece, Chef des Lösungsanbieters Mesa, der auf Platz 259 der "CRN 2025 Solution Provider 500" steht. Während sein Unternehmen die Migration bei einem Großteil seiner Kunden abschließen oder zumindest auf den Weg bringen konnte, haben sich einige andere aus seiner Sicht mit dem Abwarten schlichtweg verzockt. "Einige Kunden haben gezockt und darauf gesetzt, dass die Frist gestrichen wird“, beobachtete er. "Inzwischen haben sie erkannt, dass dies nicht der Fall ist." Deshalb sei in den letzten Wochen zunehmend hektische Aktivität bei diesen Kunden zu verzeichnen gewesen.

Auch beim MSP CompuCom registriert dessen Chef Todd Pekats in letzter Zeit eine steigende Zahl hektischer Kunden unter den etwa 30 Prozent verbleibenden Windows-10-Nutzern, die noch schnell eine Lösung für ihr selbst verschuldetes Migrationsdilemma suchen. Ihre Verzweiflung gehe teilweise so weit, dass sie versuchen, kostenlos an die erweiterten Sicherheitsupdates kommen und dabei sogar ihre Enterprise Agreements (EAs) als Hebel für ESUs nutzen. "Es gab eine gewisse Zurückhaltung beim Kauf der SKU (Stock-Keeping Unit) mit erweitertem Support (ESU), bis man schließlich das Gefühl hatte, keine andere Wahl zu haben", bemerkte Pekats. " Zudem gebe es Kunden, die selbst vor der einfachen Migration zurückschrecken, da sie sich keine Ausfälle erlauben können. "Ich kann es absolut nachvollziehen, wenn uns manche Kunden sagen, dass sie sich selbst die kleinste Downtime nicht erlauben können", so Pekats.

Hardware als großer Bremser für Windows 11

Viele Unternehmen werden erst 2026 auf Windows 11 migrieren und das gleich zum Kauf neuer Hardware, inklusive KI-PCs, nutzen (Foto: Microsoft)

Der wohl gewichtigste Grund für verzögerte Umstiege liegt den Aussagen der Systemhäuser und Dienstleister und zufolge aber bei der Hardware. Aufgrund seiner hohen Anforderungen wie TPM 2.0 schließt Windows 11 selbst viele Geräte aus der Anschaffungswelle in der Pandemie-Zeit aus und erfordert die Anschaffung neuer Hardware. Dieser Faktor verteuert die Migration für die Kunden erheblich und kollidiert mit den sowieso schon angespannten Budgets. In diesem Sinne berichtet Mesa-Chef Meece davon, dass viele der auf Windows 10 verbleibenden Kunden die Migration trotz der ESU-Kosten bewusst auf das nächste Jahr verschoben haben, um im neuen Budgetplan die entsprechenden Mittel für neue Rechner bereitzustellen. "Viele Kunden haben auf Zeit gespielt, weil sich das für sie ausgezahlt hat", bestätigt CompuCom-Chef Pekats.

Damit erkaufen sie sich auch zusätzliche Zeit für die Geräteauswahl. Denn aktuell beginnen Unternehmenskunden zunehmend damit, erste Erfahrungen mit KI-PCs zu sammeln und zu evaluieren, ob und für wen im Unternehmen die entsprechend teurere Hardware angeschafft werden soll. "Microsoft ist begeistert von der Dynamik, die wir bei Copilot+ PCs beobachten", berichtet Microsoft-Manager Linton. "Kunden und Unternehmen sind begeistert von der Einführung dieser neuen Klasse von PCs, die die Leistungsfähigkeit der KI aus der Cloud auf Ihren PC ausweiten und neue Copilot+ PC-Erlebnisse ermöglichen, die lokal von der Neural Processing Unit (NPU) unterstützt werden." Auch die Marktforscher verzeichnen einen entsprechend stark steigenden Anteil von KI-PCs im Markt.

Neue Chancen für den Channel mit Windows 11

Damit deutet alles darauf hin, dass sich der Channel hinsichtlich der weiteren Windows-11-Migrationen weiter in Geduld üben und in der Sache beständigen Kontakt zu den Kunden halten muss. Dafür könnten die Akteure mit zusätzlichem Hardware-Umsatz und weiteren Chancen belohnt werden. Neben den KI-Geräten und passenden Anwendungen gehört dazu etwa auch die Möglichkeit eines Umstiegs auf Cloud-basierte Angebote wie Windows 365 for Security.

Nicht zuletzt sollten die Kunden neben KI und Sicherheit auch daran erinnert werden, dass sie mit den Investitionen in die Migration ihre Produktivität steigern können und sich eine zukunftsfähige Windows- und Geräte-Basis aufbauen. Und auch die Verdopplung der ESU-Kosten wird dafür sorgen, den Wechsel-Druck auf die verbleibenden Unternehmensnutzer weiter zu erhöhen.

Dieser Artikel wurde mit Material unseres Geschätzten US-Kollegen Wade Tyler Millward erstellt.

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