Stimmungseinbruch bei Systemhäusern
Mehr als ein Drittel der 440 von Compris befragten IT-Dienstleister und Systemhäuser klagen über rückläufige Erlöse, 52 Prozent stagnieren und nur 13 Prozent wachsen gut. Die nun schon über zwei Jahre andauernde Wirtschaftsflaute in Deutschland hat mit Verzögerung die IT-Service-Branche eingeholt. Ein Weckruf für Systemhaus-Chefs.
Deutschland, kranker Mann in Europa. Dieser Topos für Europas größte Volkswirtschaft taucht seit Beginn der Wirtschaftskrise Ende 2022, Anfang 2023 wieder auf in den Medien. Einzelne Segmente sind von der Wirtschaftsflaute freilich ausgenommen: die IT-Branche beispielsweise. Digitalisierungsprojekte, Security und allen voran die Zukunftstechnologie KI treiben das Geschäft voran. Das war - grosso modo – 2023 bei IT-Dienstleistern, MSPs und Systemhäusern noch so, 2024 nicht mehr.
"Wir haben keine strukturelle Krise, sondern eine konjunkturelle", hatte Bechtle-CEO Thomas Olemotz Anfang November 2024 in einer Pressekonferenz erklärt und den Markt darauf vorbereitet, dass der jahrelange Wachstumskurs von Deutschlands größtem Systemhaus einstweilen zu Ende ist. Mittlerweile hat sich das Geschäft bei Bechtle zwischen April und Juni 2025 belebt, die Hoffnung auf wieder dauerhaften Umsatzanstieg ist da. Das gilt aber nicht für die Gesamtbranche.
Von Mai bis August hat der Channel-Dienstleister Compris 440 IT-Dienstleister, Systemhäuser und Integratoren in Deutschland und Österreich zur aktuellen Geschäftslage befragt. Selbst die größten Optimisten in der Systemhausbranche dürften die Ergebnisse mit Sorge aufnehmen.
87 Prozent der befragten IT-Häuser wachsen aktuell nicht, beziehungsweise geben sinkende Erlöse an: 52 Prozent haben eine stabile Geschäftsentwicklung, 31 Prozent geben rückläufige Umsätze an, 4 Prozent sogar starke Einbußen. "Damit wird deutlich: Die gesamtwirtschaftliche Lage wird auch in der IT-Branche als herausfordernd wahrgenommen", so das noch sehr milde ausgedrückte Fazit von Compris.
Compris-Geschäftsführer Gerald Holler ist keiner, der in einer schwierigen Branchenkonjunktur noch zusätzlich Öl ins Feuer gießen möchte. Für einen Weckruf ist schließlich die Fachpresse zuständig. Und der ist überfällig.
Konjunkturflaute bläst Systemhaus-Optimismus weg
Wer die Umfragen zur Branchenkonjunktur 2025 von Synaxon mit der aktuellen Compris-Studie kontrastiert, muss feststellen: Binnen dreier Quartale hat sich Einschätzung der Systemhaus-Chefs über ihre Geschäftsaussichten komplett ins Negative gedreht. Der zum Synaxon-Kongress Impulse Anfang April erschienene IT-Preisspiegel nennt noch 40,8 Prozent, die mit einem Umsatzwachstum für 2025 rechneten – 9,2 Prozent davon sogar über 20 Prozent, 31,6 Prozent bis zu 20 Prozent.
Den Zahlen von Compris entnehmen wir dagegen, dass aktuell nur noch 13 Prozent der Systemhaus-Chefs mit Blick auf Erlöse und Auftragseingang weiter zu den Optimisten zählen. Eine klare Minderheit.
"Die Partnerlandschaft nimmt eine deutlich schlechtere allgemeine Wirtschaftslage wahr als noch vor einem Jahr", heißt es in der Compris-Studie. Man könnte auch von einem Stimmungseinbruch sprechen. Was tun?
Wachstumsthemen stärken
Aussitzen und auf die baldige Rückkehr eines Stimmungshochs in der Wirtschaft hoffen? Darauf setzen, dass doch die PC-Migrationswelle mit dem Ende von Windows 10 im Oktober kommen muss? Dass die Hunderte Milliarden Euro aus dem gigantischen Konjunkturpaket der Bundesregierung endlich fließen? Der neue Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung Zähne zeigt gegenüber Ressortkolleginnen aus anderen Bundesministerien, die sich nicht unter seine Weisungsgebundenheit stellen wollen?
Abwarten ist sicher keine Option. Dann lieber die eigenen Stärken noch schlagkräftiger machen, im Vertrieb beispielsweise, und die ermutigenden Signale gezielt verstärken, die der Markt durchaus aussendet. 10 Prozent der Befragten berichten laut Compris-Umfrage von zusätzlichen Investitionen: insbesondere im Umfeld von IT-Dienstleistungen für die Standardisierung der IT-Infrastruktur, sowie Cloud, Hybrid Cloud und im Bereich Security.
Geschäftschancen sehen, Stärken ausbauen, lernen von Branchenkollegen: CRN XCHANGE
Gezielt Wachstumsthemen auf- und ausbauen und somit die kleiner werdenden Projektvolumina kompensieren. Neukundengeschäft angehen. Hinterfragen, ob im Vertrieb tatsächlich die vielfältigen Aufgaben an die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilt sind. Ob das Marketing so gestaltet ist, dass Kunden der Nutzen, bestenfalls der ROI, sofort ins Auge sticht und einleuchtet.
'Konjunkturflaute! Da geht halt wenig', hören viele Systemhauschefs. Bei Berater Andreas Dosch gehen solche Ausreden nicht durch. "Knappe Kassen sind leichter zu knacken als volle Töpfe", sagt er.
Die Zeiten einer ewig scheinenden Sonderkonjunktur, wo IT-Dienstleister CRN noch ganz stolz berichteten, sie hätte gar keinen Vertrieb und bräuchten auch keinen, sind vorbei. Daniel Langenbach von ITs-plus kennt sie im Vertrieb seines Systemhauses. "Kunden kamen von alleine, der Preis spielte keine Rolle, der Vertrieb brauchte lediglich zu reagieren". Schon vor einigen Jahren hat der Geschäftsführer die Vertriebsmannschaft umgestellt, den Verkaufsprozess neu ausgerichtet. Ziel war es, vom Auftragnehmer zum aktiven Vertrieb von Managed Service in herausfordernden Zeiten zu kommen. "Der Markt ist riesengroß, aber reaktiv reicht nicht mehr", so Langenbach.
Viele IT-Dienstleister und Systemhäuser kommen aus Jahren des Wachstums. Heute stünden sie im Spagat zwischen wachsender technischer Komplexität, steigenden Kundenerwartungen und massivem Wettbewerbsdruck, fasst Compris die Lage der Branche zusammen. "Eine Situation, die in dieser Intensität für viele Partner neu ist".
Tipp der Redaktion
Bei der am 21. Oktober 2025 in Frankfurt/Main stattfindenden XCHANGE, ein von der CRN-Muttergesellschaft The Channel Company veranstaltetes Partner-Event, werden Systemhaus-Entscheider, Berater und Manager von Herstellern aktuelle Herausforderungen der Branche diskutieren und ihre Erfahrungen teilen. Treffen Sie dort u. a. Andreas Dosch von COD Consult, Daniel Langenbach von ITs-plus, Manuel Staiger von IT sure. An der Diskussion über Potenzial von KI für Systemhäuser nehmen teil: Cancom-CEO Rüdiger Rath, Bechtle-Vorstand Michael Guschlbauer und Medialine-COO Stefan Hörhammer.
Mehr Disruption und Transformation? Die Xchange kommt nach im Oktober 2025 nach Deutschland. U.a. berichtet IT sure-Gründer Manuel Staiger