Neuer EMEA-Chef von WatchGuard: "Wir brechen die Silos auf"
Kaum im Amt, hat Frédéric Saint-Joigny den Vertrieb von WatchGuard in Zentral- und Südeuropa aufgebrochen, er sagt: "die Teams zusammengeführt". Vertrieblich und technologisch richtet der Europa-Chef den Security-Anbieter auf Managed Services aus. Partner sollten "nicht schüchtern sein", auch mal bei Großkunden anzuklopfen.
Die WatchGuard-Roadshow macht Halt in Köln. Wir treffen Frédéric Saint-Joigny, den neuen EMEA-Chef, gemeinsam mit rund 70 WatchGuard-Partnern in der Motorwelt. Dieses Jahr ist eine Zäsur, der Beginn eines Um- bzw. Aufbruchs für den Security-Hersteller. Anfang November trat Joe Smolarski als neuer CEO an. Investor Thomas Bravo hat ihn nicht von ungefähr von MSP-Plattformanbieter Kaseya geholt. Er soll das Wachstum der MSP-Lösungen vorantreiben, und er führte sich im ersten CRN-Interview in seiner neuen Rolle mit einem Riesenversprechen für Managed Service Partner ein.
Davor hatte sich Saint-Joigny im Sommer mit einer spektakulären Entscheidung in sein neues Amt eingeführt: Die vertrieblich getrennten Regionen Zentraleuropa unter Michael Haas und Südeuropa mit Fabrizio Croce werden zusammengelegt die WatchGuard-Veteranen, beide jeweils mehr als 20 Jahre für den Channel des US-Security-Herstellers tätig, mussten gehen. Regionale Strategie vereinheitlichen, Zusammenarbeit verbessern, um für kommendes Wachstum besser aufgestellt zu sein, begründete Europa-Chef Saint-Joigny die Neuausrichtung im Juli. Der Weggang von Haas ist Partnern in Deutschland durchaus unter die Haut gegangen, wie CRN beim Partnertreffen in Köln hört.
Frédéric Saint-Joigny hat in Paris Informatik studiert, wohnt in der Nähe der französischen Metropole, "auf die alle Fernstraßen zuführen", lacht der Manager, als CRN das Gespräch auf den in Frankreich "erfundenen" Zentralismus lenkt. Man denke an den Absolutismus eines Ludwig XIV., der als "Sonnengott" alle und alles um sich kreisen ließ und alle Fäden in der Hand hielt. Das wirkt bis heute nach in internationalen Managerschulen, wo Business Administration gelehrt wird. Manche US-Konzerne führen ihre Auslandsgesellschaften gerne an der kurzen Leine und zentralisieren alle Channel-Aktivitäten auf EMEA-Ebene in einem Team – oft von London aus.
Folgt Saint-Joigny diesem Muster, wenn er sagt, er wolle bei WatchGuard in Europa Silos einreißen? Es geht dem Manager um etwas anderes.
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"Fred" hält Frankreich und sich selbst nicht für den Nabel der Welt, so unser Eindruck. Der Manager war schließlich für Firmen aus verschiedenen Kulturkreisen tätig: 10 Jahre für HPE/Aruba, für israelische Security-Anbieter, die finnische F-Secure und andere IT-Firmen in seiner mehr als 30-jährigen Karriere, die bei Alcatel-Lucent Anfang der 90er begann.
Er weiß, was Stabilität eines Konzerns in finanzieller und vertrieblicher Partner-Hinsicht bedeutet. Er kennt das Chaos nach einer überstürzten Pleite (Skybox), als man die Muttergesellschaft zur Insolvenzanmeldung der Töchterfirmen in den europäischen Ländern zwingen musste, damit für die Mitarbeiter Insolvenzgeld vom Staat fließt.
Es wird mehr als nur ein Business-Gespräch mit Fred. Wir reden über Gründe von Rassismus und Ausgrenzung, erfahren, dass Freds vier erwachsene Kinder auf verschiedenen Kontinenten leben und er sie regelmäßig trifft. Eine polyglotte Familie, die offen ist für andere Kulturen, die das "Fremde" nicht fürchtet, sondern den Dialog sucht, weil sich jeder in Freds Familie von der Vielfalt der Mentalitäten und Einstellungen bereichern lässt – privat und beruflich.
Womit wir die Brücke schlagen zu den Gründen, warum der EMEA-Chef von WatchGuard Silos einreißen lässt, Altes in Frage stellt und seine Teams, aber auch Partner auf neue Wege mitnehmen will.
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CRN: Sie haben als neuer EMEA-Chef angekündigt, in den ersten 90 Tagen viele Teams und Partner in der Region persönlich zu sprechen. Was haben Sie zu hören bekommen?
Frederic "Fred" Saint-Joigny: Ich habe mit Hunderten Mitarbeitern und Partnern gesprochen. Das Feedback vor allen Partnern bestätigte meine Sicht auf WatchGuard, dass wir ein großartiges Angebot haben. Und das sind keine leeren Worte, weil sie von Partnern kamen, die teils 20 Jahre und mehr mit WatchGuard zusammenarbeiten. Diese Loyalität rührt daher, dass sie großartige Produkte und Lösungen verkaufen und gutes Geld verdienen können. Die Partner folgen unseren Innovationen, die wir heute hier in Köln und weitere in den kommenden Jahren vorstellen. Das ist die klare Botschaft, die ich von allen erhalten habe.
Es gibt natürlich Dinge, die wir wahrscheinlich verbessern können: Auf der operativen Seite, im Bachoffice beispielsweise. Da können und sollten manche Prozesse einfacher ablaufen.
"Seien Sie nicht schüchtern, trauen Sie sich", sagten Sie in ihrer Keynote hier auf der Roadshow in Köln an die Partner gewandt. Was meinen Sie damit?
Saint-Joigny: Viele Partner verkaufen WatchGuard an ihre KMU-Kunden. Das ist gut so. Aber ich wollte darauf hinweisen, dass WatchGuard Lösungen hat, die nicht unbedingt nur für KMU gemacht sind. Partner können sie auch an große Kunden verkaufen, in das Enterprise-Segment vorstoßen. Unsere Teams helfen dabei – technologisch, vertrieblich und mit Marketing - auch solche Kunden zu gewinnen. Viele Partner haben mir gesagt, dass sie sich mehr Sichtbarkeit wünschen, weil sie viel mehr Sichtbarkeit verdienen. Das schaffen wir aber nur gemeinsam.
WatchGuard will den Vertrieb in Europa straffen, mehr zentralisieren, eine einheitliche Strategie einführen: Warum?
Saint-Joigny: Als ich eintrat, gab es tatsächlich eine Umstrukturierung. Es gab keine Region EMEA, sondern drei Cluster. Ich habe alle zusammengebracht, und alle haben zusammengearbeitet, was vorher so nicht der Fall war. Wir haben Silos aufgebrochen. Wir sind alle ein Team. Es ist ganz klar, dass es entscheidend ist, diese Silos intern und extern aufzubrechen.
Wenn man immer dasselbe tut, wird man natürlich immer die gleichen Ergebnisse erzielen. Wenn nur Franzosen zusammensitzen, Deutsche, Briten, Spanier, Italiener zusammensitzen, dann denkt man nicht außerhalb seiner Kultur und außerhalb desselben Ökosystems. Ich bin fest davon überzeugt, dass Vielfalt Reichtum und Inspiration ist. Die Leute lernen so viel, auch einfache Dinge, wenn sie sich über Länder hinweg kennenlernen und austauschen. Das funktioniert sofort, zum Beispiel über eine Whatsapp-Gruppe, die einige Mitarbeiter eingerichtet haben. Die arbeiten jetzt zusammen und tauschen auch persönliche Dinge aus.
Und das funktioniert im Business wirklich und wird täglich gelebt?
Saint-Joigny: 'Hey, hast du übrigens die neueste Preisliste erhalten? Ich habe dies und das gesehen. Oh, übrigens: wenn du einen Partner online triffst, wie machst du das?'. Ein solcher Austausch über Landesgrenzen hinweg schafft eine einzigartige Dynamik. Bei unseren Teams ist das sofort angekommen. Das ist meine Vorstellung von einem Team, das sich zu Wort meldet und Erkenntnisse und Ergebnisse austauscht.
Vernetzung ist das eine. Ein Teamspirit nachhaltig aufzubauen und immer wieder zu beleben, das andere.
Saint-Joigny: Wir fangen ja erst an. Ich würde gerne Gruppen von vielleicht drei, vier Personen aus verschiedenen Ländern bilden, die einen Monat lang an einem Thema arbeiten und dann ihre Ergebnisse und Schlussfolgerungen sowie Vorschläge, Alternativen und Optionen zur Lösung eines Problems der Gruppe vorstellen. Und dann natürlich weltweit darüber berichten. Denn das Schöne an EMEA ist, dass es sich tatsächlich um eine fragmentierte Region handelt.
Die Sie jetzt zentralisieren. Weil Sie als gebürtiger Franzose von Zentralisierung geprägt sind?
Saint-Joigny: Wir wollen die Vielfalt der Kulturen und Ideen zusammenbringen. Darum geht es. Mir ist bewusst, dass es keine Einheitslösung geben kann, die funktioniert nicht in EMEA. Es gibt große Länder, aber auch kleine Länder. Manche Dinge, die in Deutschland funktionieren, funktionieren beispielsweise in Ungarn nicht. Und die Anforderungen in Ungarn sind anders, weil wir dort kein Team vor Ort haben.
Im Übrigen bin ich international viel unterwegs, meine Kinder wohnen auf verschiedenen Kontinenten. Meine Aufgabe sehen ich darin, Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit vielleicht unterschiedlichen Ansätzen zusammenzubringen. Darin liegt, wie ich meine, eine große Bereicherung.
Michael Haas war über 20 Jahre das Gesicht von WatchGuard, Partner in Deutschland und wir haben ihn so wahrgenommen. Er ist nicht mehr im Unternehmen. Wer ist nun das Gesicht des WatchGuard-Channels hierzulande?
Saint-Joigny: Ich habe großen Respekt vor Michael, der diese Region dahin gebracht hat, wo sie heute steht. Heute leiten zwei Personen die Geschäfte ich Deutschland: Dirk Albrecht und Sascha Ridinger, der eine für die Region Nord/West, der andere für den Süden zuständig. Beide sind das Gesicht von WatchGuard mit ihren Teams im Channel-Account-Management. Ich meine, dass unser Team der Vertriebskanal ist, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Sie heute gesehen haben [in Köln auf der Roadshow, CRN]. Sie sind über das ganze Land verteilt. Sie sind das lokale Gesicht von WatchGuard und kümmern sich um Partner.
Ein großes Thema in Köln und überall auf der WatchGuard-Roadshow ist Managed Service. Ihr CEO, Joe Smolarski, ist diesen Monat mit der Botschaft ins neue Amt angetreten, die Margen für MSP-Partner verdoppeln zu wollen. Wie wollen Sie das umsetzen?
Saint-Joigny: Unsere MSP, unsere MSP-Community, wächst. Hauptsächlich durch bestehende Partner, die umstellen und eine Managed-Service-Plattform aufbauen. Wir helfen unseren MSPs, das Geschäft wachsen zu lassen und auch den Gewinn zu erhöhen. Ich höre von vielen Partner ganz klar, dass sie gerne Managed Services anbieten oder ausbauen wollen. Vor allem von Partner, die noch stark im Reselling unterwegs sind. Bei der Transformation zum MSP brauchen sie Unterstützung. Unser Runbook beispielsweise, das wir vorgestellt haben, zeigt ihnen mit vielen realen Beispielen, wie eine Umstellung gelingen kann.
Ein Beispiel: Ich habe einen Partner in Deutschland getroffen, der seit rund 20 Jahren mit uns zusammenarbeitet und gerne Managed Services anbieten würde. Der wusste nur nicht, wie anfangen, also den ersten Schritt machen. Wir haben gemeinsam mit dem Partner ein Konzept entworfen, welche Art von Services er anbieten und wie er die Technologie in einen verwaltbaren Service umsetzen und monetarisieren könnte, samt Beispielrechnung, wieviel er pro Monat verdienen kann.
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Distributoren sind für die Logistik unverzichtbar. Sie können aber auch bei der Transformation eines Partners zum MSP-Modell eine wichtige Rolle spielen. Planen Sie Änderungen bei der Distributionsstrategie?
Saint-Joigny: Wie Sie wissen, haben wir ein zweistufiges Distributionsmodell mit unseren Partnern ADN, Also, Allnet und Infinigate. Also spielt für WatchGuard eine große Rolle in Europa, ebenso Infinigate als paneuropäischer Distributor, ADN und Allnet sind für Deutschland wichtig. Ansonsten haben wir in Europa noch weitere lokale Vertriebspartner.
Nicht jeder Distributor verfügt über das gleiche Fachwissen oder gleiche Dienstleistungen. Wir stehen mit unseren Vertriebspartnern im Austausch und sprechen darüber, was es bedeutet, jetzt und in den kommenden fünf Jahren ein Vertriebspartner für WatchGuard zu sein, was die Schlüsselelemente unserer Strategie sind, welche Rolle der Vertrieb spielt.
Also könnten Änderungen kommen? Zum Beispiel die Zahl der Distributoren reduzieren – Stichwort: Zentralisierung.
Saint-Joigny: Es geht nicht unbedingt um eine Reduzierung. Aber wir müssen mit Blick auf unser Portfolio sicherstellen, dass wir den Vertrieb haben, den wir brauchen. Konkrete Pläne gibt es aktuell nicht.
Es gibt gefühlt 1.000 Security-Anbieter und mehr. Kann man sich als Hersteller in diesem Markt überhaupt differenzieren?
Saint-Joigny: Eine großartige Frage. Was mir Partner widerspiegeln, ist, dass ein breites Setup an Lösungen und entsprechende Cross-Selling-Möglichkeiten den Unterschied ausmacht. Partner müssen ihr Stack erweitern können: Sie beginnen mit der Firewall, fügen dann Endpoint-Schutz hinzu, dann MFA und Patch-Management, beginnen dann mit einem vollständigen XDR, also auch Netzwerküberwachung.
Viele Partner gehen tatsächlich von einem zu zwei, drei, vier oder mehr Produkten über, um ihr XDR-Angebot zu erweitern – auch mit unseren Lösungen FireCloud und ZTNA [Zero Trust Network Access, CRN]. Sie verstehen, dass sie so vielleicht mehr Compliance-Dienstleistungen hinzufügen können. So unterscheiden wir uns von Mitbewerbern: Wir können Security auf Enterprise-Niveau für KMU und SMB anbieten.
WatchGuard hat SOC-Lösungen zunächst für Großkunden entwickelt, MDR wurde zunächst auch bei großen Kunden eingesetzt. Vor fünf Jahren gab es aber es für MDR noch keine Nachfrage aus dem KMU-Segment. Das ist nun anders. Wir sehen ein starkes Wachstum bei MDR, NDR und jetzt auch bei ZTNA. Und wir wollen nicht nur als Firewall- oder Endpointsecurity-Anbieter gesehen werden, sondern als Anbieter einer Sicherheitsplattform.
Bei der Frage, wie viele Partner bereits Managed Services einsetzen, gingen viele Hände hoch, deutlich über die Hälfte der anwesenden Partner. Bei Zero Trust Network Access gab es kein einziges Handzeichen.
Saint-Joigny: Warten Sie ein Jahr ab. Denn wir werden diese großartige Lösung für Unternehmen auf den KMU-Markt bringen. Weil wir sie erschwinglich für die Kunden des KMU-Kanals machen werden. Die Schlagzeilen über Cyberangriffe auf Unternehmen werden nicht abreißen und es trifft immer mehr kleinere Firmen.
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