"Es müssen ja nicht immer gleich riesen Projekte sein"

Im Interview mit CRN spricht Ploon.it-COO Jan Schmidt über die Akquisitionen und Wachstumsstrategie der 2024 gegründeten Gruppe, geht auf drängende Themen wie digitale Souveränität und die Transformation im Systemhausgeschäft ein und erklärt, warum bei KI-Projekten Kleckern derzeit noch manchmal besser ist als Klotzen.

"Wir suchen Wachstum vor allem in der Beratung. Das ist der springende Punkt bei der Transformation, die wir selbst durchmachen und die wir den anderen ermöglichen. Es geht darum, weg vom reinen Projektgeschäft zu kommen, um gut für die Zukunft aufgestellt zu sein." Jan Schmidt, COO Business Development, Ploon.it Group (Foto: Ploon.it)

Seit ihrer Gründung im Juli 2024 hat die Ploon-it-Gruppe ihre ambitionierten Wachstumsziele mit Nachdruck verfolgt und konnte ihr "Local-Hero-Sonnensystem" so in den letzten Monaten gleich um drei neue Systemhäuser erweitern. Kurz nach der Step, die für COO Jan Schmidt eine Art Initialzündung war, wurden auch IT-Service Medata und Bestserv übernommen und integriert. Wie Ploon.it neue Kandidaten findet, oder auch von ihnen gefunden wird, wer dafür in Frage kommt und wie sie die Stärken der Gruppe nutzen können, um Hürden bei ihrem Wachstum und ihrer Transformation zu überwinden, erklärt Schmidt im Interview CRN. Darüber hinaus spricht er über die Suche vieler Kunden nach einer souveränen Exit-Strategie und "realistische Möglichkeiten, vom Hyperscaler weg zu kommen" und zeigt Parallelen zwischen Sicherheitsbedenken bei Cloud und KI auf.

CRN: Jan, gerade konnte die Ploon IT den ersten Geburtstag feiern. Wie habt ihr diese Zeit erlebt und wann begann die Sache Fahrt aufzunehmen?

Jan Schmidt: In dem einen Jahr seit unserem Start ist sehr viel passiert. Ausgehend von unserem ersten Planeten List + Lohr, der der Nukleus für das weitere Planetensystem ist, haben wir uns am Anfang zunächst viele Gedanken darüber gemacht, das Modell entsprechend tragfähig zu entwickeln und schon die ersten dafür notwendigen und hilfreichen Prozesse aufzubauen.

Der Knoten ist dann geplatzt, als wir im Juli die Step akquiriert haben. Dem waren lange Verhandlungen vorausgegangen, wie in den meisten Fällen. Aber das muss auch so sein, denn letztendlich wollen wir ja nicht nur wahllos weitere Himmelskörper einsammeln, sondern brauchen richtig gute und gut passende Planeten als Stütze für den Aufbau eines starken Systems.

CRN: Was macht ihr dann mit einem solchen Planeten, wenn ihr ihn eingefangen habt?

Schmidt: Die Step ist in vielerlei Hinsicht direkt eine Art Paradebeispiel für unsere Strategie für die Planeten. Während wir sie auf der einen Seite integrieren und zentrale Prozesse in die Ploon IT holen, nutzen wir die Synergieeffekte in der Gegenrichtung, um die Step weiter auszubauen und sie weiter zu vergrößern, indem wir mit dem Fokus auf ihre Kernregion in Baden Württemberg die Reichweite erhöhen.

CRN: Wie findet ihr Kandidaten wie die Step und kommt mit ihnen ins Gespräch?

Schmidt: Wir haben einen großen Vorteil: Viele Systemhäuser haben wachsende Probleme mit dem Projektgeschäft. Das sehen wir im allgemeinen Marktumfeld und auch im M&A-Prozess deutlich. Sie suchen deshalb nach Stabilität. Das ist gut für uns: Denn wir können ihnen genau das bieten.

Wir haben viele Standardisierungsmodelle, die wir ausrollen können. Damit können wir die Systemhäuser nicht nur in wesentlichen Funktionen und Prozessen entlasten, sondern ihnen auch bei der Transformation vom alten Break-Fix-Modell hin zu dynamischeren Service-Modellen helfen.

CRN: Werdet ihr auch selbst angesprochen?

Schmidt: Absolut. Es gibt auch viele, die von selbst aus dem Markt auf uns zu kommen. Sei es, um sich einfach nur über die Möglichkeiten zu informieren, oder auch schon mit konkreteren Vorstellungen und Zielen, wie beispielsweise Nachfolgeregelungen zu planen. Wir sind ja selbst alle seit 20 Jahren in der Branche und kennen daher viele Häuser und ihre Verantwortlichen persönlich. Das kann auch sehr hilfreich sein, auf diesem Wege vertrauensvoll ins Gespräch zu kommen, statt über externe M&A-Berater, die wir aber natürlich auch teilweise nutzen.

Aber auch unser Knowhow hilft uns hier sehr viel. Wir haben eben nicht nur sehr viel IT- sondern auch Channel-Wissen.

CRN: Vor der jüngsten Akquisition Bestserv kam im August schon die Medata dazu. Von außen scheint sie das System direkt etwas zu sprengen, einerseits aufgrund ihrer Größe, andererseits durch die Nähe zu euch in Hannover. Ist sie also in diesem Bild als eine Art Mond für das Zentralgestirn zu betrachten, oder macht ihr euch hier mit einem zweiten Planeten in der Region selbst interne Konkurrenz?

Schmidt: Ja, hier wird das Bild etwas herausgefordert. Medata steht zwischen Mond und Planet, sagen wir also einfach mal, sie ist ein Zwergplanet. Gerade das könnte aber auch eine Chance sein, dass sie mit einer positiven Entwicklung innerhalb der Gruppe zum Planeten heranwächst. Eine Option, die durchaus Teil unserer Planetensystem-Strategie ist.

Als interne Konkurrenz zur auch regional nahen List Lohr würde ich die Medata aber nicht sehen, eher ist sie eine Ergänzung, mit der wir in diesem Gebiet ein noch breiteres Spektrum anbieten und so noch mehr Kunden erreichen können.

CRN: Was ist euer strategisches Kernelement für dieses Wachstum?

Schmidt: Wir suchen Wachstum vor allem in der Beratung. Das ist der springende Punkt bei der Transformation, die wir selbst durchmachen und die wir den anderen ermöglichen. Es geht darum, weg vom reinen Projektgeschäft zu kommen, um gut für die Zukunft aufgestellt zu sein.

Dennoch wollen wir auch die wertvollen Spezialisierungen die die einzelnen Himmelskörper einbringen, nicht aufgeben, sondern sie vielmehr übergreifend nutzen. Die Medata hat beispielsweise schon viel SaaS-Beratungskompetenz, während die Step spannende Kompetenzen bei Lowcode mit einbringt. Durch Cross-Selling können wir das richtig nutzen und solche Kompetenz-Center über die einzelnen Firmen hinweg einsetzen.

CRN: Funktioniert das auch in der Praxis?

Schmidt: Gerade mit Step gibt es einige Projekte, die belegen, dass gerade die Beratung auch überregional funktioniert und es dennoch hilft, einen Trusted Advisor vor Ort zu haben, der einem überhaupt die Türe dazu öffnen kann.

Das ist auch der Grund, warum wir bewusst keine Ein-Marken-Strategie fahren, sondern die Regionalität wollen. Der Mittelstand will nicht anonym bedient werden, sondern einen echten Partner, den er kennt und dem er auch auf persönlicher Ebene vertraut.

CRN: Was ist in diesem Konstrukt dann die Aufgabe der Gruppe?

Schmidt: Bei den zentral bereitgestellten Leistungen sprechen wir von den "Sun Services". Dazu zählen vor allem Support-Dienste wie: Buchhaltung, Accounting, Finance und Personal, die wir durch die Bündelung deutlich effizienter unterstützen können. Eine weitere zentrale Leistung ist aber auch eine eigene Gesellschaft für Datenschutz und Compliance, mit der wir die einzelnen Häuser auf einem Gebiet entlasten können, das zunehmend zum Risiko wird und viele Ressourcen verschlingt. Auch das lässt sich zentral deutlich besser erledigen. Das Operative und die Delivery erfolgen aber ganz bewusst regional.

KI braucht Beratung

CRN: Wie weit seid ihr beim Trend-Thema KI? Spürt ihr hier auch schon eine echte Nachfrage, oder bleibt es derzeit noch eher eine unverbindliche Spielwiese?

Schmidt: Tatsächlich steht dieser Weg erst am Anfang. Vieles findet aktuell noch im Bereich F&E statt, auch wir machen das so. Und auch hier zeigt sich direkt wieder der Vorteil unseres Modells: Durch die zentrale Funktion haben wir deutlich mehr Möglichkeiten, uns diesem Thema anzunähern und daraus fruchtbare Ansätze zu entwickeln, als es die Einzelnen hätten.

CRN: Warum überträgt sich der Trend trotz der gigantischen Aufmerksamkeit nur so langsam auf das Geschäft? Woran hapert es?

Schmidt: Für mich war genau das neulich bei einem Event eines Broadliners zu beobachten. Da waren um die 30 Hersteller vor Ort, die uns vorgestellt haben, was sie alles machen können. Und da waren wirklich tolle Sachen dabei. Gleichzeitig war aber kaum ein Partner zu sehen, der das auch wirklich schon zum Kunden bringt – die fehlen oft einfach noch.

Und warum? Aus meiner Sicht zeigt sich hier wieder: Es braucht Beratung. Normal ist das einfach keine Kernkompetenz eines Systemhauses, deshalb geht es nur schleppend voran. Wir können das aber für unsere Einheiten zentral mit einer ganz anderen Manpower und Expertise vorbereiten. Speziell MSPs sind es ja normalerweise gewohnt, fertige Produkte zu haben. Bei KI ist das aber normalerweise bisher nicht der Fall. Und selbst wenn, brauchen auch standardisierte Lösungen in so einem neuen Gebiet Beratungsleistungen.

Gerade der Mittelstand will einen schnellen ROI, umso mehr in den aktuellen Zeiten. Allerdings ist der bei so einer neuen und eng mit so vielen anderen Bereichen verwobenen Technologie nur schwer zu quantifizieren. Wenn man hier schon etwas bieten kann, ist man sofort im Vorteil.

CRN. Und wie ist es bei den größeren Kunden?

Schmidt: Viele aus dem Enterprise-Segment sind schon sehr weit, viel weiter als der Mittelstand. Hier ist viel mehr Geld vorhanden und dementsprechend wird auch mehr investiert. Ein Bisschen sicherlich auch aus der schieren Angst heraus, sonst den Anschluss zu verlieren und gegenüber dem Mitberwerb ins Hintertreffen zu geraten.
Das geht bis hin zu den Hyperscalern. Deshalb werden ja gerade überall AI-Factories aus dem Boden gestampft. Aus meiner Sicht werden hier viele Kapazitäten auf eine Art Wette generiert.

CRN: Wie geht ihr also in der Praxis vor, um das Thema bei den Kunden zu platzieren?

Schmidt: Im ersten Schritt fragen wir, was sind die Standard-Prozesse beim Kunden? Dafür suchen wir dann passende Ansatzpunkte. Es müssen ja nicht immer gleich riesen Projekte sein. Oft ist es besser, erstmal etwas günstiges zum Einstieg zu machen und damit auch Erfahrung zu sammeln.

Hier übernimmt die Sonne wieder die Grundlagen bei F&E und die anschließende Entwicklung zum Produkt als Service für die einzelnen Planeten und Monde. Ganz ähnlich übrigens, wie wir es auch bei der Cloud machen.

Souveränität als Sicherheitsnetz

CRN: Souveränität ist gerade ein großes Schlagwort, Ihr geht das Thema teils selbst mit der Hannover Cloud an. Ist das mehr ein Hype, oder spielt das für euch und euer Geschäft schon eine nennenswerte Rolle?

Schmidt: Wir haben viele sensible Kunden wie Anwälte oder Steuerberater, für die das auf jeden Fall ein wichtiges und ganz reales Thema ist. Denen können wir schon heute private Cloud und eigene Services anbieten, auch im Umfeld von MS365 und Azure.

Und wir gehen davon aus, dass Souveränität gerade auch im KI-Bereich künftig noch ein riesen Thema sein wird. Weil dort eben sehr viel am Datacenter hängt. Auch hier gibt es wieder viele Parallelen zwischen Coud und KI.

CRN: Aber sind die Kunden außerhalb der besonders kritischen oder sensiblen Bereiche tatsächlich bereit, dafür auch mehr Geld in die Hand zu nehmen?

Schmidt: Ich glaube durchaus, dass einige Kundensegmente bereit sind, dafür extra Geld auf den Tisch zu legen. Die Frage ist meist eher, ob sie dafür überhaupt schon bereit sind. Aber viele wollen angesichts der politischen Unsicherheiten auch einfach eine belastbare Exit-Strategie für den Fall der Fälle parat haben. Da haben wir aktuell sehr viele Anfragen.

Im Beratungsgeschäft registrieren wir hier derzeit – ähnlich wie beim ersten Cloud-Hype – viele Datenschutz-Themen. Hier wiederholen sich viele Muster, nur gibt es inzwischen viele neue Anbieter, die das auch adressieren. Dadurch gibt es nun realistische Möglichkeiten, vom Hyperscaler weg zu kommen. Unserer Ansicht nach reichen in den meisten Fällen auch die europäischen Superscaler. Da setzen wir viel drauf. Gerade im Bereich SAM können wir Kunden stark für ihre individuellen Bedürfnisse bei kritischen Daten und Prozessen unterstützen.

CRN: Was sind die nächsten Schritte der Ploon IT? Noch ist ja einiger Platz für Planeten und Monde?

Schmidt: Wir wollen konkret die zentralen Leistungen stärken, sowohl organisch als auch anorganisch. Das Paradebeispiel hierfür ist das Thema Cloud. Und zudem planen wir weiterhin damit, unser Sonnensystem um 1-2 neue Planeten pro Jahr zu erweitern. Aber wie eingangs bereits gesagt: Das dauert natürlich auch immer eine ganze Zeit vom ersten Kontakt bis zum Vollzug.

CRN: Aber braucht ihr die Planeten nicht wieder als Gravitationszentrum für die kleineren Monde?

Schmidt: Das ist nicht unbedingt eine Voraussetzung. Wir kucken uns Monde auch schon an, wenn wir noch gar keinen Planeten in der Region haben. Immerhin sind aktuell in dem Bereich auch sehr viele auf dem Markt. Insofern wäre es grundsätzlich auch denkbar, mit unserer starken zentralen Struktur zuerst einen Mond einzufangen und später erst den Planeten dazu.

CRN: Was unterscheidet euch von anderen Gruppen und Kooperationen?

Schmidt: Im Unterschied zu vielen anderen Gruppen, die sich häufig allein auf Wachstum durch M&A konzentrieren, verfolgen wir einen deutlich umfassenderen Ansatz. Unsere Buy-and-Build-Strategie besteht nicht bloß darin, Unternehmen zu akquirieren und rasch zu vergrößern. Vielmehr investieren wir bereits im Vorfeld viel Energie, um wirklich passende Kandidaten auszuwählen und sie dann gezielt und mit Blick auf nachhaltigen Erfolg in unsere Gruppe zu integrieren. Unser Ziel ist es, langfristige und echte Werte zu schaffen, statt kurzfristige Synergien auszuschöpfen.

Was uns besonders auszeichnet, ist unser tiefes Verständnis für das Systemhausgeschäft – wir kommen selbst aus diesem Bereich und wissen daher genau, worauf es ankommt. Statt die regionalen Häuser ihrer Identität zu berauben, fördern wir bewusst ihre Eigenständigkeit vor Ort. Sie bleiben unter ihrem eigenen Namen und stärken mit unserer Unterstützung ihre lokale Präsenz und individuelle Stärken. So verbinden wir die Vorteile einer starken, übergeordneten Gruppe mit den gewachsenen Werten und der Regionalität der einzelnen Häuser. Das schafft nachhaltige Strukturen und einen echten Mehrwert für alle Beteiligten – ein Ansatz, der uns klar von anderen Kooperationen und Gruppen abhebt.

CRN-Newsletter beziehen und Archiv nutzen - kostenlos: Jetzt bei der CRN Community anmelden