Beim Sortieren meines Archivs stieß ich dieser Tage auf eine CRN-Ausgabe vom April 2015 und erinnerte mich wieder an das Gespräch mit Matthias Bodry. Linux sei das erste echte Kulturgut dieser Welt, sagte er damals im Manager-Porträt, "weil Moslems, Juden, Schwarz oder Weiß weltweit an einem einzigen Projekt zusammenarbeiten, ohne dass ihnen jemand hereinredet". Bodry war kein Philosoph, sondern bodenständiger, durchaus sehr eigenwilliger Unternehmer vom Bodensee, ein Linux-Anhänger durch und durch.
Der technologische Fortschritt, gerade an KI zu sehen, ist rasant. Der Glaube daran, dass er die Welt besser, die Menschen gar friedlicher machen könnte, hat 2023 indes stark gelitten. Krisenmodus ist das Wort des Jahres. Was bleibt ist, wieder einmal, die Hoffnung nicht zu verlieren und den Optimismus gegen eine gewaltige und gewalttätige Welle des Negativen zu setzen. "Spätestens seit den Lehren von Thomas Hobbes gehen wir davon aus, dass homo homini lupus est und dass dieser raffgierige und zerstörungswütige Wolf im Menschenpelz kontrollfreie Räume dazu nutzt, um den Krieg aller gegen alle vom Zaun zu brechen."
Dieser Satz steht in einem Artikel der ZEIT Online von 2006. Es geht darin um Open Source und die Idee der weltumspannenden Gemeinschaftsarbeit, erdacht von Pionieren, die mit frei zugänglicher Software Großes vorhaben: "Sie wollen die Welt retten". Indem die Zusammenarbeit mit anderen die zeitliche und intellektuelle Begrenztheit des Einzelnen überwindet, eine Kultur des Sharing über partikulares Gewinnstreben gestellt wird, entsteht Fortschritt für die Menschheit. Technologie als völkerverbindende, versöhnende Gemeinschaftsarbeit: Diesen kühnen Traum hatte auch Matthias Bodry.
Technologie, die Erlösungslehre des 21. Jahrhunderts. "Es werde Linux", überschreibt die Schriftstellerin und Heinrich-Böll-Preisträgerin Juli Zeh ihren vorzüglichen Artikel in ZEIT online - isst ihre letzte Chipstüte leer und überlässt es dem Leser, wie er es mit gesellschaftlichen Visionen und Menschenbildern halten möge.
CRN wünscht Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, frohe und friedliche Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr. Wir sind wieder ab dem 2. Januar 2024 für Sie da.
Ihre CRN-Redaktion