TD Synnex und KI: Neuerfindung des IT-Handels seit 50 Jahren

KI ist die nächste Technologiewelle, auf die sich TD Synnex einstellt. Aber auch die Umbrüche bei Security und Netzwerk, bei Virtualisierung von VMware fordern den Distributor. Das DACH-Management spricht über aktuelle Herausforderungen und wie ein VAD sich für die Zukunft wappnet.

CRN traf das DACH-Management von TD Synnex im bayerischen Beuerberg.

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CRN traf das DACH-Management von TD Synnex im bayerischen Beuerberg.

Fast das komplette 14-köpfige DACH-Management von TD Synnex hat Chefin Barbara Koch zum Austausch mit der Channel-Presse mitgebracht. Das erste Mal seit der Corona-Pandemie traf man sich wieder persönlich, und das erste Mal überhaupt in so großer Runde mit den Führungskräften des Broadliners. Darf man den Begriff "Broadliner" in einer sich rasant veränderten Distributionsbranche überhaupt noch nennen? Was spuckt denn ChatGPT aus? "Ein Broadliner ist ein Unternehmen, dass ein breites Sortiment an Produkten und Dienstleistungen anbietet". So weit so richtig. Dass die Kunden der "Großhändler" oft "Wiederverkäufer oder Einzelhändler" seien, beschreibt den IT-Channel vor zehn oder 15 Jahren. Ingram Micro, Also und Tech Data werden als Beispiele für einen Broadliner genannt. Auf der Höhe der Zeit ist die öffentliche Version von ChatGPT mit seinem wenig differenzierten Lexikoneintrag nicht. Tech Data heißt seit rund zwei Jahren TD Synnex. Und der fusionierte Distributor - Tech Data und Synnex - feiert im Oktober 50-jähriges Firmenjubiläum.

Ein Grund mehr, sich der Channel-Presse im Golfclub Beuerberg zu präsentierten, wo die 17. Auflage des traditionellen Turniers mit vielen Kunden – Systemhäusern und Herstellerpartner – stattfand. Damals von VAD Avnet ins Leben gerufen, dessen Solutions-Sparte Tech Data 2016 für 2,6 Mrd. US-Dollar gekauft hatte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt, wäre die Bezeichnung "Broadliner" noch unschärfer gewählt. "Wir stehen für Value, Spezialisierung, Innovationen und neue Themen. Als Lösungsanbieter wollen wir vorne mit dabei sein", sagt Barbara Koch. "Ein Box-Mover sind wir schon lange nicht mehr".

Auch das "Kistenschieben" hat sich sehr verändert. Die "Kisten" müssen heute hochgesichert auf die Reise gehen, wenn sie Nvidias KI-GPUs für 30.000 oder über 40.000 US-Dollar das Stück enthalten. Der LKW mit Begleitschutz ist zum rollenden Fort Knox geworden. Eine neue Erfahrung für Julia Mitterdorfer, die als Direktorin Global Computing Components vor einem Jahr von Thomas Krenn zu TD Synnex wechselte.

Awareness für KI im Channel schaffen – Hilfe bei Beratung und Umsetzung

Für was steht TD Synnex heute? Und vor allem: wie sieht man sich in der Zukunft, die wohl noch mehr nach dem Takt der KI-Innovationen schlagen wird. Das Management traf sich kürzlich zum Workshop, um diesen Claim herauszuarbeiten: "Destination AI – Bringing Power to the edge". Klingt nach Marketing und ist es auch. Die kaum fassbare Dynamik, mit der vor allem Nvidia seine KI-GPUs und Software-Plattformen innoviert, ist aktuell eine Reise, bei der das Ziel noch überhaupt nicht feststehen kann. Mit "Destination" kann man daher nur den Weg meinen, den TD Synnex zu neuen Lösungen und neuen Märkten beschreitet. Und das nicht nur, aber vor allem bei KI.

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"Awareness für KI im Channel aufbauen, gleiches für Datenschutz und Compliance", sagt Koch. Das erfordert sehr viel Schulungsbedarf, Trainings, Demos, Beratung und Zertifizierungen. TD Synnex hat dafür zahlreiche Formate entwickelt, eigene oder zusammen mit Herstellern. Alle zwei Wochen nehmen 30 bis 40 Partner an speziellen KI-Kursen teil, die allesamt ausgebucht seien. Bewährt habe sich "Practise Builder", ein Workshop, bei dem Partner KI-Projekte mit oder ohne Anwenderkunden identifizieren und schließlich realisieren können.

In 90 Tagen "betreute Entwicklung" kann am Ende eine KI-Lösung steht, die einen konkreten Nutzen für ein Anwendungsunternehmen schafft. Die Kosten im niedrigen fünfstelligen Bereich können teils von Herstellern finanziert werden. "Wir haben Techniker und Consultans, die unsere Partner herstellerübergreifend beraten können, sagt Barbara Koch. "Das unterscheidet uns von den Mitbewerbern im Markt".

Der Druck, sich mit KI zu beschäftigen, komme "von allen Seiten", so Koch. Das gilt für TD Synnex nicht nur bei der Vermarktung ihrer Hersteller. Auch intern gilt es auszuloten, wie man mit KI-basierter Automatisierung Kosten senken könne. Täglich erreichen TD Synnex jede Menge E-Mail-Anfragen. Sie thematisch zu clustern spart viel Zeit.

VMware-Umbruch – alles halb so wild

Zeit, die man auch für verlorene und wiederaufzurichtende Awareness für andere Hersteller im Channel investieren muss. Virtualisierung mit VMware zum Beispiel, nachdem Käufer Broadcom die Axt am VMware-Channel angelegt hatte. Tenor von Stefan Bichler, der das Portfolio Security sowie Cloud/Software für TD Synnex in Deutschland verantwortet: klar, Partner sprechen mit seinem 15-köpfigen VMware-Team auch über Alternativen, aber die Kosten eines Wechsels seien bei großen Installationen sehr hoch und eine Migration könne sich über Jahre hinziehen. VMware habe sich bei Virtualisierung schließlich aus gutem Grund eine dominante Marktposition erarbeitet.

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Kaum Schwund im VWware-Channel, berichtet Stefan Bichler (li.). Oliver Kaiser, Direktor Marketing und Chief Digital Officer, stellt die Kampagne zu 50 Jahre TD Synnex vor.

Lediglich weniger als 5 Prozent der VMware-Partner bei TD Synnex seien nicht bereit, dem von Broadcom verordneten neuen Kurs zu folgen. Im Umkehrschluss also: die überwältigende Mehrheit bleibt bei der Stange. Und das nicht nur mit zähneknirschend, sondern sie begrüßt explizit die von Broadcom-CEO Hock Tan gepriesene Eindampfung des Portfolios auf wenige Kernlösungen, wie Partner CRN berichten.

Viel Dynamik sieht Bichler auch im Security-Bereich. In den beiden "Layer of Business", wie der Manager die Säulen "Protect" und "Detect" nennt, ist TD Synnex breit und gut aufgestellt. Die dritte Lösungskategorie "React", Incidence Respond, um im Fachchinesisch zu bleiben, würde verstärkt. SOC-as-a-Service im 24x7 Betrieb beispielsweise. Partner sollen diesen Dienst beziehen und können ihn unter ihrem Namen anbieten.

Wie sehr die Märkte konvergieren, betrieben durch Fusionen von Security-Anbietern und Infrastruktur-Herstellern mit Security-Vendoren, zeigt die Mega-Übernahmen von Splunk durch Cisco. Jörg Richter, Direktor Networking in DACH bei TD Synnex, wird sich enger mit Bichler austauschen, wenn die Channels von Cisco und Splunk zusammenwachsen und SIEM nun auch Cisco-Partner vertreiben sollen, und umgekehrt: Splunk-Partner auch Netzwerktechnologien vom Weltmarktführer ins Portfolio aufnehmen sollen. TD Synnex muss künftig noch mehr herstellerübergreifende Lösungen bündeln, die es heute schon gibt und die morgen noch wichtiger werden.

Genau diese Stärke erwartet man von einem VAD: Was kommt in zehn, 15 Jahren? Noch mehr KI, das steht fest. Und womöglich doch ein Metaverse? Andreas Roth ist davon überzeugt. Der Direktor Mobile Germany & Consumer Electronics bei TD Synnex will mit Herstellern wie Apple, Google, Meta, Amazon oder Microsoft alle Chancen nutzen, wenn immersive Hardware wie Datenbrillen im B2B-Einsatz den Durchbruch schaffen. Oder das Thema Robotics womöglich für TD Synnex interessant werden könnte, wie Barbara Koch es für die Zukunft nicht ausschließen will.

Umsatzrückgang: 3 Prozent in Europa

Koch würde sich auf viel sicheres Terrain begeben, würde sie der Presse einen Rückblick auf 2023 geben und - viel interessanter freilich: einen Ausblich auf das laufende Geschäftsjahr werfen. Doch Zahlen zum DACH-Markt behält sie für sich. ChatGPT weiß auch nicht mehr, nur so viel, was der US-Konzern in seiner Bilanz 2023 für Europa ausweist: 5,2 Mrd. Dollar, ein Minus von 3 Prozent. Nicht schlecht im Vergleich zu Also beispielsweise.

"Wir haben ein breites Portfolio. Läuft mal der PC-Bereich schleppend, ziehen dafür andere Segmente an und das hilft uns". Mehr lässt sich von Koch nicht erfahren. Zu einer Prognose für 2024 darf sich die DACH-Chefin des weltweit größten börsennotierten Distributors nicht hinreißen lassen. Diese wäre wohl auch mit großen Unsicherheiten behaftet sein. "Ist 2024 extrem schwer", sagt die Managerin über ein Jahr des KI-Aufbruchs und der Kontinuität eines 50-jährigen Distributors, für den nur eines gewiss ist: Die Produktwelten mögen neu und bisweilen von neuen Herstellern erfunden werden, der Handel aber wird immer eine Zukunft haben.