Creditreform: "Multiple Krisen schlagen auf Unternehmen durch"
Mit einem Plus von fast einem Viertel auf 18.000 Firmeninsolvenzen registriert Creditreform 2023 wieder einen deutlichen Anstieg der Pleiten. Ursachen: Hohe Energiepreise und Zinsen. Betroffen sind vor allem mittlere und große Unternehmen.
Creditreform meldet einen historischen Anstieg der Firmenpleiten in diesem Jahr. 18.100 Firmen haben bislang Insolvenz angemeldet, 23,5 Prozent mehr als im Vorjahr. "Immer mehr Firmen brechen unter den Dauerbelastungen der hohen Energiepreise und der Zinswende zusammen", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Bereits im Vorjahr habe der Insolvenztrend nach elf Jahren rückläufiger Zahlen gedreht.
Damit sei das paradoxe Insolvenzgeschehens der Corona-Jahre endgültig vorbei, so Hantzsch. Während der Pandemie wurde die Pflicht zur Insolvenzmeldung bei Überschuldung ausgesetzt, mit der Folge, dass eigentlich nicht überlebensfähige Firmen am Leben erhalten wurden. Finanzexperten sprachen von sogenannten Zombieunternehmen und warnten, dass diese spätestens nach der Pandemie Insolvenz anmelden müssten. Das ist nun eingetroffen, wie an den Zahlen von Creditreform deutlich wird.
"Die Fallzahlen sind damit fast normalisiert und die Sondereffekte aus der Corona-Zeit weitgehend verpufft", so Hantzsch. Er rechnet damit, dass in den kommenden Monaten die Zahl der Firmeninsolvenzen weiter steigen wird.
GmbH-Pleiten
Das Insolvenzgeschehen werde aktuell von der Rechtsform GmbH getrieben. Der Anteil der GmbH am gesamten Insolvenzgeschehen sei gegenüber dem Vorjahr von 39 auf 42,4 Prozent gestiegen. Dieser Trend passte laut Creditreform zum deutlichen Anstieg der Insolvenzen im mittleren Größensegment. Etwas niedriger als im Vorjahr: Der Anteil der UG (haftungsbeschränkt). 10,7 Prozent aller Insolvenzfälle firmierten als Unternehmergesellschaft (Vorjahr: 11,3 Prozent).
Nach Segmenten betrachtet, schlitterten vor allem Firmen im verarbeitenden Gewerbe mit einem Plus von 30 Prozent in die Pleite, danach folgten Handel mit plus 26 Prozent, Dienstleistungsgewerbe mit plus 22,3 Prozent sowie Baugewerbe plus 20,8 Prozent.
Bauwirtschaft in der Krise
Durch hohe Zinsen, steigende Baukosten und dem Einbruch der Nachfrage stehe die Bauwirtschaft in Deutschland vor schwierigen Zeiten. Der Insolvenzantrag der Signa Real Estate Germany und schließlich der gesamten Signa Holding von Haupteigner René Benko in Wien zeige, wie schwierig die Lage für Projektentwickler und Bauträger geworden ist, so Creditreform. Das Scheitern der Milliardenobjekte in renommierten Lagen würde laut der Auskunftei "gewaltige Folgen für Mitarbeiter, Auftragnehmer und Gläubiger sorgen." Noch sei nicht abzusehen, welche Investoren aktiv werden könnten.
Die Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung belege eine massiv gestiegene Zahl an Insolvenzen von mittleren und großen Unternehmen. Bei Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern lagen die Fallzahlen laut Creditreform um 50 Prozent über dem Vorjahreswert. Vergangene Woche berichtete bereits der Kreditversicherer Allianz von der Rückkehr von Großinsolvenzen.
Zahlreiche prominente Insolvenzen gab es 2023 im Handel (u. a. Peek & Cloppenburg, Real GmbH, Sportscheck). Bei Unternehmen mittlerer Größe mit 51 bis 250 Beschäftigten stiegen die Insolvenzen Creditreform zufolge sogar um rund 76 Prozent, bei kleinen Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten um knapp 19 Prozent. 2023 waren zudem mehr Arbeitnehmer von der Insolvenz betroffen. Creditreform schätzt, dass 205.000 Arbeitsplätze bedroht sind bzw. weggefallen - nach 175.000 im Vorjahr.
"Auch wenn es 2023 zahlreiche Großinsolvenzen im Handel, im Bau und im Gesundheitssektor gab, hat sich das Insolvenzgeschehen doch auf breiter Front insgesamt beschleunigt", so Insolvenzexperte Hantzsch. Ein Grund für das Anspringen der Insolvenzspirale dürften Nachholeffekte sein. Viele nun insolvente Unternehmen hätten jahrelang gegen multiple Krisen wie Corona, Inflation und Fachkräftemangel angekämpft.
Verbraucherinsolvenzen stabil
Einen kleinen Lichtblick gibt es aktuell bei den Privatinsolvenzen. Zwar habe sich der rückläufige Trend im Vorjahr (minus 16,5 Prozent) nicht fortgesetzt. Aber immerhin bewege sich die Zahl privater Insolvenzen 2023 mit 66.200 Fällen auf dem Niveau von 2022.
"Am Arbeitsmarkt herrschte in den vergangenen Monaten weitgehend Stabilität. Die Insolvenzzahlen bei den privaten Verbrauchern haben deshalb bislang kaum auf die Krise reagiert", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch. Das werde aber so nicht bleiben: Angesichts der schwachen Konjunkturaussichten und weltweiter Risiken erwartet Creditreform auch hier steigende Zahlen - zumal sich die Überschuldungssituation vieler Bürger deutlich verschlechtert habe.