Rückkehr der Großinsolvenzen in Deutschland

Baugewerbe, Einzelhandel, Krankenhäuser, Maschinenbau: Kreditversicherer Allianz Trade registriert wieder deutlich mehr Pleiten großer Unternehmen hierzulande. Gefährdet von Pleiten ihrer Kunden im Ausland ist auch die Exportwirtschaft.

Milo Bongarts, Allianz Trade: "Wenn Wackelkandidaten dann beispielsweise noch Kredite zurückzahlen oder refinanzieren müssen, beispielsweise aus der Corona-Zeit, kann es schnell kippen".

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Milo Bongarts, Allianz Trade: "Wenn Wackelkandidaten dann beispielsweise noch Kredite zurückzahlen oder refinanzieren müssen, beispielsweise aus der Corona-Zeit, kann es schnell kippen".

Trauriger Höhepunkt eines ohnehin schwachen 2023 für die deutsche Wirtschaft meldet die Allianz Trade. Der Kreditversicherer hat in den ersten neun Monaten 45 Fälle großer Unternehmenspleiten gezählt. Deutlich mehr als die 26 großen Insolvenzen im gleichen Zeitraum des Vorjahres sowie 17 Fälle in 2021 - wobei die Statistik für 2021 die Corona-bedingte Aussetzung der Insolvenzmeldepflicht die Zahlen verzerrt. 2020 markierte bislang mit 58 Großinsolvenzen in Deutschland seit 2016 den Höchststand.

"Die großen Insolvenzen sind in diesem Jahr zurückgekehrt und nehmen Kurs auf den Höchststand aus 2020", sagt Maxime Lemerle, Leiter Insolvenzforschung bei Allianz Trade. Besonders unter Druck geraten sei der Modeeinzelhandel, Krankenhäuser und der Maschinenbau.

Am seidenen Faden: Modeunternehmen und Kliniken

Insgesamt zwölf große Textilunternehmen und Modeeinzelhändler schlitterten bis September 2023 in die Insolvenz sowie acht Dienstleistungsunternehmen, darunter sechs Kliniken. Das passe zu dem Lagebild des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), so Allianz. Zwei Drittel der deutschen Kliniken würden laut DKI ihre finanzielle Lage aktuell als schlecht oder sehr schlecht bezeichnen, bei den mittelgroßen Kliniken sind dies sogar noch mehr. Im Maschinenbau (5 Fälle) sowie in der Metall- (4) und der Baubranche (3) habe es ebenfalls einige große Pleiten gegeben.

Stärkste Zunahme der Pleiten im Handel, Gastgewerbe und Baubranche

Bei den bundesweiten Insolvenzen über aller Unternehmensgrößen hinweg sei der Trend innerhalb der Branchen sehr heterogen. Im bisherigen Jahresverlauf bis inklusive August 2023 habe die Baubranche die meisten Insolvenzfälle verzeichnet, gefolgt vom Handel und Unternehmen im Dienstleistungssektor.

Den stärksten Zuwachs an Insolvenzen registrierte Allianz Trade im Handel, aber auch das Gastgewerbe habe schon vor der aktuell in der Diskussion stehenden Mehrwertsteuererhöhung Schwäche gezeigt. In der Baubranche habe es im bisherigen Jahresverlauf 2023 ebenfalls deutlich mehr Fälle als noch im Vorjahreszeitraum gegeben.

"Oh, du traurige Weihnachtszeit"

Auch wenn die Inflationsrate nicht mehr so stark steigt, haben Verbraucher wegen hoher Lebensmittelpreise weniger Geld für Konsumausgaben zur Verfügung. "In diesem Jahr dürften deutlich weniger Geschenke unter dem Weihnachtsbaum landen", sagt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Das wird Mode- und Elektronik-Einzelhändlern, Spielwarenherstellern und -händlern sowie auch teilweise Gastronomen das Jahresendgeschäft verhageln, meint Bogaerts.

In der Gastronomie sind mit der geplanten Erhöhung der bisher reduzierten Mehrwertsteuer "weitere dunkle Wolken am Horizont zu sehen", die die Branche vor weitere Herausforderungen stellt. "Viele deutsche Unternehmen sind auch in diesen schwierigen Zeiten gut aufgestellt und haben die notwendigen Puffer - aber eben längst nicht alle", sagt der Manager. "Wenn Wackelkandidaten dann beispielsweise noch Kredite zurückzahlen oder refinanzieren müssen, beispielsweise aus der Corona-Zeit, kann es schnell kippen."

Deutlich steigende Insolvenzen in wichtigen deutschen Exportmärkten

Einige Medien sprechen wieder einmal von Deutschland als "kranker Mann in Europa". Allerdings ist die wirtschaftliche Lage auch in vielen anderen Staaten alles andere als rosig. Weltweit würden die Pleiten wieder an Fahrt gewinnen: In Ungarn (plus 149 Prozent), Polen (plus 68 Prozent) sowie in einigen der wichtigsten deutschen Exportmärkte - in den Niederlanden (plus 59 Prozent), den USA (plus 47 Prozent), Frankreich (plus 36 Prozent) - "dürfte es die stärkste Zunahme an Insolvenzen geben", so Kreditversicherers Allianz Trade.

"Das Risiko von Zahlungsausfällen steigt nicht nur in Deutschland, sondern mit den Niederlanden, den USA und Frankreich auch in gleich drei der wichtigsten deutschen Exportmärkte", warnt Allianz Trade-CEO Milo Bogaerts vor einem Schneeballeffekt. Deutsche Unternehmen könnten aufgrund von Zahlungsausfällen insolventer Auslandskunden in die Pleite schlittern.