Dell streicht Vertrieb und Neukundenakquise zusammen

Mehrere Quellen berichten CRN, dass Dell in den vergangenen Tagen zahlreiche Vertriebsmitarbeiter in den USA entlassen und in diesem Zuge das "New Logo" genannte Team zur Neukundenakquise faktisch aufgelöst hat. Viele Partner könnten dadurch gutes Personal gewinnen und auf mehr eigenes Geschäft hoffen.

Berichten von Insidern zufolge löst Dell sein Team zur Neukundenakquise komplett auf und entlässt auch im normalen Vertrieb zahlreiche Mitarbeiter (Foto: Dell)

Mehrere Quellen haben CRN übereinstimmend und unabhängig voneinander berichtet, dass Dell Technologies in jüngster Zeit eine Reihe von Stellenstreichungen vorgenommen hat, die insbesondere das Team für die Neukundengewinnung sowie eine Reihe anderer Vertriebspositionen betreffen. Das Unternehmen antwortete auf entsprechende Nachfragen mit einer Erklärung, die auch CRN am Dienstag erhalten hat: "Auch wenn wir uns nicht zu Details äußern, werden Sie sicher verstehen, dass wir unser Geschäft ständig überprüfen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und sicherzustellen, dass wir unseren Kunden und Partnern die besten Innovationen, Vorteile und Dienstleistungen bieten können."

Dell streicht das Neukunden-Team

Einer der betroffenen Dell-Mitarbeiter, die mit CRN sprachen, berichtete, dass die Kürzungen besonders das so genannte "New Logo" Akquisitionsteam von Dell hart treffen. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von rund 150 Vertriebsprofis plus eine Reihe von Support-Kräften, deren Hauptaufgabe es ist, sogenannte „New Logo“-Geschäfte mit Handels- und Unternehmensunternehmen abzuschließen, die in den letzten drei Jahren keine Geschäfte mit Dell gemacht haben. "Das New-Logo-Akquisitionsteam bei Dell existiert so gut wie nicht mehr. Ein kleiner Prozentsatz der Mitarbeiter wurde an andere Stellen innerhalb des Unternehmens versetzt. Und der Rest wurde entlassen. Das betraf das ganze Land. Vom Nordost-Team bis hin zu Kalifornien, der Zentrale und allen dazwischen", so der ehemalige Dell-Mitarbeiter.

Ferner erklärte er gegenüber CRN, dass er glaube, dass Dells unerbittlicher KI-Vorstoß das Unternehmen dazu veranlasst habe, das Team für die Akquisition von Unternehmenskunden als Zielscheibe ins Visier zu nehmen. Im ersten Quartal, über das Dell am 29. Mai berichtete, nahm das Unternehmen Bestellungen für KI-Server im Wert von 12,1 Milliarden Dollar entgegen und lieferte KI-Server im Wert von 1,8 Milliarden Dollar aus. Bei den traditionellen Servern verzeichnete das Unternehmen hingegen eine deutlich schwächere Entwicklung.
"Ich denke, um diese KI-Chance zu ergreifen, braucht es weniger, aber spezialisiertere Ressourcen, als das im bisherigen Geschäft mit PCs, traditionellen Speichersystemen und Servern der Fall war", führt der entlassene Mitarbeiter aus. "Ich denke, sie benötigen künftig nur wenige spezialisierte Verkäufer, anstatt wie bisher eine große Anzahl von Generalisten."

Neue Planung des Vertriebs über den Haufen geworfen

Der ehemalige Mitarbeiter sagte auch, ihm sei berichtet worden, dass der Beschluss das Akquisitionsteam zu eliminieren erst innerhalb des letzten Monats gefällt wurde. "Ich fühlte mich eigentlich halbwegs sicher. Mir wurde dann von meiner Führungskraft gesagt, dass wir bis vor einem Monat tatsächlich in Sicherheit waren, es dann aber kurzfristig noch eine Änderung der Pläne gab. Mein Vorgesetzter hatte schon das Organigramm vorliegen, bevor es dann innerhalb eines Monats komplett gekippt wurde. Wir wussten, dass etwas passieren würde, weil Bain & Company an der Reorganisation und Umstrukturierung beteiligt war. Wir wussten, dass eine Menge der Positionen im mittleren Management wegfallen würden. Uns war aber nicht klar, dass dies auch Auswirkungen auf die Mitarbeiter an vorderster Front haben würde. Das kam sehr überraschend."

CRN hat sich an Bain & Company gewandt und um eine Stellungnahme zu diesen Informationen gebeten. Im weiteren Verlauf erklärte der betroffene Mitarbeiter CRN auch, dass er sich angesichts der schieren Menge und hohen Qualität des entlassenen Personals nicht wundern würde, wenn Dell demnächst versuchen würde, einige von ihnen wieder zurückzuholen. "Es wurde eine ganze Menge guter Leute entlassen."

Großes Interesse an den entlassenen Vertriebsprofis

Dabei könnten Dell jedoch andere zuvorkommen. So wie der CEO eines SP-500-Lösungsanbieters, der uns unter Zusicherung seiner Anonymität verriet, dass er bereits unter Hochdruck daran arbeite, die entlassenen Spitzenkräfte aus dem New Logo-Team für sein Unternehmen einzustellen. "Es ist ein großartiges Team mit einigen wirklich guten Leuten", schwärmt der CEO. "Wir haben durch die Zusammenarbeit mit ihnen eine Menge Aufträge gewonnen. Mein Ziel ist es, einige dieser Leute einzustellen, um Neugeschäft zu erschließen. Sie wissen, wie man auf diese Jagd geht und wie man neue Kunden gewinnt. Ich sehe es als eine große Chance für unseren Vertrieb, einige dieser Leute einzustellen. Unter ihnen sind einige äußerst talentierte Verkäufer."

Weiter zeigt sich der CEO überzeugt, dass Dells Fähigkeit zur Gewinnung von Neugeschäft deutlich unter der Abschaffung des Akquisitionsteams leiden werde. "Wir haben viele Jahre lang erfolgreich mit dem Akquisitionsteam von Dell zusammengearbeitet", sagte er. "In Zeiten wie diesen überrascht mich nicht viel, aber dieser Schritt ist enttäuschend."

Auf Linkedin schrieben einige der entlassenen Mitarbeiter, dass sie Teil eines allgemeinen und umfangreichen Stellenabbaus waren, der den gesamten Vertriebsbereich betrifft. Eine Überprüfung der öffentlich geposteten Stellenstreichungen durch CRN ergab, dass mehrere Account Executives, Sicherheitsarchitekten, Managed Security Services, Inside Partner Account Manager, Channel Account Manager und District Sales Manager ihre Stelle verloren haben, die an Standorten in Round Rock, Michigan, Illinois, Tennessee und Massachusetts beschäftigt waren.

Verlagerung von Vertriebsaufgaben zu den Partnern

Der CEO eines langjährigen Dell-Partners, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden wollte, sagte, er habe bereits einen Lebenslauf von einem Dell-Veteranen erhalten, der mehr als 20 Jahren bei Dell arbeitete und nun von der Entlassung betroffen ist. "Ich habe hier den Lebenslauf von jemandem, der erst heute Morgen entlassen wurde, auf meinem Schreibtisch", sagte er.
Weiter führte der CEO aus, dass solche besser bezahlten Dell-Mitarbeiter, die seit vielen Jahren im Unternehmen sind, im Falle von Kürzungen eine "größere Zielscheibe auf ihrem Rücken" haben. Auch seiner Ansicht nach sind die Entlassungen vor allem auf eine sich schnell verändernde Technologielandschaft zurückzuführen.

"Wenn sich das Geschäft nicht entsprechend den Entwicklungen in der Branche und auf dem Markt entwickelt, müssen Änderungen vorgenommen werden", sagte er. Er erwarte deshalb, die Entlassungen bei Dell würden letztlich dazu führen, dass sich das Unternehmen noch stärker auf Partner stützen werde: "Je mehr Leute die OEMs entlassen, desto mehr müssen sich die Kunden auf die Partner verlassen."

Turbulente Zeiten in der IT-Branche

Im Februar hatte das in Round Rock, Texas, ansässige Unternehmen mitgeteilt, dass es 108.000 Mitarbeiter beschäftigt. Das waren bereits rund 24.000 weniger als noch zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2020, was einem Personalabbau von 19,4 Prozent in einem Zeitraum von fünf Jahren entspricht.

Auch andere große Technologieanbieter haben in diesem Jahr bereits kräftig Stellen abgebaut: Sowohl Intel als auch Microsoft kündigten umfangreiche Kürzungen ihrer Belegschaft an. Im Juli strich Microsoft 4 Prozent seiner Belegschaft, das sind etwa 9.000 Arbeitsplätze. Intel plant für dieses Jahr einen massiven Stellenabbau von 25 Prozent. Dells Konkurrent im PC- und Infrastrukturbereich, Lenovo, kündigte letzten Monat einen Personalabbau von 3 Prozent an.

Während die Server- und Speicherumsätze von Dell aufgrund der Bereitstellung der für die Entwicklung von KI-Fähigkeiten in Unternehmen erforderlichen massiven Rechenleistung gestiegen sind, waren die PC-Verkäufe des Unternehmens schwächer als erhofft, mit einem 19-prozentigen Rückgang im letzten Quartal im Consumer-PC-Geschäft von Dell.

Dell sortiert sich

Das Unternehmen hat vor kurzem die Führungsriege umgeschichtet und den ehemaligen Präsidenten der Client Solutions Group, Sam Burd, aus dem Tagesgeschäft des PC-Geschäfts in die Rolle des Chief Strategy Officer versetzt. In der Zwischenzeit wird Jeff Clarke, der stellvertretende Vorsitzende und COO von Dell, das Kommando über das PC-Geschäft übernehmen.
In seinem ersten Geschäftsquartal, das am 2. Mai endete, meldete Dell einen Nettogewinn von 965 Millionen Dollar, ein Rückgang um drei Prozent, bei einem Umsatzanstieg um fünf Prozent auf 23,37 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Im Vorjahresquartal hatte das Unternehmen bei einem Umsatz von 22,24 Milliarden Dollar einen Nettogewinn von 992 Millionen Dollar erzielt.

Auf der Telefonkonferenz am 29. Mai gab Dell außerdem bekannt, dass es im ersten Quartal Aktien im Wert von 2,4 Milliarden Dollar zurückgekauft hat - 22,1 Millionen Aktien zu einem durchschnittlichen Kaufpreis von 90 Dollar pro Aktie - und eine Dividende von 0,53 Dollar pro Aktie an die Aktionäre gezahlt hat.

Die Dell-Aktie schloss Anfang der Woche mit einem Kurs von 130,48, was einem Anstieg von 11,9 Prozent im bisherigen Jahresverlauf entspricht. Seit Mai 2022 hat das Unternehmen nach eigenen Angaben "13,2 Milliarden Dollar durch Aktienrückkäufe und Dividenden an die Aktionäre zurückgegeben." In der gleichen Zeit hat Dell seinen Personalbestand von 133.000 Mitarbeitern im Januar 2022 auf 108.000 zu Beginn dieses Jahres reduziert, die jüngsten Kürzungen noch nicht eingerechnet.

Dieser Artikel erschien zuerst bei unserer Schwesterpublikation crn.com

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