Lars, but not least: Wenn Roboter über die eigenen Ansprüche stolpern
Geht es nach Tesla-Chef Elon Musk, soll der Roboter "Optimus" künftig nicht weniger, als "die Armut beseitigen". Bei einer Vorführung leistete sich der Blechgeselle jedoch einen allzu menschlichen Ausfall, der neben dieser Vision auch wieder einmal die Ehrlichkeit des Unternehmens in Frage stellt.
Wenn Elon Musk ein neues Produkt einer seiner Firmen vorstellt, schickt er es gerne mit größten Superlativen und Versprechungen auf den Weg. Klar, immerhin kommt es doch auch vom allerbesten Hersteller und genialsten Innovator der Welt. Wenn Musk auf offener Bühne impulsiv überdreht wie ein Kleinkind nach einer Tafel Schokolade eine Eisenkugel auf den Cybertruck wirft, um dessen Panzerglas zu bewerben, ist das quasi der Gegenentwurf zu den legendären "One more thing"-Ankündigungen, mit denen Steve Jobs einst am Ende der Apple-Events die perfekt geplante und inszenierte Vorführung oft tatsächlich bahnbrechender Neuerungen und Weiterentwicklungen wie des iPhones einleitete. Dazu gehört auch, dass Musk dabei, wie im Falle des Cybertrucks geschehen, gerne einmal Scherben hinterlässt, weil die Produkte den Versprechungen genauso wenig standhalten, wie die Scheibe der Kugel. (siehe auch: Tesla FSD: Rekordversuch endet im Fiasko)
Eine bessere Welt dank Elon Musk
Jüngstes Beispiel für diese Hybris war die Vorstellung von Teslas humanoidem Roboter, mit dem die Marke künftig nicht mehr nur in Garagen und auf Straßen vertreten sein will, sondern auch in Haushalten, Arbeitsstätten und Fabriken. Nach Musks Vision soll Optimus den Menschen in unzähligen Bereichen von manueller Arbeit befreien, ob nun beim Bügeln oder in der Herstellung, und dabei etwa fünfmal so flott vorankommen. Damit hat er nach Musks Dafürhalten das Potenzial, die Produktivität der Weltwirtschaft um das zehn- bis hundertfache zu steigern und so eine neue Ära des Wohlstands einzuläuten.
Und Musk wäre nicht Musk, könnte er selbst diese gewagte Prognose nicht noch weiter nach oben schrauben. So führte Musk gar an, der Optimus-Roboter sei der einzige Weg, dem alten Menschheitstraum gemäß endlich die "Armut zu beseitigen und allen eine großartige medizinische Versorgung zu ermöglichen". Angesichts solcher Versprechen klingen die angepeilten 20.000 bis 30.000 US-Dollar Kaufpreis pro Einheit fast schon mickrig.
Mehr Schein als Sein
Tatsächlich befindet sich Optimus aber noch in einem recht frühen Entwicklungsstadium. Dementsprechend hat er von seinen behaupteten schier unglaublichen Fähigkeiten bislang nicht viel mehr gezeigt, als etwa werbewirksam Süßigkeiten zu verteilen oder auf Events kurze Showeinlagen zu geben. Und selbst das kann er offenbar nicht immer ohne menschliche Hilfe, wie sich schon beim ersten Auftritt gezeigt hatte, bei dem sich kurz danach herausstellte, dass in Wahrheit nur ein Mensch im Roboterkostüm auf der Bühne gestanden hatte. Im vergangenen Jahr hatten sich dann bei einer Veranstaltung zu Teslas Roboter-Taxis einige vermeintliche Optimus-Gesellen herumgetrieben, die einigen Gästen zu späterer Stunde beim Plaudern ganz offen gestanden, dass sie von einem Menschen gesteuert und gesprochen wurden.
Umso peinlicher müsste für Musk eigentlich sein, dass genau dieser Vorwurf nun auch bei der neusten Generation des Roboters erneut im Raum steht. Um zu demonstrieren, wie sicher Optimus inzwischen auch die als besonders schwierig geltenden Greifbewegungen beherrscht, ließ Tesla ihn kürzlich bei der Kunstmesse "Art Basel Miami Beach", die sich mit mehreren Projekten der Visualisierung einer Zukunft mit autonomen Geräten widmete, als Barkeeper auftreten. Nachdem er dort eine Zeit lang erfolgreich den staunenden Gästen ihr Wasserfläschchen serviert hatte, zeigte er jedoch plötzlich ein ungewöhnliches Verhalten: Unvermittelt nahm der Optimus die Hände zum Kopf, riss dabei einige der Wasserflaschen um und kippte schließlich ohne erkennbare Gegenreaktion nach hinten um. (siehe Video auf der nächsten Seite)
Tesla Optimus: Blech-Pinocchio oder KI-Wunder?
Hatte der Roboter etwa zu tief ins Glas geschaut, handelte es sich dabei um eine kleine technische Panne, oder gibt es eine andere Erklärung für den Vorfall? Beim genaueren Betrachten des Videos liegt der Verdacht nahe, dass Tesla hier wieder einmal geschummelt haben könnte. Denn die Bewegung, die zur Katastrophe führt, sieht ganz danach aus, als wolle sich der Roboter ein VR-Headset vom Kopf nehmen. Zwar wäre das möglicherweise dadurch zu erklären, dass die Roboter viel mit VR-Headsets trainiert werden und sich die Bewegung dabei abgeschaut haben könnten. Allerdings erklärt es weder, warum der Optimus das mitten in der Tätigkeit auf einmal tun sollte, und noch weniger, warum er anschließend wie ein Brett umfällt. Gut möglich also, dass hier tatsächlich die steuernde Verbindung gekappt und der Roboter wurde und der Roboter dadurch im wahrsten Sinne des Wortes abstürzte.
In jedem Fall wirft der Vorfall kein sehr gutes Licht auf Tesla und Musk. Neben dem fragwürdigen Umgang mit der Wahrheit stolpert der Konzern vor allem wieder einmal über die eigenen Versprechen. Das mindert zunehmend auch das Vertrauen der Anleger in selbsterklärten Überflieger. Schon vor dem Vorfall hatte etwa der Investment-Spezialist Morgan Stanley die Bewertung des Unternehmens herabgestuft und trotz des KI-Booms vom Kauf abgeraten: Zu wenig Wachstumspotenzial und dazu das Risiko einer schon jetzt zu hohen Bewertung.
In ähnlicher Weise könnte sich das auch auf die bestehenden und potenziellen Kunden auswirken, zumindest außerhalb der USA ist das Image spätestens seit Musks Kettensägenausflug in die US-Regierung sowieso schon spürbar angeschlagen. Aber das scheint Musk nicht weiter zu beirren – Hauptsache, die Show stimmt.
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