Tesla FSD: Rekordversuch endet im Fiasko

Wieder einmal haben sich einige Tesla-Fans daran versucht, Elon Musks knapp 10 Jahre altes Versprechen einer autonomen Fahrt quer durch die USA in die Realität umzusetzen – und sind dabei krachend am mangelhaften Autopiloten gescheitert, wie die Videoaufnahmen eindrucksvoll zeigen.

Satz mit X: Statt des erhofften Coast-to-Coast-Rekords endete der neuste Versuch wieder einmal mit einem Crash (Foto: Screenshot Bearded Tesla Guy, Youtube)

Als Tesla Anfang 2016 seine "Summon"-Funktion vorstellte, fühlten sich viele davon unmittelbar an die 80-er-Jahre-Fernsehserie Knight Rider erinnert. Ähnlich wie der von David Hasselhoff verkörperte Serienheld Michael Knight sein smartes Wunderauto K.I.T.T., können die Nutzer damit ihren Tesla einfach herbeirufen. In seiner überschwänglich optimistischen Art veranlasste die damit verbundene autonome Fahrleistung, wenn auch offiziell vorwiegend für kurze Wege in Einfahrten und beim Ausparken gedacht, Elon Musk zu einer wagemutigen Prophezeiung: "Ich denke, innerhalb der nächsten zwei Jahre wird es möglich sein, ihr Auto quer durch das ganze Land herbeizurufen." Als Beispiel nannte er eine autonome Fahrt von New York nach Los Angeles.

Auch wenn – oder vielleicht gerade weil – Tesla selbst einen entsprechenden Beweis bisher aus gutem Grund schuldig blieb, haben sich in den letzten knapp 10 Jahren immer wieder Tesla-Fans daran versucht, solch eine autonome Rekordfahrt von Küste zu Küste in die Realität umzusetzen. Aus Sicherheitsgründen nutzten sie dafür nicht die Summon-Funktion, sondern den vermeintlichen Autopiloten Full Self Driving mit menschlichem Notfall-Backup am Steuer. Und das ist auch gut so. Denn angekommen ist bislang keiner der experimentierfreudigen wie erfolglosen Tesla-Besitzer. Und nun sind die Reihen der dabei Gescheiterten um einen weiteren, spektakulären, Eintrag reicher.

Rekordfahrt von Kalifornien nach Florida – oder auch nicht

Fast 10 Jahre nach Musks vollmundigem Versprechen wollte sich nun der als Bearded Tesla Guy bekannte Youtuber, Tesla-Fan und -Aktionär gemeinsam mit einem befreundeten Influencer die Krone für die erste autonome Durchquerung der USA aufsetzen. Vom kalifornischen San Diego am Pazifik sollte es dazu rund 3.763 Kilometer an die Atlantikküste nach Jacksonville in Florida gehen. Trotz aller Skepsis und der offiziellen Einschränkungen des Level-2-Systems, die einen aufmerksamen Fahrer erfordern, hoffte er darauf, dass die Soft- und Hardware nun endlich reif genug für den Trip seien. Diesen Optimismus begründete er unter anderem mit dem seit dem Sommer laufenden Testbetrieb autonomer Robo-Taxis in Texas.

Doch diese Zuversicht hielt nicht allzu lange. Schon weniger als 100 Kilometer nach dem Start in San Diego war die Fahrt wieder zu Ende und das Projekt im wahrsten Sinne des Wortes krachend gescheitert. Das Testfahrzeug, ein Model Y mit aktuellem FSD, und die zwei Insassen knallten auf dem Highway geradewegs in ein großes auf der Fahrbahn liegendes Metallteil. Im Video ist zu erkennen, dass das Fahrzeug trotz des gut sichtbaren und massiven Hindernisses keinerlei Reaktion zeigt und weder bremst noch ausweicht. Erst nach dem Einschlag, der das Fahrzeug trotz seines Gewichts deutlich in die Höhe reißt, reagieren die Notfallsysteme und registrieren den erfolgten Unfall, bei dem das Fahrwerk so stark beschädigt wurde, dass eine Weiterfahrt nicht mehr möglich war. Ein Fehler, der dem Vorbild wohl nicht passiert wäre. Und falls doch, hätte K.I.T.T. einfach in letzter Sekunde den Turbo Boost gezündet und wäre spektakulär über das Hindernis hinweggesprungen.

Das Hindernis war gut zu erkennen. Dennoch reagierte der Tesla nicht. (Foto: Screenshot Bearded Tesla Guy, Youtube)

Tesla fährt im FSD-Blindflug geradewegs ins Desaster

Statt die stets beschworenen Autopiloten-Fähigkeiten des FSD zu präsentieren, untermauerte der Versuch damit die Stimmen vieler Kritiker aus der Automobil- und Technologiebranche, die FSD und noch mehr die von Tesla genutzte Sensorik als unzureichend betrachten. Übertragen auf den Versuch könnte man in diesem Sinne sagen, Tesla sei vom autonomen Fahren noch so weit entfernt wie die Testfahrer von Jacksonville, die weniger als 3 Prozent des Weges geschafft und als Dank für ihr wagemutiges Vertrauen in Tesla nun eine saftige Werkstattrechnung haben. Dass die Versicherung hier einspringt, dürfte aufgrund des im Video klar zu erkennenden passiven Verhaltens nach dem Erkennen des Objekts ausgeschlossen sein.

Unter dem Video finden sich neben den zu erwartenden Spöttern auch zahlreiche Tesla-Besitzer, die von ähnlichen Fällen berichten und dem FSD eine grundlegende Schwäche bei Schlaglöchern und Hindernissen auf der Fahrbahn unterstellen. Und auch bei den Robo-Taxis mindert ein Blick hinter die Kulissen die vom Hersteller Euphorie. Nicht nur sind sie bisher lediglich in speziell ausgesuchten Gebieten unterwegs, auch mit ihrer Autonomie ist es nicht allzu weit her. Ganz ähnlich wie einst die Stuntmen bei den Dreharbeiten zu Knight Rider K.I.T.T. aus versteckter Position im speziell präparierten Sitz unsichtbar steuerten, sind auch bei den Tesla-Taxis nicht sofort sichtbare Fahrer an Bord, um im Zweifelsfall eingreifen zu können.

Hauptsache, die Show stimmt

Für Musk kommt das peinliche Totalversagen zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Seit er sich eng an US-Präsident Trump geschmiegt und teils sogar äußerst ruhmlos für dessen Regierung gearbeitet hatte, sind das Vertrauen in die Marke Tesla und ihr Börsenwert stark unter Druck geraten. Erst vor wenigen Tagen hatte Musk deshalb versucht, den Kurs mit dem Kauf von Aktien im Wert von fast einer Milliarde US-Dollar zu stabilisieren. Zudem will sich Musk im Herbst von den Aktionären ein neues Vergütungspaket absegnen lassen, das unter anderem einen Bonus von knapp einer Billion Dollar in Anteilsscheinen zusichert, sollte die Bewertung von Tesla in den nächsten zehn Jahren auf mehr als 8,5 Billionen Dollar ansteigen.

Musks Ziel ist es offenbar, sich mit einem Anteil von mehr als 25 Prozent langfristig ein gewichtiges Mitspracherecht im Unternehmen zu sichern. Angesichts der aktuellen Probleme, anhaltenden Schwierigkeiten bei Technologie und Qualität, stark wachsenden Konkurrenten aus China sowie der aktuellen Bewertung von knapp 1,3 Billionen Dollar unterstreicht dieser Plan die ganze Hybris, die den einstigen Visionär heute kennzeichnet. Ganz wie dereinst im Fernsehen bei Knight Rider gilt bei Musk und Tesla offenbar die Devise: Hauptsache, die Show stimmt.

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