Insolvente Siewert & Kau bleibt offline – Sanierungskonzept gescheitert
Shop und Cloud-Marktplatz von Siewert & Kau sind auch heute, am 3. Tag nach der Insolvenzmeldung nicht erreichbar. Herstellerpartner wurden nicht vorab informiert, berichten einige Vendoren CRN. Der Bürgermeister von Bergheim wusste indes Bescheid. Andere Distributoren erhalten viele Anfragen von Systemhäusern, die dringend Ware für ihre Projektgeschäfte brauchen. Update: 12:03 Uhr.
Auch am Mittwoch sind Online-Shop und Cloud-Marktplatz von Siewert & Kau nicht erreichbar, das Handelsgeschäft ruht offenbar. Die Vorstände haben bislang kein Statement zur Insolvenz am Montag dieser Woche veröffentlicht. Offenbar haben sie auch ihre Lieferanten nicht vorab über den Gang zum Amtsgericht Köln informiert, zumindest nicht alle. CRN hat einige Hersteller von Siewert & Kau kontaktiert, manche wollten sich nicht zur Insolvenz äußern.
Ein Softwarelieferant wurde von einem Partner auf die Insolvenz aufmerksam gemacht, sagte der Geschäftsführer auf Anfrage von CRN. Er könne indes nicht ausschließen, dass ein Schreiben oder eine E-Mail von Siewert & Kau in seinem Hause eingetroffen ist. Ein anderer Hersteller erklärte CRN, von der Insolvenz aus der Presse erfahren zu haben. Siewert & Kau habe ihn von der Insolvenz vorab nicht informiert. Ein anderer Lieferant sagte zu CRN, er sei am frühen Morgen des 1. Mai. von einem Geschäftsführer von Siewert & Kau angerufen worden. Er habe ihm die bevorstehende Insolvenz angekündigt.
Bescheid wusste auch der Bürgermeister von Bergheim, dem Sitz von Siewert & Kau. Er wurde ebenfalls am Feiertag von einem Geschäftsführer über die bevorstehende Insolvenzanmeldung informiert, sagte er gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger. Man habe über die Gründe "nicht in aller Ausführlichkeit gesprochen". Am Freitag soll ein Treffen stattfinden, "dann erfahre ich mehr über die Gründe, die ich im Moment nur am Rande kenne", zitiert die Zeitung Bürgermeister Volker Mießeler.
Ob und wie eine Fortführungslösung gefunden werden kann, ist völlig offen. Gäbe es Optionen, würde die Geschäftsführung zusammen mit der Insolvenzverwaltung wohl auch an die Öffentlichkeit herantreten. Das geschah bislang nicht. Hersteller jedenfalls zeigen sich besorgt, viele haben noch Ware im Lager von Siewert & Kau.
Ein Anbieter von Infrastruktur versucht seit Ende letzter Woche die Belieferung von Partnern, die bei Siewert & Kau bestellt hatten und über den Bestellstatus nicht informiert werden, über andere Distributoren sicherzustellen, wie CRN aus gut informierten Kreisen erfuhr. Der Lieferant habe schon länger kritisch auf die Limits der Warenversicherer für Siewert & Kau geschaut. Ganz so überraschend kommt für diesen Lieferanten die Insolvenz also nicht. Aus gut unterrichteten Kreisen wird berichtet, dass andere Distributoren, die viele Überschneidungen mit Siewert & Kau haben, Anfragen von neuen Partnern bekämen.
Für den Bergheimer Bürgermeister bleibt Siewert & Kau trotz der Insolvenz ein "Vorzeigeunternehmen". Das Unternehmen habe in den letzten Jahren viel in der Region investiert, die Stadt könne zwar nur begrenzt helfen, Mießeler zeigt sich optimistisch, dass es bei der angeschlagenen Siewert & Kau weitergehen kann. Immerhin stehen 400 Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Siewert & Kau unterhält Niederlassungen in Braunschweig, Halle (Saale), Paderborn, Soest. Der Distributor ist auch in Benelux und Spanien aktiv. Insolvenz hat die Gesellschaft Siewert & Kau Computertechnik GmbH angemeldet. Der Umsatz zum Ende Mai 2023 betrug knapp 730 Mio. Euro, der Jahresfehlbetrag hatte bei 0,2 Mio. Euro gelegen. Mit den Banken wurde am 27. März 2024 ein Restrukturierung- und Sanierungskonzept beschlossen.
Mehr Details dazu auf der nächsten Seite ... [Update: Um kurz nach 12 Uhr erreichte CRN eine E-Mail von Siewert & Kau]
Dort heißt es in der Bilanz, die von den drei Gründern sowie dem im März 2024 bestellten CFO Claus Holzleitner am 30. April 2024 unterzeichnet ist: "Auf Grund der anhaltenden negativen Marktentwicklungen und Herausforderungen in der zeitgerechten Vereinbarung bezüglich der laufenden Finanzierung mit den beteiligten Finanzinstituten wurde von der Gesellschafterin HOB Holding GmbH für den Konzern ein Sanierungskonzept gem. IDW S6 / BGH beauftragt, welches die Siewert & Kau Computertechnik GmbH als bedeutsamste Konzerngesellschaft umfasst".
Die Banken hatten einen Finanzierungseitraum "bis zum Ende Dezember 2026 festgelegt". Das Sanierungskonzept sollte den laufenden Betrieb bis dahin absichern, stand aber unter dem Vorbehalt, dass die "Restrukturierungsmaßnahmen" erfolgreich umgesetzt werden. Das war Siewert & Kau offenbar nicht gelungen.
"Vertraglich ist eine vierteljährliche Bestätigung der Einhaltung des Sanierungspfads einschließlich der weiterhin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegebenen Durchfinanzierung des HOB Konzerns und der Gesellschaft durch den Gutachter nebst Darstellung des Umsetzungsstatus der Restrukturierungsmaßnahmen, jeweils 45 Tage nach dem Ende jedes Geschäftsjahres-Quartals, vereinbart", heißt es im Lagebericht der Bilanz.
Als Ziele des "initiierten Restrukturierungsprogramms" wurden die folgenden Punkte genannt: "Portfolio-Konzentration, Expansion Value-Geschäft und insgesamt Steigerung von Effizienz und Produktivität zur Verbesserung des EBITDA, des Netto-Verschuldungsgrads sowie einer Stärkung des wirtschaftlichen Eigenkapitals".
Eine "valide" Prognose zum Geschäftsverlauf 2024/2025 konnten die Geschäftsführer im April 2024 nicht abgeben. Man rechnete aber mit einem Rückgang der Umsätze "im niedrigen zweistelligen Prozentbereich".
Zur allgemeinen Wirtschaftslage hieß es: "Die hartnäckig hohe Inflation dürfte auch im kommenden Geschäftsjahr den Konsum negativ belasten. Hohe Zinsen sowie eine Rezession wirken sich zudem negativ auf das Investitionsverhalten von Unternehmen aus". Bezogen auf ihr eigenes Unternehmen schließt die Bilanz mit diesem Statement der Geschäftsführung: "Die Siewert & Kau Computertechnik GmbH verfügt im Markt für IT-Distributoren über eine traditionsreiche, aber ausbaufähige Marktposition. Diese soll im Zuge des Restrukturierungsprogramms geschärft und insgesamt durch Steigerung von Effizienz und Produktivität auf eine profitablere Basis gestellt werden. Erste wesentliche Ansätze hierzu sind bereits erarbeitet, wichtige Vorleistungen bereits erbracht".
Einen Monat vor Ablauf des Geschäftsjahres 2024/2025 Ende Mai haben die Banken das Sanierungskonzept offenbar für gescheitert erklärt und sich aus der ursprünglich bis Ende 2026 in Aussicht gestellten Finanzierung von Siewert & Kau zurückgezogen.
Update: Siewert & Kau reagiert – schickt nach dem heute morgen veröffentlichten CRN-Bericht eine E-Mail an die Presse, die wir hier im Wortlaut wiedergeben.
Siewert & Kau Computertechnik setzt auf Sanierung
Geschäftsführer und vorläufige Insolvenzverwalterin Marion Rodine führen erste Gespräche mit Lieferanten und Kunden
Die Geschäftsführer der Siewert & Kau Computertechnik GmbH mit Sitz in Bergheim (Nordrhein-Westfalen) haben beim Amtsgericht Köln die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Das Amtsgericht Köln hat daraufhin am 5. Mai 2025 die sanierungserfahrene Rechtsanwältin Marion Rodine, Partnerin in der Kanzlei Runkel Rechtsanwälte, als vorläufige Insolvenzverwalterin bestellt und einen vorläufigen Gläubigerausschuss eingesetzt.
Die vorläufige Insolvenzverwalterin ist seit Montag mit ihrem Team vor Ort, um den Geschäftsbetrieb so schnell wie möglich zu stabilisieren. „Wichtigste Aufgabe ist es, die Finanzierung für die kommenden Monate sicherzustellen. Damit bliebe die unternehmerische Handlungsfähigkeit in vollem Umfang erhalten. Als Großhändler kauft Siewert & Kau Hard- und Softwareprodukte bei weltweit führenden IT-Herstellern ein, setzt kundenspezifische Anforderungen um und liefert die so mit einem Mehrwert versehenen Geräte innerhalb kürzester Zeit an seine namhaften Firmenkunden in Deutschland und den europäischen Nachbarländern aus. Es ist das Ziel, diesen ineinander verzahnten Einkaufs- und Lieferprozess im vorläufigen Insolvenzverfahren fortzuführen. Ob das gelingt, wird sich in den kommenden Tagen zeigen“, erklärt die vorläufige Insolvenzverwalterin Marion Rodine. Gespräche mit Kunden und Lieferanten hat sie bereits zusammen mit den Geschäftsführern von Siewert & Kau aufgenommen. „Die ersten Rückmeldungen sind positiv, darauf bauen wir gemeinsam mit den rund 130 hoch motivierten und langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Siewert & Kau Computertechnik auf“, sagt Marion Rodine.
Die vorläufige Insolvenzverwalterin arbeitet daran, dass bestellte Ware kurzfristig vom Siewert & Kau Logistikzentrum in Bergheim aus an die Kunden geliefert wird und neue Bestellungen aufgenommen werden können. Um die Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden in den kommenden Monaten zu zahlen, wird eine Insolvenzgeldvorfinanzierung in die Wege geleitet.
Investitionskrise in Deutschland trifft Projektgeschäft hart
„Als lizensierter IT-Distributor ist Siewert & Kau seit über 30 Jahren systemisch mit seinen Lieferanten und Kunden verbunden. Wir haben viele erfahrene IT-Experten im Unternehmen, die die Bedürfnisse der Kunden genau kennen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das qualitativ hochwertige Zusammenspiel von Mensch und Technik zeichnet uns im hart umkämpften IT-Markt aus. Allerdings hat uns die seit mehr als einem Jahr andauernde Investitionskrise in Deutschland – sowohl in der Wirtschaft als auch bei der Öffentlichen Hand – insbesondere im wichtigen Projektgeschäft hart getroffen. Hinzu kommt die Volatilität des US-Dollars seit der Wahl der neuen US-Administration im November 2024, da wir einen Großteil unserer Einkäufe in US-Dollar tätigen“, sagt Siewert & Kau Geschäftsführer Claus Holzleitner. Er ist als versierter Handelsmanager und Chief Financial Officer an Bord. Claus Holzleitner agiert als Brückenbauer, der die Neuausrichtung auf dem bereits eingeschlagenen Sanierungsweg in klar gegliederte organisatorische Strukturen lenkt.
Angestrebt wird ein geordneter Investorenprozess. Ziel dieses Investorenprozesses ist die langfristige Sicherung der Arbeitsplätze und der eng verzahnten Kunden- und Lieferantenbeziehungen sowie die bestmögliche Gläubigerbefriedigung. „Als Familienunternehmer geht es uns um den Fortbestand dessen, was wir über 30 Jahre lang gemeinsam mit unserem Team mit viel Herzblut aufgebaut haben. Wir stehen einem möglichen Investorenprozess offen gegenüber und können uns gut vorstellen, Teil der Zukunftslösung zu werden“, blickt Björn Siewert, Geschäftsführer und Co-Gründer von Siewert & Kau, unternehmerisch nach vorn.
Bergheim, 7. Mai 2025
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