Bürgermeister drückt neuer Siewert & Kau die Daumen
Neustart mit kommunalem Beistand: Bergheims Bürgermeister würdigt Distributor Siewert & Kau als "starken Arbeitgeber". Immerhin: Mehr als 100 Arbeitsplätze sind gerettet - vorerst. Wie zukunftsfest die neue S&K sein wird, muss sich erst noch zeigen. Die Herausforderungen für einen alten, neuen Player in der Hardware-Distribution sind groß.
Bergheims Bürgermeister Volker Mießeler zeigte sich Anfang Mai von der Insolvenz des Distributors schockiert. Denn es standen knapp über 300 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Nun ist es den beiden Gründern und Geschäftsführern Oliver Kau und Björn Siewert mit tatkräftiger Hilfe der Insolvenzverwalterin Marion Rodine von der Kanzlei Runkel Rechtsanwälte so zusagen auf der letzten Meile des Insolvenzprozesses gelungen, Ende Juli eine neue Gesellschaft zu gründen – eine Holding aus einer Vorrats-GmbH, sonst hätte die Zeit für eine formale Neugründung nicht gereicht. Viel wichtiger indes: Zwei Investoren stellen Geld zur Finanzierung des operativen Geschäfts bereit, vielleicht sogar für zukünftige Investitionen. 110 Arbeitsplätze, so die offizielle Zahl, konnte die neue S&K retten, also rund ein Drittel der ursprünglich mehr als 300 Beschäftigten.
Für Bürgermeister Mießeler war das allein schon ein Grund, mit dabei zu sein beim offiziellen Neustart am 11. August 2025 im gleichen Gebäude in Bergheim, wo S&K auch seine vor Jahren erweiterte Logistik betreibt. Im persönlichen Gespräch informierten ihn die Geschäftsführer über die aktuelle Unternehmenssituation, die strategische Neuausrichtung sowie geplante Investitionen in den Standort, wie es in der Pressemitteilung einer wieder kommunikativen Siewert & Kau heißt.
Sofern S&K eben kommunikativ sein darf. Woher das Geld für den kapitalintensiven Handel des Distributors stammt, darf S&K nämlich nicht nennen. Die verschachtle Konstruktion der neuen Gesellschaft, an der mehrere Holdings als Gesellschafter beteiligt sind, gibt die Identität der Kapitalgeber nicht preis.
Bürgermeister: "Starkes Fundament für den künftigen Erfolg"
Gratulant Mießeler konnte und kann aus dem kommunalen Säckl freilich keine Hilfen bereitstellen. Worte müssen einstweilen genügen. Er würdigte den Einsatz aller Beteiligten an der Neuaufstellung, betonte die Bedeutung von Siewert & Kau Technologies für Bergheim als Wirtschaftsstandort. Hob hervor, dass das Unternehmen nicht nur Arbeitsplätze sichere, "sondern auch mit Innovationskraft, regionaler Verbundenheit und langjähriger Marktkenntnis neue Impulse setzt." Vor allem die "Kombination aus Tradition, modernem Denken und engem Kundenkontakt" sei "ein starkes Fundament für den künftigen Erfolg". Was eben Kommunalpolitiker so sagen, wenn sie regionalen Unternehmern Mut zusprechen.
Diese Worte machten dennoch Eindruck auf die Geschäftsführung. Für Siewert sind sie eine "Rückendeckung", ein "wichtiger und entscheidender Faktor dafür, dass wir hier am Standort Bergheim jetzt wieder durchstarten können". Es sei ihm ein "besonderes Anliegen, unsere Wurzeln zu bewahren und gleichzeitig mit neuer Stärke in die Zukunft zu gehen", kommentiert Björn Siewert.
Erstaunlich wenig Häme hat CRN von Marktbegleitern gehört, im Gegenteil sogar. Oliver Kau, sein aus der neuen S&K ausgeschiedener Bruder Holger sowie Björn Siewert genießen trotz der Insolvenz einen respektablen Ruf in der Branche. Seit 30 Jahre sind sie im Distributionsgeschäft tätig, haben selbst viele Insolvenzen des Wettbewerbs erlebt, bis sie selbst in schwerstes Fahrwasser geraten sind. Eine Insolvenz als Makel zu brandmarken, wie es in Deutschland im Gegensatz zu den USA auch heute noch vorkommt, sollte keinem Unternehmer an die Stirn geheftet werden. Vom schönen Scheitern, so widersinnig solche Vortragstitel sind, berichten Unternehmer mittlerweile auf so genannten Fuckup-Nights.
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Wie Hersteller reagieren werden
Viele Herstellerpartner drücken, wie der Bergheimer Bürgermeister, den S&K-Gründern die Daumen für einen Neustart. Doch die Handelspartner aus der Industrie müssen sich freilich selbst vor Zahlungsausfällen schützen. Die neue S&K ist eine neue Gesellschaft ohne Historie bei Kreditversicherern und Wirtschaftsauskunfteien. Kreditlimits müssen neu verhandelt werden, sollte Vorauskasse nicht zur Voraussetzung für eine Belieferung werden. Sofern viele Hersteller der "alten" S&K auch an die wieder anzuknüpfenden Stärken einer neuen S&K glauben. Dann müssen Verträge neu verhandelt und aufgesetzt werden. Viele werden S&K nicht attraktiv finden, weil sie sich im ausgedünnten Portfolio nicht gut aufgehoben sehen.
Ein Insider aus der Komponentendistribution betont zudem, dass es in diesem Geschäft nach wie vor eine Verknappung bei einzelnen Produkten gibt, beispielsweise Prozessoren. "Hersteller teilen Waren zu und die bekommen in erster Linie solche Distributoren, die immer schon verlässlich große Mengen ordern. Die sind stets lieferfähig und sehr zuverlässig im schnellen Versand".
Zudem merkt er an, dass ein Markenzeichen der Distribution an Schlagkraft verloren habe: die persönliche Beziehung im Handelsgeschäft zwischen Einkäufern und Ansprechpartnern in der Distribution. Eine Besonderheit, auf die Siewert & Kau immer Wert gelegt hat. "Immer mehr Partner setzen auf digitale Prozesse. Einkäufer bei größeren Systemhäusern werden von ihren Vorgesetzten angehalten, so wenig Zeit wie möglich für persönliche Kontakte bei ihren Bestellprozessen aufzuwenden", sagt der Manager, der viele Jahre in der Distribution arbeitet.
In finanzieller Hinsicht muss sich die neue Siewert & Kau gut wappnen. Einen positiven Cash-flow zu genegieren, Gewinne im Zwischenhandel mit Margen im Promillebereich zu schreiben, um Löhne für eine längere Zeit zu sichern, sind einige der vielen Herausforderungen, die Björn Siewert und Oliver Kau zu meistern haben. Die Finanzen müssen sie schnell in den Griff bekommen - ohne Claus Holzleitner. Der 2024 im Rahmen eines damals mit der Banken vereinbarten Sanierungskonzept eingesetzte CFO hat S&K verlassen, wie CRN aus gut informierten Kreisen gehört hat.
Gehört hat CRN auch, dass einer der Investoren aus Köln stamme und eine freundschaftliche Beziehung zu Björn Siewert pflegt. Bestätigen konnte diese Information kein Zweiter aus dem engen Umkreis von S&K, mit dem CRN sprach. Kölner sind geborene Optimisten, die dem Grundsatz folgen: "Et hätt noch emmer joot jejange". Auf KPI und Rendite achtende Investoren, auch wenn sie aus der Rheinmetropole kommen, verlassen sich dann doch lieber auf harte Fakten.
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