Cisco-Channel-Studie: Wie reift der Channel für KI ist

KI wird gegen Ende dieses Jahrzehnts den Löwenanteil des Umsatzes bei IT-Dienstleistern ausmachen. 42 der deutschen IT-Häuser rechnen damit. Die müssten jetzt anfangen, Know-how aufzubauen. Cisco Deutschland Channel-Chef Rüdiger Wölfl sieht so einige Barrieren, die sein Konzern zu überwinden verspricht.

"KI eröffnet unseren Partnern ungeahnte Umsatzchancen. Um dieses Potenzial zu heben, müssen die Fähigkeiten in Sachen Deployment der Partner aber weiter verbessert werden", sagt Rüdiger Wölfl, Channel Chef Cisco Deutschland

Ein Chart feiert seit geraumer Zeit Hochkonjunktur, es ist auf jeder Tech-Konferenz zu sehen, weil auf jeder Branchenzusammenkunft über (fast) nichts anderes als Künstliche Intelligenz gesprochen wird. Auch Microsoft-Manager Oliver Gürtler zeigte das Schaubild kürzlich auf der Beyond-Partnerkonferenz von Pax8 in Berlin, wie schnell Innovationen im Markt ankommen. Um 100 Mio. Nutzer zu erreichen, brauchte das im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts erfundene Telefon 75 Jahre, das Handy (1979) 16 Jahre, das Internet 7 Jahre, Facebook 4,5 Jahre, Chat GPT 60 Tage. Kein Wunder, dass die Industrie von einer "Revolution" spricht.

Ein solches Tempo, mit der KI-Innovationen entwickelt werden, gab es in der Geschichte der Technologie noch nie. Und vermutlich wird auch die Adaptionsrate bei KI so schnell steigen, wie nie zuvor bei einer anderen Tech-Innovation.

Die Botschaft ist im Channel mittlerweile angekommen. IT-Dienstleister, Systemintegratoren und IT-Beratungsunternehmen sind noch uneins, wie schnell sie auf den KI-Zug aufspringen. Aber dass sie springen müssen, dürfte mittlerweile auch dem letzten Geschäftsführer klar sein, der am liebsten beharrlich am traditionellen Geschäftsmodell seines Systemhauses festhalten will und sich der Hoffnung hingibt, die KI-Welle würde erst nach seiner Pensionierung über sein IT-Haus schwappen.

Wer Morgen in Rente geht oder einen Käufer findet, hat vielleicht noch Glück. Wer noch Übermorgen am Ruder stehen muss, wird die Verschiebung der Erlöse hin zu KI am gut vorbereiteten Wettbewerb studieren können. Durch die enorme Nachfrage nach KI erwarten Partner nämlich eine deutliche Veränderung ihres Umsatzmixes, wie die internationale Cisco Studie "Bridging the Customer AI Readiness Gap – The opportunities ahead for partners" zeigt.

Fast alle Firmen werden in den nächsten 5 Jahren KI-Lösungen nachfragen

Mit Blick auf das nächste Jahr gehen laut der Cisco-Untersuchung 36 Prozent der europäischen Befragten und 42 Prozent der deutschen Channel-Partner davon aus, dass Lösungen mit KI-Bezug bereits zwischen 26 bis 50 Prozent ihres Umsatzes ausmachen werden. Langfristig werde dieser Anteil steigen. 29 Prozent der Partner in Europa glauben, dass die Nachfrage nach KI-basierten Lösungen in den nächsten vier bis fünf Jahren auf 76 bis 100 Prozent steigen wird.

Deutsche Partner allerdings sind in diesem letzten Punkt deutlich skeptischer: Nur ein Fünftel (19 Prozent) der Unternehmen hierzulande teilt diese Ansicht. Man fühlt sich erinnert die letzte Innovation, Cloud Computing, der zu Anfang im deutschen Channel auch nicht viel zugetraut wurde. Bis dann die Hyperscaler kamen und Microsoft fortan aussiebte in Partner, die am Boxmoving festhielten und jenen, die der Hersteller fleißig hofierte, weil sie seiner Cloud-Strategie folgten.

Cisco-Strategie: Wertschöpfung für Partner bei Kunden erhöhen

Cisco hat größte Ambitionen, im wachsenden Markt für KI-basierter Infrastruktur ein gegenüber Wettbewerbern überproportionales Wachstum hinzulegen. Es ist zu vermuten, dass Cisco seine Partner in diese Richtung schiebt, sein Portfolio und seine Channel-Programme dahingehend anpasst, dass seine Partner in der Lage sein werden, ihre Wertschöpfung bei Kunden deutlich zu erhöhen.

Die drei wichtigsten KI-Umsatztreiber sehen deutsche Partner laut der Cisco-Studie in diesen Bereichen: Infrastruktur (40 Prozent), Cybersicherheit (24 Prozent) und Kundenerfahrung (10 Prozent). Die europäischen Ergebnisse liegen laut Cisco ähnlich.

Erforderliche KI-Fähigkeiten für IT-Systemhäuser und Channel-Partner
Die Ergebnisse der Cisco Studie zeigen auch, dass Partner ein starkes Vertrauen in ihre Kenntnisse und ihr Verständnis für die unterschiedlichen Aspekte der KI-Technologien haben. Die Untersuchung betrachtet dazu spezifische Lösungsfelder und Fähigkeiten in den Bereichen IT-Infrastruktur, Datenmanagement, Governance und KI-Know-how, die künftig am Markt benötigt werden:

Überraschenderweise zeigt die Cisco-Studie, dass deutsche Partner sehr wohl wissen, an welchen Stellschrauben sie drehen müssen, um von den KI-Chancen zu profitieren. Sichtwort Weiterbildung: Fast 71 Prozent der Partner hierzulande führen interne Schulungen durch oder nutzen externe Anbieter für KI-Trainings, ergab die Untersuchung. Weltweit mehr als 1.500 Partner ließen sich zu ihrem KI-Reifegrad befragt, davon 364 aus Europa und davon wiederum 62 aus Deutschland. Die Ergebnisse aus Deutschland seien trotz der geringen Fallzahl mit den Zahlen aus Europa konsistent und spiegelten Cisco zufolge "ein klares Bild des KI-Reifegrads im Channel hierzulande wider".

Noch viele Defizite

Aber nur mit Weiterbildung ist es nicht getan, Partner nennen auch Defizite, wo sie noch nicht gut aufgestellt sind. Die größten Barrieren sehen deutsche Partner in mangelnder Erfahrung beim Einsatz neuer Technologien (58 Prozent), fehlenden Kenntnissen über Systeme und Prozesse (63 Prozent) und zu wenig verfügbaren Technologien (44 Prozent).

Laut Cisco seien die Wissens- und Erfahrungslücken im Umgang mit KI-Technologien auf Seiten des Channels durchaus gravierend. "Diese Lücken lassen sich im Bereich der Infrastruktur ebenso beobachten wie im Datenmanagement und der Governance", so die Cisco-Studie und nennt dabei ein Beispiel: "Die Hälfte der deutschen Partner (48 Prozent) gibt an, dass sie nur über mäßige Fähigkeiten verfügt, um die Skalierbarkeit und Flexibilität der IT-Infrastruktur für KI-Projekte zu verbessern. Und gerade einmal ein Drittel der befragten Partner hierzulande verfügt nach eigenen Angaben über eine hohe Kompetenz, wenn es um eine Beratung zu GPU-Ressourcen für die Verarbeitung von KI-Arbeitslasten geht".

Diese Wissens- und Erfahrungslücken in der Bereitstellung von infrastrukturellen KI-Diensten sind laut der Cisco-Studie je nach Region und der Größe des Partnerunternehmens unterschiedlich ausgeprägt: Der Prozentsatz amerikanischer Partner, die in diesen Punkt über ausgereifte Kenntnisse verfügen, ist mit 50 Prozent am höchsten, während er in Europa mit 37 Prozent am niedrigsten liegt. Nach Unternehmensgröße zeige sich laut Cisco "eine klare Korrelation: Je kleiner ein Channel-Unternehmen ist, desto weniger wahrscheinlich ist es auch, dass er über ausreichende Kenntnisse im Bereich von KI-Diensten für die Infrastruktur verfügt."

Ein ähnliches Bild spiegelt die Cisco-Befragung im Bereich Governance: 58 Prozent der befragten Partner aus Deutschland besitzen nur mäßige oder begrenzte Erfahrungen, ihre Kunden im Bereich des Datenschutzes in KI-Modellen zu unterstützen. 66 Prozent der deutschen Partner sind ebenso nur begrenzt oder mäßig in der Lage, ihren Kunden bei der   Integration von Analysetools mit den Datenquellen und KI-Plattformen zu helfen.

Ein Bild, das Text, Screenshot, Farbigkeit, Design enthält. Automatisch generierte Beschreibung

Ein wichtiges Ergebnis der Studie: Nicht in allen diesen Bereichen sind die Partner optimal aufgestellt

Cisco will dafür sorgen, dass Partner "bei KI am Ball bleiben"

"KI eröffnet unseren Partnern ungeahnte Umsatzchancen. Um dieses Potenzial zu heben, müssen die Fähigkeiten in Sachen Deployment der Partner aber weiter verbessert werden", sagt Rüdiger Wölfl, Channel Chef Cisco Deutschland. Cisco wolle seine Partner kräftig unterstützen, "um bei der Einführung, Umsetzung und Nutzung von KI am Ball zu bleiben", so Wölfl. Das Potenzial von KI für die Umgestaltung von Geschäftsprozessen sei "immens". Die Partner spielten "für ihre Kunden bei der Einführung und Nutzung von KI-Lösungen eine zentrale Rolle", so Wölfl. "Dafür muss der KI-Reifegrad im Channel aber kontinuierlich ausgebaut werden."

An Cisco jedenfalls soll die KI-Adaption nicht scheitern. Aus dem Marktführer für Netzwerktechnologie wird spätestens seit der Übernahme von Security-Anbieter Spluk eine softwaregetriebene Company, die wie kein anderer Technologieriese auf einem gigantischen Berg von Daten sitzt, die tief in die Kundeninfrastrukturen blicken lassen. Auf der Basis von KI-getriebener Datenanalyse wird Cisco seinen Partnern neue integrierte Lösungen und Services anbieten.