Salesforce liebäugelt mit Übernahme von Informatica, selbst wenn sie rund 11 Mrd. Dollar kostet
Schon im Lauf kommenden Woche könnte der Vertrag über den Kauf von Informatica durch Salesforce zustande kommen, berichten US-Medien. Die Analysten großer Investmentbanken beurteilen die mögliche Akquisition sehr unterschiedlich.
Noch sind es Gerüchte, über die Bloomberg und das Wallstreet Journal berichten, aber es haben bereits mehrere bedeutende US-Investmentfirmen ihre Einschätzungen zum möglichen Deal abgegeben. Offenbar will Salesforce den Anbieter von KI-basierenden Cloud-Datenmanagement-Lösungen Informatica kaufen und dafür zwischen 11 und 14 Mrd. US-Dollar ausgeben, trotz anhaltender Kritik großer Anleger.
Aktivististische Investoren hatten erst kürzlich wieder gegen die Häufigkeit und Kosten der Unternehmensaufkäufe von Salesforce gewettert. Sollte sich Informatica tatsächlich kaufen lassen wollen, wäre das für den CRM-Riesen Salesforce eine seiner größten Übernahmen überhaupt. Der bisher teuerste Zukauf war – mit einem Preisschild von 28 Milliarden Dollar – die Übernahme von Slack im Jahr 2021.
Eine Stellungnahme von Salesforce und Informatica liegt bisher nicht vor.
Mutmaßungen der Investmentberater
Mindestens drei angesehene Beratungsfirmen haben Berichte veröffentlicht, in denen die hauseigenen Analysten die Vor- und Nachteile eines möglichen Deals zwischen Salesforce und Informatica beleuchten.
Die Analysten bei William Blair sehen einen Zusammengang positiv und schreiben unter anderem, dass Salesforce durch eine Übernahme von Informatica "wettbewerbsfähiger mit Data Warehouses und Data Lakes wie Snowflake" sein könnte.
"Um es klar zu sagen: Wir glauben, dass Salesforce noch einen weiten Weg vor sich hat und dass Salesforce aus einer Produktperspektive heraus liefern muss. Aber wir glauben, dass sich die Strategie für den Weg dorthin allmählich herauskristallisiert", heißt es in dem William Blair-Bericht. "Wir glauben, dass das Unternehmen dadurch langfristig besser positioniert ist, um vom kommenden KI-Zyklus im nächsten Jahrzehnt zu profitieren." Zwischenzeitlich könnte sich der mögliche Deal negativ auf den Aktienkurs auswirken – insbesondere nachdem Salesforce "Begeisterung für Akquisitionen und mangelnde Aufmerksamkeit für die Margen im vergangenen Jahr aktivistische Anteilseigner wie Elliott Investment Management und ValueAct Capital Partners auf den Plan gerufen hat".
Die kritischen Aktivisten zogen sich jedoch erst einmal zurück, nachdem Salesforce Massenentlassungen vorgenommen und einen mehrjährigen Rahmen für profitables Wachstum aufgestellt hatte.
Laut William Blair prognostiziert Informatica für das Jahr 2024 einen Umsatz von 1,7 Mrd. US-Dollar. Die mögliche Übernahme könnte das Data Cloud-Angebot von Salesforce ergänzen, das ein wesentlicher Bestandteil der KI-Bemühungen des CRM-Anbieters ist. "Informatica wird dazu beitragen, das Volumen und die Relevanz der Daten in der Salesforce Data Cloud zu erhöhen, was den Wert für Kunden steigern dürfte, die von Salesforce ganzheitlichere Dienstleistungen erwarten, um ihre KI-Anwendungen zu unterstützen."
Weiter heißt es im Bericht: "Wie Salesforce bereits angekündigt hat, konzentriert sich seine kurzfristige M&A-Strategie auf die Verbesserung der Data Cloud und die Rolle des Unternehmens bei der Bereitstellung notwendiger Tools für seine Kunden, um bei der Implementierung von Gen-KI erfolgreich zu sein. Dies ist eindeutig der Zweck einer potenziellen Übernahme von Informatica, das Datenmanagement-Software für Unternehmen anbietet." Zudem wäre die Übernahme eine gute Ergänzung zu dem Datenintegrations-Unternehmen MuleSoft, das Salesforce 2018 für rund 6,5 Mrd. US-Dollar gekauft hatte.
Den möglichen Kaufpreis von circa 14 Mrd. US-Dollar könnten Salesforce-Investoren überhöht finden, "aber wenn "GenAI die langfristige Geschäftschance ist – und wir glauben, dass es eine bedeutende Chance ist - kann der Preis gerechtfertigt sein, insbesondere wenn die Datenmanagement-Fähigkeiten von Informatica die Positionierung von Salesforce bei Data Cloud und GenAI sinnvoll verbessern", so die William Blair-Analysten.
Sollte der Deal zustande kommen, könnte der jährlich wiederkehrende Umsatz von Informatica möglicherweise ein Stolperstein bei der Integration der beiden Unternehmen sein. Bislang seien nur etwa fünf Prozent des ARR (1 Mrd. Dollar) von Informatica in die Cloud migriert und 60 Prozent entstehen On Premise.
Skepsis statt Superlative
Die Analysten beim Investmentberater Bernstein schreiben in ihrem Bericht: "Wir glauben, dass die Investoren nicht glücklich sein werden und dass diese Akquisition für viele die Antwort auf die Frage ist, ob Salesforce sein Wachstum aus eigener Kraft wieder beschleunigen kann."
Bernstein bezifferte den möglichen Preis für Informatica mit rund 11 Mrd. Dollar. "Die Bruttomarge von Informatica von circa 79 Prozent im letzten Jahr würde kein großes Problem darstellen, aber die operative Marge von 5,9 Prozent schon", so die Bernstein-Analysten. Sie gehen davon aus, dass Salesforce die Übernahme von Informatica anstrebt, um besser mit Microsoft, Oracle und Snowflake konkurrieren zu können. "Wenn Salesforce Informatica erwirbt, könnte dies Snowflakes Aussichten beeinträchtigen."
Auch laut Einschätzung des Hauses KeyBanc würde Informatica gut in die "Lücken in von Salesforce technologischen Fähigkeiten bei der Bewegung und Bereinigung von Daten passen". Unter strategischen Gesichtspunkten sieht KeyBanc die Übernahme von Informatica durchaus positiv.
Das Interesse an Informatica könnte darauf hindeuten, dass die Nachfrage nach Data Cloud und KI-bezogenen Workloads größer sei, als Salesforce derzeit bewältigen kann, und "dass es sowohl ein Kapazitätskalkül als auch ein strategisches Kalkül ist, die Technologie früher einzuführen, anstatt sie organisch aufzubauen", so KeyBanc.
Ein Hauptgrund könne jedoch auch sein, "dass das derzeitige Data Cloud-Angebot nicht in der Lage ist, das zu liefern, was nötig wäre, die Vorteile des kommenden KI-Trends voll auszuschöpfen, und dass eine Akquisition eine Notlösung darstellt."