Gründer Horlitz zur Schließung des Apple-Retailers Gravis: "Danke Apple für nichts!"

Gravis ist gescheitert, der Apple-Retailer macht seine rund 30 bundesweiten Filialen zu. 600 Jobs werden wohl wegfallen. Hat Apple die Monobrandshops in den Ruin getrieben? So sieht es der Gründer Archibald Horlitz, der seine Shops statt an Freenet fast an Apple verkauft hätte.

Gravis-Shops: Die letzten noch 30 Filialen verschwinden aus den Innenstädten.

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Gravis-Shops: Die letzten noch 30 Filialen verschwinden aus den Innenstädten.

12 Jahre nach der Übernahme des Apple-Händlers Gravis durch Freenet (damals noch Mobilcom-Debitel) werden die noch 30 verbliebenen Filialen und der Onlineshop geschlossen. 600 Gravis-Mitarbeitende werden sich wohl neue Jobs suchen müssen.

"Leider schreiben wir – trotz aller Bemühungen – rote Zahlen", so Gravis. "Mit dem Rückgang der Nachfrage, der Steigerung der Onlineverkäufe auch aus dem Graumarkt hat Gravis aber seit 2022 mit einem negativen Ergebnis zu kämpfen. Die Verluste steigen seitdem mehr oder weniger jedes Quartal", heißt es in der Pressemitteilung. Zuletzt versuchte Gravis mit potentiellen Partnern durch eine Zusammenlegung die Krise abzuwenden. Die Filialen wurden umgestaltet, Anfang dieses Jahres Kassen in den Geschäften abgeschafft. Kunden mussten auch Kleinstbeträge mit Bankkarten oder Smartphones bezahlen.

Mit Gravis, als ausschließlicher Retailer von Hersteller Apple gestartet und später auch Produkte der Konkurrenten wie Samsung und Sony verkauft, verschwindet nach dem Aus von Conrad 2022 eine weitere Elektronikfachhandelsmarke aus deutschen Innenstädten.

Gravis-Gründer Archibald Horlitz hat mit dem Verkauf seiner Anteile vor 12 Jahren keine Funktion mehr beim Apple-Händler, zeigt sich aber emotional betroffen. "Ich hatte eine schlaflose Nacht und bin sehr traurig. Und ich bin maßlos enttäuscht von der Firma Apple, mit der ich ein mehr als halbes Leben eng verbunden war. Meine Gedanken sind bei den vielen Mitarbeitern, die nun ihren Arbeitsplatz verlieren, und was Apple angeht, sicher mindestens so enttäuscht sind wie ich."

Horlitz gibt Apple die Schuld, spricht davon, dass Fachhändler bei der Belieferung neuer Produkte "extrem benachteiligt" werden. Er macht das in einem Blog-Eintrag auf Linkedin am Beispiel des iPhone 15 deutlich: Gravis habe zur Markteinführung in einer ersten Stückzahl 50 Geräte geliefert bekommen, "während zeitgleich zehntausende Stück von Apple selbst und über die Telkos ausgeliefert wurden". Erst wenn die initialen Vorbestellungen von Apple selbst abgedeckt seien, werde Gravis "mit vernünftigen Mengen beliefert", so Horlitz.

Seine Kurzversion des Niedergangs von Gravis: Solange Apple den Fachhandel brauchte, wurde der Channel mal mehr, mal weniger unterstützt. Mit zunehmendem Erfolg, vor allem ab 2007 mit der Einführung des iPhone, und später der Eröffnung eigner Apple-Shops wurde der Apple-Retail zunehmend an die Wand gespielt.

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Gründer Horlitz zur Schließung des Apple-Retailers Gravis: "Danke Apple für nichts!"

Gravis ist gescheitert, der Apple-Retailer macht seine rund 30 bundesweiten Filialen zu. 600 Jobs werden wohl wegfallen. Hat Apple die Monobrandshops in den Ruin getrieben? So sieht es der Gründer Archibald Horlitz, der seine Shops statt an Freenet fast an Apple verkauft hätte.

Die längere Version einer Hassliebe zu Apple, die Gravis-Gründer Horlitz beschreibt, beginnt Mitte/Ende der 90er Jahre, als Apple finanziell dem Ruin nahestand. Es seien Partner wie Gravis gewesen, die als Apple-Händler geschätzt wurden. "Erst mit der Einführung des ersten iMacs und besonders des iPods wurde Apple langsam wieder zu einem finanziell gesunden Unternehmen. Und hier freute sich Apple über jeden iPod den GRAVIS verkaufte", so Horlitz. Cancom-Gründer Klaus Weinmann kann das betätigen. Auch er hielt enge Bande zu Apple: seine Cancom verkaufte große Mengen iPods, half Apple in finanzieller Bedrängnis. Auch Weinmann, seine Cancom wurde damals in Europa der größte Apple-Händler, spricht in rückblickend von einer "Hassliebe" zu Apple ("Der Biss in den Apfel").

Holitz: "Der Wandel begann mit der Einführung des letzten hoch innovativen und überaus erfolgreichen Produkts von Apple, dem iPhone. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten alle Apple Produkte Handelsmargen, die auch für den stationären Einzelhandel auskömmlich waren, der typischerweise eine Betriebskosten für Personal, Miete, Finanzierung, etc. von ca. 14-18% hat [sic!]".

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Gravis-Gründer Archibald Horlitz: Zu Apple pflegt er wohl, wie Cancom-Gründer Klaus Weinmann, eine Hassliebe (Bild: Linkedin).

Doch dann habe Apple die Marge beim iPhone auf rund 8 Prozent gekürzt, so Gravis-Gründer Horlitz. 2007 setzte Apple zudem auf Telcos als Vertriebspartner. Notgedrungen. Denn Apple habe damals eigene Mobilfunktarife anbieten wollen, die Telcos so zusagen nur als Netz-Provider einspannen wollen, was diese ablehnten.

"Das Buhlen um den Abschluss eines iPhone-Vertrags mit Apple seitens der Telekom und Vodafone (in Deutschland) war für mich eine der spannendsten Phasen meines Berufslebens. Ich saß damals bei einer der Verhandlungen in Bonn und assistierte im Hintergrund einem großen deutschen Telekom-Unternehmen bei den Verhandlungen mit Apple. Die deutsche Telekom bekam auch den Zuschlag und die etablierten Apple-Händler ließ Apple zunächst komplett außen vor. GRAVIS versuchte hier dieses Aussperren zu umgehen, indem wir 2008 einen Telekom Shop in Shop in unserem neuen großen Ladengeschäft in Berlin, am Ernst-Reuter-Platz, einrichteten. Side note: zur Eröffnung dieses Ladengeschäfts im Jahr 2007 kam auch der damalige Apple Europachef Pascal Cagni", erinnert sich Horlitz.

"Apple reagierte hier eisenhart und machte der Telekom klar, dass dies als unfreundlicher Akt gesehen wurde", so der Gravis-Chef weiter. Mit iPhones wurde dieser Telekom-Shop als einzige Filiale nicht beliefert und wurde nach wenigen Tagen geschlossen. Apple vertröstete beim iPhone den Fachhandel auf einen späteren Zeitpunkt. " Retrograd betrachtet war hier der erste klare Bruch mit den etablierten Apple-Händlern sichtbar. Der rauschende Erfolg des iPhones, und im Gefolge der anderen Apple Produkte, überdeckte dies zunächst", so Horlitz.

Apple wollte Gravis kaufen – und zwar am 9/11

Noch duldete Apple indes den Retail als Fachhandelspartner. Man war erst noch am Aufbau eines eigenen Filialnetzes, dass 2001 in den USA, 2005 in Deutschland begannt. Um im Retail schneller voranzukommen, habe Apple sogar Gravis kaufen wollen, so Horlitz.

Die harten Verhandlungen waren durch, der Vertag unterschriftsreif. Sogar die Funktion von Archibald Horlitz verhandelt: Er sollte neben Kaufpreis und 90.000 Apple-Aktienoptionen Retail-Chef von Apple Europa werden.

"Der Tag der finalen Verhandlung war der 11.9.2001! Auf meinem Weg zum Flughafen Berlin-Tegel, um dort den damaligen Apple Europachef Pascal Cagni abzuholen, fiel der erste der beiden Tower des World Trade Centers", so Horlitz. Der Deal wurde abgesagt.

Er folgte aber ein partnerschaftliches Miteinander. Apple gewährte Gravis Expansionskapital. Ehemalige Apple Deutschland Geschäftsführer wechseln in den Aufsichtsrat der Gravis AG. Eigene Apple-Stores ergänzten die Gravis-Filialen, das lief einige Jahre gut. Doch dann zog Apple die Zügel an, beziehungsweise das Retailgeschäft an sich, weg vom Fachhandel, der doch glaubte, mit einem eigenen bundesweiten Service- und Reparaturnetz additional dem Hersteller wertvolle Dienste erweisen würde.

Horlitz: "Apple hat in den letzten Jahren klar entschieden, dass der Fachhandel zukünftig keinen Platz in der Vertriebsstruktur von Apple hat. Nicht einmal die vergleichsweisen schlechten Margen, wie typischerweise 8% beim iPhone, sind das primäre Problem, sondern die fortlaufende Nicht- bzw. Schlechtbelieferung mit Produkten, insbesondere zum jeweiligen Marktstart neuer Produkte". Gegen einen "übermächtigen (Ex)Partner wie Apple" könne Gravis "nicht bestehen", so der enttäuschte Unternehmer.