Microsoft: Rekordinvestitionen in den Standort Deutschland

Verdoppelung der Rechenzentrumskapazität, 1,2 Mio. Menschen fit für die Digitalisierung machen, noch mehr KI-Lösungen: Mitten in der aufgeladenen Diskussion um Deindustrialisierung verkündet Microsoft Deutschland die bislang größte Investition hierzulande. Verlust der globale Spitzenposition deutscher Unternehmen? Microsoft-Top-Manager Brad Smith spricht vom Gegenteil.

Brad Smith und Microsoft-Deutschland-Chefin Marianne Janik nehmen Bundeskanzler Olaf Scholz in ihre Mitte.

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Brad Smith und Microsoft-Deutschland-Chefin Marianne Janik nehmen Bundeskanzler Olaf Scholz in ihre Mitte.

Optimisten und Pessimisten haben jeweils gute Gründe, ihre aktuelle Haltung zur deutschen Wirtschaft zu untermauern. Schwarzseher verweisen auf die rückläufige Konjunktur, malen gar eine Deindustrialisierung an die Wand, weil es viele Konzerne ins günstigere und anscheinend auch unbürokratische Ausland zieht. Wie passt das zusammen mit einer überaus euphorischen Stimmung an der Börse? Dr deutsche Aktienindex DAX hat am Donnerstag die Rekordmarke von 17.000 Punkten geknackt und ein Allzeithoch markiert. Investiert man als Konzern Milliarden in Deutschland, genauer gesagt 3,2 Mrd. Euro in den kommenden beiden Jahren, wenn die hierzulande zum Nostradamus Berufenen alles den Bach heruntergehen sehen?

Microsoft kündigte diese Summe im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz, Microsofts Deutschland-Chefin Marianne Janik und Brad Smith, Vice Chair and President Microsoft USA, an. Es ist die größte Einzelinvestition des Konzerns, seit er vor 40 Jahren hierzulande eine Niederlassung eröffnete. "Investitionen in die Zukunft Deutschlands im KI-Zeitalter", lautete der Tenor der Zusammenkunft des Top-Managements mit dem Bundeskanzler in Berlin. Ein solches Zeichen des Muts und Aufbruchs kann die viel gescholtene Ampelregierung gut brauchen.

KI-Innovationen bei Kunden

Offenbar ist man in Redmond, dem Konzernsitz von Microsoft, nicht der Meinung, dass sich die deutsche Wirtschaft deindustrialisiert. Jedenfalls legen das die Kundenbeispiele nahe, die der Konzern für Unternehmen ins Feld führt, die früh auf den Innovationszug aufgesprungen sind. Zahlreiche deutsche Unternehmen und Start-ups nutzen laut Microsoft bereits fortschrittliche KI-Funktionen:

Siemens habe mit Azure OpenAI Service den Siemens Industrial Copilot für komplexe Aufgaben wie das Schreiben und Optimieren von Code für Maschinen und die Behebung von Fehlern entwickelt.

Boehringer Ingelheim habe den Azure OpenAI Service zu seiner KI-Plattform iQNow hinzugefügt, um damit die Effizienz und Qualität seines Wissensmanagements zu verbessern.

Bayer setze Microsoft M365 Copilot ein und wolle so unter anderem tägliche Arbeitsabläufe beschleunigen, beispielsweise durch automatische Zusammenfassungen von E-Mails und Anhängen oder durch das Erstellen von ersten Entwürfen für Dokumente. Auch bei der Produktentwicklung experimentiere der Chemie- und Pharma-Riese mit Microsoft Copilot.

Die Commerzbank wolle das Kundenerlebnis durch einen KI-Banking-Avatar mit Microsoft Azure KI auf ein neues Niveau stellen.

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Microsoft: Rekordinvestitionen in den Standort Deutschland

Verdoppelung der Rechenzentrumskapazität, 1,2 Mio. Menschen fit für die Digitalisierung machen, noch mehr KI-Lösungen: Mitten in der aufgeladenen Diskussion um Deindustrialisierung verkündet Microsoft Deutschland die bislang größte Investition hierzulande. Verlust der globale Spitzenposition deutscher Unternehmen? Microsoft-Top-Manager Brad Smith spricht vom Gegenteil.

Microsoft plus großes Partner-Ökosystem

Vergangenen Mai eröffnete Microsoft in München in Anwesenheit des bayerischen Ministerpräsidenten Söder sei erstes Experience Center in Europa, wo Kunden sich zahlreiche KI-Lösungen in der Praxis anschauen können. Man hat den Eindruck, dass die Bundesregierung sehr viel über Zeitenwende spricht, diese aber dann doch von Unternehmen wie Microsoft und seinem Netzwerk von mehr als 25.000 verbundenen mittelständischen Microsoft-Partnern in die Praxis umgesetzt wird.

Die Faustformel, die Microsoft und fast jeder Techkonzern mit indirektem Vertrieb vorrechnet: Jeder Dollar Hersteller-Umsatz bringt einem Partner 6 Dollar Umsatz. Der Löwenanteil der Wertschöpfung in einem solchen Partner-Ökosystem verbleibt demnach bei der mittelständischen IT-Wirtschaft. Umgekehrt ist jeder US-Konzern, will er erfolgreich, auf ein starkes Partner-Netzwerk angewiesen.

KI braucht viel Rechenleistung - deutsche Unternehmen fragen KI nach

Microsoft steckt die Investitionen in den Ausbau seiner Cloud-Region in Frankfurt am Main sowie den neu geplanten Infrastrukturen in Nordrhein-Westfalen (NRW). Die Kapazitäten der Rechenzentren würden mehr als verdoppelt. "Dieser erhebliche Zuwachs an digitalen Kapazitäten wird dem Standort Deutschland helfen, die wachsende Nachfrage nach KI-spezifischer Rechenleistung und Cloud-Lösungen zu erfüllen", so Microsoft. Vor allem neue KI-Modelle und -Dienste aus der Azure-Cloud zu trainieren und anzuwenden, braucht sehr viel Rechenleistung. Bis 2025 will Microsoft den Strom für seine Rechenzentren vollständig aus regenerativen Quellen beziehen.

"Wir wollen der deutschen Wirtschaft ermöglichen, von KI zu profitieren, um auch weiterhin ihre globale Spitzenposition bei der Wettbewerbsfähigkeit auszubauen", sagte Brad Smith, Vice Chair und President von Microsoft. Mag die Konjunktur der deutschen Wirtschaft aktuell Sorgen bereiten: Smith schließlich sich nicht der Meinung von Kritiker an, deutsche Unternehmen würden Technologietrend verschlafen und sich transformationsunwillig zeigen. Er sieht vielmehr eine steigende KI-Nachfrage vor allem von Unternehmen aus den Branchen Fertigung, Automobilbau, Finanzdienstleistungen, Pharma, Life Sciences und Medizintechnik. "Weil sich diese Branchen durch den wirtschaftlichen Wandel grundlegend verändern, ist es wichtig, Unternehmen in Deutschland mit weltweit führender Technologie auszustatten", so Smith.

Mit der Milliarden-Entscheidung trage Microsoft "wesentlich dazu bei, die Transformation unserer Wirtschaft nachhaltig voranzutreiben", kommentiert der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst. Ein solches Investment sei ein Zeichen des Vertrauens und Ergebnis konkreter Standortpolitik. "Microsoft wird im Rheinischen Revier einen idealen Standort finden und so die digitale Infrastruktur für Nordrhein-Westfalen und ganz Deutschland massiv voranbringen", sagt Wüst.

Microsoft-Deutschland-Chefin Marianne Janik skizzierte die Vision ihres Konzerns, Cloud Computing künftig in Deutschland allgegenwärtig und zugänglich zu machen und die Technologie verantwortungsvoll zu nutzen. "Das Unternehmen bietet Cloud-Dienste an, die nicht nur leistungsstark sind, sondern auch zuverlässig, und die höchsten Standards für Datenschutz und Privatsphäre erfüllen."

Erstes berufliches Zertifikat für generative KI

Microsoft verbindet seine Infrastrukturinvestitionen mit einem verstärkten Fokus auf Aus- und Weiterbildung. Bis Ende 2025 will der Konzern hierzulande 1,2 Mio. Menschen digitale Kompetenzen vermitteln. Zusammen mit dem Partner-Ökosystem sollen neue Trainingsprogramme gestartet werden. Schwerpunkt dabei ist die Vermittlung von Kenntnissen für KI-Transformation in Unternehmen. Microsoft will ein erstes berufliches Zertifikat für generative KI einführen.

Durch Partnerschaften mit einem professionellen Netzwerk von Microsoft-zertifizierten Schulungsdienstleistern, Industriepartnern, Universitäten, gemeinnützigen Organisationen, staatlichen Einrichtungen und Verbänden wird Microsoft in verschiedenen Bereichen ausbilden. Das soll in Kooperation mi zahlreichen Verbänden und Vereinen geschehen, u.a. mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Initiative "IT-Fitness", die Microsoft gemeinsam mit dem Förderverein für Jugend und Sozialarbeit e.V. (fjs) entwickelt hat, mit der Microsoft-Initiative "BoostYourSkills" in Zusammenarbeit mit Unternehmen wie Schaeffler und DHL Group. Microsoft unterstütze auch die ReDI School of Digital Integration, die geflüchteten Menschen und marginalisierten Gruppen hilft, einen Arbeitsplatz in der deutschen IT-Branche zu finden.

Für Bundeskanzler Olaf Scholz sind die angekündigten Milliardeninvestitionen von Microsoft eine gute Nachricht für den Wirtschaftsstandort Deutschland. "Solche Projekte zeigen, wie attraktiv der Standort und das Vertrauen von Investoren in Deutschland ist", sagt Scholz.