Postskandal in UK: Software zerstört Existenzen von Hunderten Postangestellten
Rund 700 Postangestellte in Großbritannien wurden wegen angeblichem Diebstahl von Geld verurteilt. Nun hat eine TV-Serie den größten Justizskandal Großbritanniens aufgerollt und sorgt für riesige Empörung. Abgeschlossen ist Fall fehlerhafter Abrechnungssoftware noch lange nicht.
Der Fall ist nicht neu, aber erst eine mehrteilige TV-Serie Anfang des Monats hat nun eine Empörungswelle in Großbritannien losgetreten und beschäftigt jetzt erneut die britische Regierung. Es ist von einem der größten Justizskandale in Großbritannien die Rede.
Hintergrund: Wegen einer fehlerhaften Software wurden zwischen 1999 und 2015 rund 700 Postangestellte in Großbritannien strafrechtlich verurteilt. Man warf ihnen Unterschlagung von Geldern vor. Viele sind zu Gefängnisstrafen verurteilt worden, es folgte soziale Ächtung, einige Verurteilte nahmen sich das Leben. Ein Filialleiter und mehrere Mitstreiter wehrten sich gegen ihre Verurteilung und erreichten schließlich schon 2019 Freisprüche vor dem High Court.
Das Gericht stellte fest: nicht Betrug ist im Spiel, sondern ein Computerfehler in der Software Horizon des japanischen Technologie-Konzerns Fujitsu hatte Fehlbeträge teils von mehreren Tausend Pfund irrtümlich ausgewiesen. Dem Management der Post warf das Gericht "institutionelle Halsstarrigkeit" vor. Anwälte der Post sollen auch dann noch gegen Postmitarbeiter vorgegangen sein, als sich Hinweise auf die fehlerhafte Abrechnungssoftware verdichteten. 2020 wurde eine öffentliche Untersuchung eingeleitet, um festzustellen, welche Personen und Organisationen für den Skandal verantwortlich sind.
Bislang wurden 93 Verurteilungen aufgehoben und insgesamt 21 Mio. Pfund Entschädigung ausbezahlt. Die britische Regierung hatte vergangenen September jedem irrtümlich Verurteilten 600.000 Pfund Entschädigung in Aussicht gestellt und darauf hingewiesen, auch den Klageweg beschreiten zu können, um höhere Beträge zu erstreiten, wie das britische CRN-Schwesterportal Computing schrieb.
Fujitsu und die Post hatten ihre Rolle in dem Skandal eingeräumt und sich bei den Opfern entschuldigt. Viele Fragen bleiben aber nach wie vor offen. Etwa, was wann welcher Verantwortliche über das fehlerhafte Horizon-System wusste. Viele zu Unrecht Verurteilte sehen auch Fujitsu in der Pflicht, sich an Entschädigungsleistungen zu beteiligen - wenigstens moralisch gesehen. Das britische Justizministerium forderte Fujitsu bereits zur Kompensation auf, wie Computing berichtete.
Horizon ist immer noch im Einsatz, allerdings in einer nun korrekt laufenden neuen Version. Nick Read, Chef der britischen Post, sagte Medienberichten zufolge, er sei entschlossen, Horizon zu ersetzen.