Lieferengpässe bei Chips immer noch gravierend - und es wird schlimmer
5 Monate im Schnitt müssen Unternehmen in Deutschland aktuell auf Halbleiter-Bauteile bzw. Komponenten warten, nur unwesentlich kürzer als in der Pandemie. Offenbar wird dann aber auch noch rationiert und die Preise sind gestiegen. 2024 wird sich die Lage sogar noch zuspitzen.
Die Versorgungslage mit Halbleitern bleibt für deutsche Unternehmen angespannt, die Mehrheit rechnet sogar mit einer Verschärfung der Lieferknappheit im nächsten Jahr. Wie aus einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom hervorgeht, melden aktuell 9 von 10 Unternehmen Schwierigkeiten bei der Chip-Beschaffung und damit mehr als 2021. In der Hochphase der Pandemie hatten Firmen hierzulande im Schnitt 6,5 Monate auf wichtige Halbleiter-Bauteile oder -Komponenten gewartet. Aktuell müssen sie mit 5 Monaten rechnen.
Hinzu kommt laut der Bitkom-Umfrage, dass 89 Prozent melden, bestimmte Bauteile seien teils nicht verfügbar, bei 88 Prozent wurden die Liefermengen reduziert. 93 Prozent sind mit Preiserhöhungen konfrontiert.
Die repräsentative Befragung im Auftrag des Bitkom fand unter 404 Unternehmen ab 20 Beschäftigten statt. Der Fokus lag auf dem verarbeitenden Gewerbe und ITK-Dienstleistungen - also Branchen, in denen intensiv mit Halbleitern gearbeitet wird.
Der Ausblick ist sogar noch schlechter. Demnach rechnen zwei Drittel (68 Prozent) dieser Unternehmen damit, dass die Lieferverzögerungen 2024 zunehmen werden - 41 Prozent gehen von einer deutlichen Zunahme aus und 24 Prozent von einer leichten Zunahme. Jedes fünfte Unternehmen (19 Prozent) rechnet mit der Fortschreibung des Status-quo.
Demgegenüber geht jedes zehnte Unternehmen davon aus, dass die Lieferverzögerungen im nächsten Jahr abnehmen. "Ohne Chips geht in der deutschen Wirtschaft nichts. Halbleiter sind die Basistechnologie der digitalen Wirtschaft", sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.
Für 83 Prozent sind Halbleiter unverzichtbar
Für die allermeisten Unternehmen, die Halbleiterbauteile oder -komponenten verwenden, seien diese für das eigene Geschäft unverzichtbar (83 Prozent). 85 Prozent haben laut Bitkom im aktuellen Jahr 2023 bereits Halbleiter gekauft oder werden es noch tun. 39 Prozent dieser Unternehmen wissen allerdings nicht, woher diese Halbleiter überhaupt kommen.
Nach wie vor dominiert Asien als Produktionsstandort für Halbleiter. So bezieht jedes vierte Unternehmen (25 Prozent) seine Halbleiter-Bauteile aus China und 17 Prozent aus Taiwan. Südkorea (10 Prozent) und Singapur (7 Prozent) gehören ebenfalls zu wichtigen Halbleiter-Lieferanten. Dem gegenüber stehen die USA, von wo 21 Prozent der deutschen Käufer ihre Halbleiter-Bauteile und -Komponenten beziehen. 6 Prozent kaufen in Israel und jeder zwanzigste Käufer (5 Prozent) gibt Deutschland als Produktionsland an.
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Lieferengpässe bei Chips immer noch gravierend - und es wird schlimmer
5 Monate im Schnitt müssen Unternehmen in Deutschland aktuell auf Halbleiter-Bauteile bzw. Komponenten warten, nur unwesentlich kürzer als in der Pandemie. Offenbar wird dann aber auch noch rationiert und die Preise sind gestiegen. 2024 wird sich die Lage sogar noch zuspitzen.
Bei der Auswahl von Halbleiter-Lieferanten spiele das Herstellungsland bzw. der Hauptsitz des Herstellers eine vergleichsweise geringe Rolle - "viel wichtiger" seien Faktoren der Wirtschaftlichkeit, so der Bitkom.
"Es ist nachvollziehbar, dass Unternehmen, die auf Halbleiter angewiesen sind, in erster Linie solche Lieferanten auswählen, die günstig sind und pünktlich liefern. Gleichwohl stehen Halbleiter im Mittelpunkt starker geopolitischer Interessen. Wir sollten deshalb ein komplettes Ökosystem von Unternehmen rund Halbleiter in Deutschland und Europa aufbauen. So können wir Abhängigkeiten reduzieren und sind im Fall der Fälle weniger erpressbar," bezieht Bitkom-Präsident Wintergerst Stellung zu den Milliarden-Subventionen, die die Bundesregierung und die EU ausländischen Chipherstellern wie Intel, TSMC oder Wolfspeed in Aussicht stellten. Der Chips Act der EU sieht Subventionen im Volumen von 43 Milliarden Euro bis zum Ende dieses Jahrzehnts vor. Die kommen auch den aus der EU stammenden Herstellen Infineon und STMicroelectronics zugute.
Staatliche Förderung notwendig
Die allermeisten Unternehmen in Deutschland, die Halbleiter-Bauteile und -Komponenten verwenden, sind laut der Bitkom-Umfrage der Meinung, dass Deutschland die Förderung der heimischen Halbleiter-Industrie ausweiten solle.
Zudem müsste die Politik dem Mangel an Spezialisten auf dem Arbeitsmarkt beseitigen. "Deutschland muss die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte weiter erleichtern. Dazu braucht es durchgängig digitalisierte und unbürokratische Verwaltungsprozesse. Die sind zum Teil noch so umständlich, dass sie die Bemühungen, Top-Leute nach Deutschland zu holen, faktisch konterkarieren", kritisiert Bitkom-Präsident. "Spezialistinnen und Spezialisten für Halbleiter und Mikroelektronik können sich ihre Jobs aussuchen, und zwar weltweit. Wenn wir wollen, dass sie nach Deutschland kommen und hier für Wohlstand sorgen, dann müssen wir Deutschland auch als Lebensmittelpunkt für solche Menschen richtig attraktiv machen."
Rennen noch nicht entschieden
Gleichwohl geben die Unternehmen das internationale Rennen in der Halbleiterfertigung nicht verloren: Zwei Drittel (69 Prozent) sind laut der Bitkom-Umfrage der Ansicht, dass Europa den technologischen Vorsprung asiatischer Länder bei der Halbleiterproduktion noch aufholen kann - 27 Prozent gehen nicht davon aus.