20 Jahre ITscope: Baden und die Revolution des IT-Handels
Eine Kündigung bei Tech Data, Datenvergleich statt Hardwareverkauf, empörte, später begeisterte Distributoren, viel Handarbeit, später EDI-Automation, Cloud, Beschaffung und ERP-Einbindung: Die Idee einer Preisvergleichs- und Beschaffungsplattform hatten viele junge IT-Pioniere. Den längsten Atmen aber nur ITscope. Warum die Badener die Nase vorne haben und nicht der Wettbewerb.
Große Sause in Karlsruhe: ITscope feierte kürzlich das Firmenjubiläum. 2003 wussten die Gründer Alexander Kiffe (43) Benjamin Mund (44) und Stefan Reger (44) noch nicht, dass sie einmal Channel-Geschichte schreiben würden. Mit über 400 Distributoren, über 7 Mio. Produktlistungen und rund 8.500 Nutzern - von Systemhausriesen wie Cancom bis hin zu kleineren mittelständischen Häusern wie Aconitas - ist die Karlsruher ITsope mit ihrer B2B-Beschaffungsplattform Marktführer hierzulande. Es hätte freilich anderes kommen können. Vom Aus des Geschäftsmodells oder dem Überrollen durch Wettbewerber wäre alles möglich gewesen. Warum ist ITscope noch da (und wird wohl noch lange das E-Procurement dominieren)? Während es der Wettbewerb, wie DCI - einst mit einer Milliarden-Bewertung glänzte, es aber nie schaffte, dem Badener Trio das Wasser zu reichen?
An einigen Meilensteinen und Rückschlägen lernen Unternehmer auch heute noch, wie Mut und Beharrlichkeit belohnt werden und "auf dem Teppich bleiben" immer noch besser ist als mit an der Börse schnell eingesammeltem Geld erst ganz hochzufliegen und genauso schnell unsanft landen zu müssen.
Pioniere sind selten allein
Es gibt eine Synchronizität der Gedanken und Erfindungen. Fast zeitgleich beschäftigen sich die ITscope-Gründer und Arnd Villwock mit seiner Ad Fontes (wenig später cop software) mit der Idee, einer distributionsübergreifenden Handelsplattform für den Channel zu entwickeln. Das Internet ersetzt Faxlisten, Mails informieren Reseller viel schneller: Die Erstausgabe der CRN berichtet 1995 über ein neues Online-System, das Computer 2000 einführt. Produktinfos, Preise, Bestellungen sind nun elektronisch einsehbar. Die ersten Plattformen, später Shops sind geboren.
ITscope nimmt schnell Abstand davon, selbst ein Shop zu werden. Es geht vielmehr um eine Übersichtsplattform, was welcher Disti zu welchem Preis im Lager hat. Arnd Villwock arbeitet an derselben Idee. Er wird später sagen, dass ihm Markus Adä mit der Kündigung bei Tech Data einen Riesengefallen getan hatte. Die Initialzündung für den nun selbstständigen Softwareunternehmer, mit cop software ein Wettbewerber zu ITscope zu sein.
Und beide Firmen beobachten einen Pionier auf dem E-Commerce-Feld. Die Starnberger DCI hatte sich Millionen Kapital aus den Börsengang am Neuen Markt geholt und Gründer Michael Mohr sich mit einem Ferrari belohnt. Durchgesetzt hatte sich DCI mit seiner Beschaffungsplattform für den Channel genauso wenig wie A Eins trotz oder gerade wegen einem schillernden, vor Selbstbewusstsein strotzendem Andy Altmeyer. Und das Badener Trio von ITscope?
Die Gründer haben gearbeitet, standen hinter ihrem Stand auf vielen Channel-Messen, haben unbescheiden mit der Channel-Presse geredet und immer wieder dazugelernt: von ihren Kunden, den Resellern und ihrem schärfsten Gegner zu Anfang: die Distribution.
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20 Jahre ITscope: Baden und die Revolution des IT-Handels
Eine Kündigung bei Tech Data, Datenvergleich statt Hardwareverkauf, empörte, später begeisterte Distributoren, viel Handarbeit, später EDI-Automation, Cloud, Beschaffung und ERP-Einbindung: Die Idee einer Preisvergleichs- und Beschaffungsplattform hatten viele junge IT-Pioniere. Den längsten Atmen aber nur ITscope. Warum die Badener die Nase vorne haben und nicht der Wettbewerb.
Preisvergleich? Lieferfähigkeit? Gar Order-Plattform als Konkurrenz zum eignen Bestellsystem? Es gab einen Riesenwirbel, als die Fachpresse 2005 über ITscope titelte "Distis ausspioniert". Die Folge: Die Kundenzahl verdoppelte sich auf einen Schlag und die Gründer lernten, dass sie nicht gegen, sondern nur mit der Distribution als Partner den elektronischen IT-Handel revolutionieren können.
Die Distis wiederum mussten begreifen, dass man nicht gegen das Internet und die Transparenz agieren, sondern bei anbieterübergreifenden E-Business-Plattformen wie ITscope gelistet werden muss.
Heutige Cloud-Marktplätze, Hyperscaler- oder RMM-Plattformen vereinen Lösungen von Drittherstellern, die Kooperationspartner und zugleich auch Wettbewerber sind. Der Begriff Coopetition ist im Channel noch nicht verbreitet, als ITscope Distributoren zu umarmen beginnt.
Nutzer- und Technologie-Fokus, Automation, Shopsystem für Reseller

Warum sich ITscope durchsetzt, obwohl es sehr viele Wettbewerber gibt? Recht simpel: Jeder Preisvergleich, ob B2C oder B2B, steht und fällt mit guten Daten. Content von Kooperationspartnern wie Cnet, DCI, Full IceCat wurde in die Plattform aufgenommen. Distributoren mit EDI angebunden. Automation auch im Export der Daten, vielleicht der wichtigste Meilenstein. ITscope beginnt, Schnittstellen für die ERP-Systeme der Reseller anzubinden, damit ihre Bestellungen aus ITscope direkt in deren Abrechnungsprogramme fließen.
Eine äußerst wichtige Ergänzung, die sich heute in der Plattform-Ökonomie wiederholt, wenn MSPs SaaS-Applikationen oder Services bei ihren Lieferanten bestellen. Wer will noch manuell nacherfassen, so wie ITscope anfangs Daten aus Listen in den PC hackt? Automation ist das Gebot der Stunde - damals wie heute.
2012 dann ein gewagtes Unterfangen. Weg vom Client hin zur Cloud. ITscope wird webbasiert genutzt, die Plattform mit dem Firmennamen harmonisiert. Man ist dem Wettbewerb voraus, das Risiko und der nicht unerhebliche Invest zahlt sich aus.
Wo kann man Mehrwerte schaffen? Eine Frage, die jeder Gründer in jeder Phase seines Unternehmens stellen muss. So auch das Badener Führungstrio, und bieten Reseller ein multilieferantenfähiges B2B-Shopsystem an. Das ersetzt mehr und mehr die Shopsysteme, mit denen auch Distributoren versuchen, Kunden im margenschwachen IT-Handel an sich zu binden.
Zwei strategische Zukunftsschritte: Akquisition und Investor
Amazon und Ebay haben es im B2C vorgemacht: Auf Dauer dominiert im Handel die stärkste Plattform, Wettbewerber werden verdrängt oder müssen sich Nischen suchen. Es geht auch um hohe Investitionen, eine starke E-Commerce-Plattform zu bleiben, was viele kleinere Anbieter aus eigener Kraft kaum stemmen können oder wollen. Cop software, bisher der schärfste Wettbewerber von ITscope wird 2020 von den Badenern übernommen.

Eine handfeste Überraschung. Gründer Arnd Villwock hat auch persönliche Gründe, warum er aussteigt und das Leben mit seiner Frau fortan auf hoher See genießt. Alle Mitarbeiter werden übernommen. 50 sind es nun insgesamt, und ein auf fast jedem Branchen-Event omnipräsenter Kopf segelt nun unter der Fahne ITscope: Mr. Channel, alias Oliver Gorges, alter Tech Data-Weggefährte von Villwock, wird Head of Channel & Kooperationen - was auch sonst. Er läuft bei der 20-Jahr-Feier zur Höchstform auf im Alten Schlachthof in Karlsruhe.
Ein logischer Schritt, mit cop software zu fusionieren. Und mehr noch. ITscope steht bereits auf der Wachtlist von strategischen Investoren, wird selbst zum Akquisitionsziel für IT-Firmen mit internationalen Ambitionen. ERP-Anbieter Weclapp schluckt 2021 ITscope, ein Jahr später übernimmt Exact die Muttergesellschaft der Badener. Die ERP-Branche auf Konsolidierungskurs und stets auf der Suche, sich durch Mehrwerte zu ERP oder CRM zu differenzieren. ERP für den Handel mit einer für die Kunden aus der Systemhaus-Branche und MSPs marktführenden Beschaffungsplattform.
Es wächst zusammen, was zusammengehört und den IT-Handel revolutioniert. Ein völlig entpersonalisierter Einkauf, wie Alexander Münkel in letzter Konsequenz die ITscope-Vision zu Ende denkt.