Gigaset meldet Insolvenz an

Rund 850 Mitarbeiter bei Gigaset bangen um ihren Job, der Marktführer bei Schnurlostelefonen ist zahlungsunfähig. CEO Magnus Ekerot hat Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Es fehlt eine klare Strategie für die Ex-Siemens-Tochter.

"Diese ungesunde und einseitige Geschäftsausrichtung und der nunmehr eingetretene unerwartete und erhebliche Umsatzrückgang im 2. Halbjahr 2023 haben zur aktuellen Lage geführt." Gigaset-CEO Magnus Ekerot.

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"Diese ungesunde und einseitige Geschäftsausrichtung und der nunmehr eingetretene unerwartete und erhebliche Umsatzrückgang im 2. Halbjahr 2023 haben zur aktuellen Lage geführt." Gigaset-CEO Magnus Ekerot.

Am Dienstag nach Börsenschluss hat der Telefonhersteller Gigaset Insolvenz angemeldet. Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebstätigkeiten würden vorerst weiterlaufen, die Sanierung will der Gigaset-Vorstand im Rahmen einer Eigenverwaltung durchführen. Die Insolvenz gilt sowohl für die Gigaset AG als auch Tochtergesellschaft Gigaset Communications GmbH (Amtsgericht Münster).

Die Gründe: "ein unerwarteter und erheblicher Umsatzrückgang im 2. Halbjahr 2023 und somit eine deutlich unter den Planungen liegende Geschäftsentwicklung bei einer anhaltend und sich weiter zuspitzenden schwachen Nachfrage nach Gigaset Produkten sowie eine allgemeinen Kauf- und Konsumzurückhaltung in Deutschland und Europa mit entsprechenden Auswirkungen auf die Unternehmensliquidität," teilte das Traditionsunternehmen aus Bocholt mit. Die Wurzeln des 175 Jahre alten Unternehmens liegen im Siemens-Konzern. Gigaset ist Europas Marktführer für DECT-Schnurlostelefone. Mit rund 850 Mitarbeitern ist Gigaset in über 50 Ländern aktiv.

Mit Kapitalgebern geführte Verhandlungen für neues Eigen- bzw. Fremdkapital hätten sich bis zuletzt "nicht ausreichend konkretisiert, um den notwendigen Finanzmittelzufluss zur Fortführung der Gigaset außerhalb eines Insolvenzverfahrens abzusichern," teilte Gigaset mit. Die Mehrheit hält seit 2014 die Investmentfirma des chinesischen Investors Suton Pan. Es sollen 72 Prozent sein. Gigaset war zuletzt an der Börse knapp 40 Mio. Euro wert.

CEO Magnus Ekerot machte das vormalige Management für die Pleite verantwortlich. Es sei während der letzten Jahre nicht gelungen, "den Rückgang im Kerngeschäft mit DECT-Schnurlostelefonen durch die richtigen Weichenstellungen in den neuen Geschäftsbereichen zu kompensieren," sagte der zum Jahresanfang von Bosch zu Gigaset gewechselte Manager. "Diese ungesunde und einseitige Geschäftsausrichtung und der nunmehr eingetretene unerwartete und erhebliche Umsatzrückgang im 2. Halbjahr 2023 haben zur aktuellen Lage geführt."

"Ich sehe die Zukunft der Gigaset AG bei Dr. Ekerot in guten Händen", hatte der Vorgänger des amtierenden Gigaset-CEOs, Klaus Weßing, im Juli 2022 bei der Bekanntgabe seines designierten Nachfolger gesagt.

Mit Smart-Home und Android-Smartphones versuchte Gigaset schon vor Jahren neue Märkte zu erschließen, um sich unabhängiger vom Kerngeschäft mit DECT-Telefonen zu machen. Der Wettbewerb vor allem gegen etablierte Smartphone-Hersteller ist allerdings hart.

Ekerot will nun versuchen Gigaset "von Grund auf neu zu strukturieren und auf eine solide wirtschaftliche Basis zu stellen." Für die nächsten drei Monate erhalten die Gigaset-Beschäftigen der insolventen Gesellschaften Insolvenzausfallgeld von der Bundesagentur für Arbeit. Ob Ekerot bis dahin mit einem Sanierungsplan neue Investorengelder akquirieren kann, ist völlig offen. Es wird auch darauf ankommen, mit welcher Insolvenzquote sich der Gläubigerausschuss zufriedengeben wird. Meist müssen Gläubiger im Insolvenzfall auf mehr als 90 Prozent ihrer Forderungen verzichten.