
Channel-Chefs erklären, warum nordische Endkunden bereit sind, einen Aufpreis zu zahlen, warum der öffentliche Sektor König ist und welche Erfolge und Misserfolge die Public Cloud in einer Region mit starkem Fokus auf Datenschutz hat

In CRNs fortlaufender Spotlight Serie werfen wir nun einen Blick auf den Markt in den skandinavischen bzw. nordischen Staaten.
Wir haben mit dem größten Reseller der Region, einem Systemintegrator, zwei paneuropäischen Distributoren und einem europäischen Hyperscaler gesprochen.
Wir haben sie gefragt, was nötig ist, um erfolgreich auf den dortigen Märkten zu landen und zu expandieren, welche Trends es bei der Technologiebeschaffung gibt und welche lokalen Besonderheiten Channel-Akteure beachten sollten.
Loyalität als Leitprinzip
Laut einem Bericht, der vom skandinavischen Reseller Tieto Ende letzten Jahres in Auftrag gegeben und von IDC Nordic durchgeführt wurde, wird die digitale Transformation in der Region viel mehr von etablierten Industrieakteuren, die ihre bestehenden Geschäfte transformieren, angetrieben als von Tech-Disruptoren.
Wie mehrere Partner gegenüber CRN erklärten, spiegelt dies möglicherweise die nordische Neigung zur Loyalität gegenüber bereits vertrauten Marken wider.
Dies jedoch steht im Gegensatz zu der Wahrnehmung, dass die Nordics "Early Adopters" sind.
Doch auch das erweist sich in vielen Fällen als korrekt - mit der Einschränkung, dass die Einführung neuer Technologien eher von "bekannten Namen" angeführt wird.
"Die nordischen Unternehmen konzentrieren sich auf die Optimierung ihres Geschäfts und sind sehr vorsichtig, wenn keine wirklich bahnbrechende Kraft vorhanden ist", so die Analysten von IDC Nordic.
"Während nordische Organisationen sehr schnell in der Nutzung von neuen Technologien sind, haben nur sehr wenige (sieben Prozent) ihre Umsatzmodelle geändert oder ähnliche grundlegende Veränderungen in ihren Geschäftsmodellen vorgenommen."
Möchten wir wirklich, dass unsere Gesundheitsdaten auf einem Server in Indien oder auf einem AWS-Server in den USA liegen? Es mag zwar billiger sein, aber nein, das möchten wir wohl nicht", sagt Atea-CEO Steinar Sønsteby.
Proact ist ein skandinavischer Systemintegrator mit einem Umsatz von 3,32 Mrd. SEK (€317,26 Mio.) und über 1.000 Mitarbeitern in 14 Ländern in Europa und Nordamerika.
Das Unternehmen strebt für die nächsten drei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahre ein Umsatzwachstum von zehn Prozent an.
Gründer und CTO Per Sedihn sagt, dass es in seinem Heimatmarkt notwendig ist, der Nachfrage nach Markenloyalität zu entsprechen, um zu wachsen.
"Die nordischen Kunden haben tatsächlich diese Erwartungen. Sie legen Wert darauf, dass jemand wirklich im Land ist, um ihnen die Technologie und die damit verbundenen Services zu verkaufen. Wir übernehmen die volle Verantwortung für das Management der Integration, aber die Kunden sind auch bereit, für die Nutzung der Technologie zu bezahlen - wenn sie Ihr Unternehmen kennen."
Die Nachfrage nach Effizienz
Skandinavische Kunden sind auf der Suche nach Technologien, die dazu beitragen können, die hohen regionalen Kosten in der Region zu senken.
Der größte Reseller in Skandinavien ist der norwegische Gigant Atea, ein Unternehmen mit einem Umsatz von 3,8 Mrd. Dollar.
CEO Steinar Sønsteby bestätigt, dass diese Nachfrage ein wichtiger Wachstumsmotor ist.
"Ich bin seit 30 Jahren in der Branche tätig und habe immer wieder gehört, dass wir technisch versierter sind und dass wir die ersten sind, die etwas Neues ausprobieren. Aber ich denke, das kommt zum Teil daher, dass wir die finanzielle Kraft dafür haben, was andere Unternehmen in anderen Bereichen vielleicht nicht haben", sagte er.
"Wir leben in einer der teuersten Regionen der Welt, vor allem bei den Gehältern. Wir sehen also eine starke Konzentration auf Bereiche wie Automatisierung und Software-Robotik, da sie hierzulande einen noch größeren Nutzen bringen."
"Zudem haben Analytics und künstliche Intelligenz einen sehr hohen Stellenwert, um einen höheren Nuttzen aus Daten oder Prozessen zu generieren."
Durch diese Neigung hin zu der Nutzung neuer Technologien und der Belohnung vertrauenswürdiger Marken, wachsen einige der Partner in der Region rasant.
Im jüngsten Global Elite Report von CRN haben wir Advania mit Sitz in Island als einen der am schnellsten wachsenden Reseller in Europa identifiziert.
Das Unternehmen verzeichnete bereits 2017 ein erstaunliches Umsatzwachstum von 60 Prozent und erwartete für das Gesamtjahr 2019 einen Umsatz von 4,5 Mrd. SEK (466,43 Mio. $).
Premium-Preis, Premium-Produkte
Diese Lektion hat ELKO, ein paneuropäischer Distributor mit einem Umsatz von 1,5 Mrd. $, gelernt.
Der Einstieg in den nordischen Markt erfolgte 2017 mit der Übernahme des schwedischen Konkurrenten Gandalf.
Das in im lettischen Riga gegründete Unternehmen ELKO hat 17 Niederlassungen, die sich hauptsächlich auf Mittel- und Osteuropa verteilen, ist aber in 30 Ländern tätig.
CEO Svens Dinsdorf nannte die hohen Preise als eine der Kern-Charakteristiken des nordischen Channels.
"Es ist definitiv ein reicher Markt. Wenn man sich die verkauften Produkte ansieht, dann sind das in der Regel Produkte gehobener Klasse mit höheren Preisen.
"Der Markt ist schon ziemlich entwickelt und wettbewerbsfähig. Tatsächlich haben wir in der Vergangenheit erlebt, dass einige Anbieter pleite gegangen sind, vor allem im Retail. Die Situation am Markt ist also wirklich kompetitiv und definitiv nicht einfach."
Dinsdorf behauptete, dass Gandalf von ELKO vor allem deshalb übernommen wurde, weil die Hersteller besorgt waren, dass der nordische Distributor nicht ausreichend skalieren würde, um in der Region wettbewerbsfähig zu sein.
"Die Hersteller waren der Meinung, dass es da diesen guten Distributor gibt, mit einem starken Team, aber es einfach an Größe und Ressourcen fehlt, um auf diesem wettbewerbsfähigen Markt zu bestehen."
"Die Kombination aus der Nachfrage nach Premium-Produkten und der Fähigkeit zur Skalierung ist "der nordische Fokus auf Service".
"Es wird mehr Wert auf Service gelegt, als in anderen Märkten. Das kommt vor allem von einem höheren Bewusstsein für Personalkosten."
"Die durchschnittlichen Personalkosten sind wesentlich höher, und deshalb neigen die Unternehmen dazu, sehr effizient zu arbeiten. Für uns war es eine sehr starke Lernkurve, die Arbeitsweise und Fähigkeiten im Set-Up von Prozessen unserer schwedischen Kollegen zu sehen. "
Lokalisierung durch M&A
Dinsdorf fügte hinzu, dass seiner Ansicht nach aufgrund dieser kulturellen Erwartung lokale Vertriebsteams absolut notwendig sind.
"Unser Marktansatz [in den nordischen Ländern] wird nicht so sehr von unserer Zentrale aus gesteuert, sondern eher von lokalen Teams."
ELKO hat diese lokale Präsenz durch eine Akquisition erreicht.
Und viele andere Unternehmen haben in den letzten Monaten ähnliche Überlegungen angestellt.
Kürzlich schloss Tieto seine Fusion mit dem Software- und Dienstleistungsunternehmen EVRY ab und schuf damit einen €2,9 Milliarden schweren Software-, Cloud- und Service-Riesen.
DXC Technology kaufte Anfang des Jahres (2019) einen Teil des dänischen Softwarepartners EG und keine zwei Monate später folgte das kanadische IT-Beratungsunternehmen CGI mit einem Barangebot in Höhe von 4,32 Mrd. SEK (€410 Mio.) für das schwedische Unternehmen Acando.
Der CEO der Advania-Gruppe, Mikael Noaksson, erwähnte gegenüber CRN, dass die nordischen Länder jetzt ein Spiel sind, bei dem es darum geht, wer wen übernimmt, da der Drang nach Skalierung die Konsolidierung im Sinne des "Überlebens" vorantreibt.
Er fügte hinzu, dass insbesondere kleinere regionale Reseller, die sich hauptsächlich im Besitz von sich dem Ruhestand nähernden 60ern befinden, nun versuchen, an größere Unternehmen zu verkaufen.
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