Umsatz, Liquidität: Mittelstand unter Druck setzt zunehmend auf Digitalisierung
50 Prozent US-Zoll auf Importe aus der EU: der Deutsche Aktienindex verliert am Freitag 1,5 Prozent, um am Montag darauf den Handel mit einem Plus 1,5 Prozent aufzunehmen. Dazwischen liegt ein Wochenende, an dem der US-Präsident nach einem Telefonat mit der EU-Kommissionschefin diesen Zollsatz erst einmal aussetzt. Drohung, Moratorium, wieder Drohung: die Willkür hat Methode, maximale Verunsicherung gehört offenbar zum "System Trump". Kann man unter solchen geopolitischen Risiken überhaupt noch verlässlich planen als Staat und als Unternehmen? Und was zählen noch Umfragen und Prognosen, wenn die politische Großwetterlage jeden Tag wechselt?
Unternehmen fahren auf Sicht, Entscheidungen über Investitionen werden hinausgeschoben, existenzielle Maßnahmen dagegen dulden keinen Aufschub, um gegenzusteuern, wenn Umsatzeinbrüche und Liquiditätsengpässe drohen. Drei von vier deutschen Unternehmen aus dem Mittelstand mussten im vergangenen Jahr ein aktives Krisenmanagement betreiben, damit Umsätze und Liquidität nicht wegbrechen, wie die Studie "Resilienz und Risikomanagement im Mittelstand", ausführt. Sie wurde vom Marktforschungsinstitut Innofact im Auftrag von Allgeier Inovar Ende April 2025 durchgeführt hat. Befragt wurden 373 Entscheider aus mittelständischen Unternehmen mit 30 bis 750 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz zwischen 30 und 200 Millionen Euro.
Eigene Firma besser gegen Krisen aufstellen
Ziel der Studie ist es, den Grad an Widerstandsfähigkeit gegen multiple Krisen auszuloten und Maßnahmen zu bewerten, die Unternehmen aus dem Mittelstand treffen, um resilienter zu werden in konjunkturell schwierigen Zeiten. Offenbar zeigen die getroffenen Maßnahmen der Mittelständler zur Stärkung ihres Geschäfts Wirkung. Der Aufbau von Resilienz schreite voran, so die Studienautoren: "In den letzten drei Monaten waren nur noch 61 Prozent, im letzten Monat [April] sogar nur etwas mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Unternehmen gezwungen, Maßnahmen gegen wirtschaftliche Turbulenzen zu ergreifen".
Die drei Maßnahmen für mehr Widerstandsfähigkeit liegen mit rund 40 Prozent der Nennungen in etwa gleichauf (siehe Grafik am Textende):
•Kostenreduktion (43 Prozent),
•Optimierung von Prozessen und Lieferketten (41 Prozent),
•Investitionen in Digitalisierung und KI (40 Prozent).
Die gute Nachricht für die IT-Branche: Der Mittelstand senkt Betriebskosten, nicht aber die Ausgaben für digitale Modernisierung und Innovationen wie künstliche Intelligenz. Letzteres stärkt mittelständische Unternehmen, die Chefs und Chefinnen haben offenbar erkannt, dass sie zwar nicht die makroökonomische Lage ändern können, aber ihre eigene Firma besser gegen Krisen aufstellen müssen. Die Studie: "88 Prozent der Geschäftsführer:innen bzw. CEOs sahen sich in der Pflicht, aktiv einzugreifen. Interessant ist, dass das mittlere Management offenbar von einem Teil dieser Belastung abgeschirmt wurde – hier berichten 'nur' 70 Prozent von entsprechenden Aktivitäten".
Für Ulrich Zahner, Geschäftsführer von Allgeier Inovar, steht fest: "Der Mittelstand lässt sich von der Dauerkrise nicht lähmen – im Gegenteil. Viele Unternehmen nutzen die Situation, um gezielt in Effizienz, Digitalisierung und Widerstandskraft zu investieren". Das zeige nicht nur "Weitblick", sondern auch "echten Gestaltungswillen".
Neben den bereits umgesetzten Maßnahmen planen viele Unternehmen zusätzliche Aktivitäten, die kurz- und mittelfristig Wirkung entfalten sollen. Dazu zählen Aufbau redundanter Strukturen - etwa durch alternative Lieferanten (65 Prozent), eine breitere Streuung von Absatzmärkten und Kundenbasis (59 Prozent) sowie Aufbau interner Risiko- und Frühwarnsysteme, um in Zukunft schneller reagieren zu können (58 Prozent).
Unternehmensinsolvenzen steigen
Für viele Unternehmen aus dem Mittelstand kommen die Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Kostenstruktur, ihrer Wettbewerbs- oder gar Innovationsfähigkeit zu spät. Die Insolvenzen haben zuletzt deutlich zugenommen, sind in den Pandemiejahren durch das Aussetzen der Insolvenzmeldepflicht bei Zahlungsunfähigkeit statisch verzerrt.
2024 lag die Zahl der Unternehmensinsolvenzen laut Statistischem Bundesamt bei 21.812 Fälle – ein Plus um mehr als ein Fünftel. Für dieses Jahr rechnet das Institut der deutschen Wirtschat mit weiter steigenden Unternehmensinsolvenzen auf rund 26.000.
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