"Man lernt eine Menge über Resilienz"
Einen Monat nach dem Ransomware-Angriff auf Ingram Mico spricht die für Australien zuständige Geschäftsführerin Hope McGarry mit CRN über die Lehren aus dem Cybersecurity-Vorfall und bedankt sich bei den Partnern für die große Unterstützung.
Vor einem Monat wurde Ingram Micro Opfer eines schweren Ransomware-Angriffs, der nach bisherigen Informationen von der Hackergruppe SafePay ausging. Im Gespräch mit CRN blickt die Australien-Geschäftsführerin des global operierenden Distributors, Hope McGarry, auf den turbulenten Monat zurück.
Die Attacke hatte am 5. Juli 2025 begonnen und sich vor allem gegen die Xvantage-Plattform und die Impulse-Plattform gerichtet, die Ingram Micro weltweit zur Bereitstellung von Lizenzen nutzt. Um den Angriff abzuwehren, schaltete das Unternehmen umgehend seine Website und sein Bestellsystem ab. Vier Tage später meldete der Distributor, dass seine Systeme wieder online und funktionsfähig sind.
Unsere Schwesterzeitschrift CRN Australien konnte jetzt exklusiv mit McGarry über die nächsten Schritte des Distributors sprechen und von ihr einiges über die Lehren erfahren, die sie aus dem Vorfall gezogen hat. Dabei macht McGarry auch deutlich, dass der Vorfall noch lange nicht abgearbeitet ist, nur weil die Plattformen wieder online und in Betrieb sind. Vielmehr geht sie davon aus, dass die eingehenden Untersuchungen und ihre anschließende Bewertung noch eine ganze Weile andauern werden.
"Im Moment konzentrieren wir uns jedoch vor allem auf den Geschäftsalltag, um unsere Kunden und Lieferanten so gut wie möglich zu betreuen und sicherzustellen, dass sie bei allem, was wir tun, absolut im Mittelpunkt stehen", beteuert McGarry.
Zugleich räumt sie ein, im Zuge des Angriffs erkannt zu haben, dass man in solchen Situationen nicht mehr viel Kontrolle habe.
"Wenn man ein Unternehmen durch so eine turbulente Zeit mit derartigen Unsicherheiten führt, ohne überhaupt genau zu wissen, was wirklich los ist, lernt man dabei eine Menge über Resilienz," fasst die Australien-Chefin des Distributors zusammen. "Angesichts so vieler Unsicherheiten lernt man schnell, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die man in solchen Situationen noch unter Kontrolle hat. Und es gibt dann sehr vieles, was man nicht unter Kontrolle hat."
Als Führungskraft, so McGarry, gehe es darum, das Team auf das zu konzentrieren, was es kontrollieren könne, und die Kommunikation mit den Partnern und Anbietern so klar wie möglich zu halten. "Wenn es so viele nicht kontrollierbare Variablen gibt, geht es darum, extrem widerstandsfähig und ruhig zu sein und sich auf die Dinge zu konzentrieren, die man steuern kann." Trotz allem Drumherum sei das für sie persönlich letztendlich auch eine wichtige Erfahrung gewesen: "Ich habe eine Menge über mich selbst als Führungskraft gelernt."
In einer Stresssituation wie einem Ransomware-Angriff sei es entscheidend, dass Führungskräfte keine Hypothesen aufstellten oder zu viel nachdächten, so McGarry weiter. "Man muss mit den Informationen arbeiten, die man hat. Und die waren ziemlich begrenzt", erklärt die Managerin. "Alles, was mir zur Verfügung stand, war im Grunde das, was ohnehin öffentlich im Markt bekannt war. Es geht deshalb einzig darum, sich auf das zu fokussieren, was man sicher weiß und kontrollieren kann."
McGarry gibt zu, dass es während des Vorfalls Momente gab, die für sie eine echte Herausforderung darstellten: "Als Mensch möchte man einfach gewährleisten, dass es seinen Kunden und Lieferanten gut geht. Und man möchte sicherstellen, dass es seinem Team gut geht."
Eine Blickrichtung, die auch bei der Problemlösung wichtig war: "Es ging vor allem um die Menschen. Darum, dass die Menschen, für die wir arbeiten – mein internes Team, meine Kunden und Lieferanten – so gut wie möglich informiert waren, und dass sie auch bei allen Prozessen rund um die Wiederherstellung im Mittelpunkt standen."
Reaktion von Partnern und Händlern
Überrascht zeigt sich McGarry von der "außergewöhnlichen Unterstützung", die Ingram Micro in Australien während der Tortur erfuhr.
"Das ist eines der Dinge, die ich an dieser ganzen Gemeinschaft liebe, nachdem ich mein gesamtes bisheriges Berufsleben in verschiedenen Funktionen in der IT-Branche tätig sein durfte", freut sich McGarry und präzisiert: "Die Unterstützung für uns, die persönlichen Textnachrichten an mich, die Anrufe, die ich erhalten habe, die E-Mails, wie die einzeilige E-Mail von einem Kunden, in der stand: 'Wir fühlen mit Ihnen. Wenn wir etwas tun können, lassen Sie es uns wissen'."
Ferner berichtet McGarry unter anderem von Kunden, die dem Ingram-Micro-Team Essen brachten, während dieses sich mit dem Vorfall befasste. "Sie wussten, dass wir sehr hart arbeiteten, und der Grad der Unterstützung, den wir erfuhren, war eine Bestätigung dafür, wie sehr wir uns in unserem Geschäft auf Beziehungen konzentrieren", folgert sie. "Ich habe meiner Führungsgruppe gesagt, dass man dieses Maß an Unterstützung nicht bekommt, wenn man nicht in Beziehungen investiert. Eben weil wir so viel in Beziehungen investieren und uns diese Beziehungen wirklich am Herzen liegen, bekommen wir so viel Unterstützung."
Gleichzeitig zu diesem Beistand in Form von Lebensmitteln und Ermutigung musste McGarry aber auch einige Kritik einstecken, die auf das Unternehmen hereinprasselte (siehe nächste Seite).
"Es wird immer Leute geben, die meinen, man hätte es besser machen können, man hätte anders reagieren können, hätte schneller reagieren können, und das ist auch in Ordnung", erklärt sie. Wichtig sei es, sich davon nicht verunsichern zu lassen. "Man muss wissen, was man selbst für richtig hält. Das ist der Nordstern, von dem man sich leiten lässt."
In diesem Sinne zieht sie ein positives Fazit: "Wir haben mit den uns zur Verfügung stehenden Informationen unser Bestes getan, und das Feedback der Kunden war außerordentlich positiv." Immerhin könne man aus ihrer Sicht niemals ausreichend auf derartige Situationen vorbereitet sein. "Man hat zwar seine Pläne zur Geschäftskontinuität und ähnliches auf globaler und lokaler Ebene vorbereitet, aber ich denke dennoch nicht, dass man jemals wirklich voll vorbereitet sein kann, da immer ein menschliches Element mitspielt", sagt sie.
"Man ist eine Führungspersönlichkeit und leitet dieses wunderbare, großartige Unternehmen. Ich bin so stolz darauf, dass ich es führen darf, ich fühle mich so geehrt, dass ich es leiten darf, und mache das mit all meiner Leidenschaft. Aber man bleibt doch auch ein menschliches Wesen. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob man jemals wirklich ausreichend vorbereitet sein kann, auch wenn man im Ernstfall ziemlich schnell reinwächst."
Ratschläge für andere Führungskräfte
Sie sieht sich zwar nicht als Person, die anderen Ratschläge erteilen möchte. Auf die Frage, was sie anderen Führungskräften raten würde, die sich in einer solchen Situation befinden, hat sie dennoch eine wichtige Antwort parat: "Bleiben Sie so ruhig wie möglich."
Dieser Tipp soll nicht nur bei guten Entscheidungen helfen, sondern ist nach ihrer Erfahrung auch auf einer ganz anderen Ebene enorm wichtig. "Die Leute schauen auf Sie als Gradmesser für die Gesamtsituation. Sie beobachten Sie um einschätzen zu können: ist alles im grünen Bereich? Sind wir schon bei orange? Oder im roten?"
Ihr Tipp lautet daher: "Als Führungskraft ist es in jeder Situation absolut wichtig, dass Sie an der Spitze stehen und die Führung übernehmen und Ihren Kunden, Lieferanten und Teams so die Gewissheit geben, dass Sie die Situation im Griff haben und ihnen zur Seite stehen." Aus ihrer Sicht ist das eine der größten aber auch wichtigsten Herausforderungen, der sich Führungskräfte in solchen Situationen gegenüber sehen. "Die Leute schauen auf dich, um ein Lagebild zu bekommen. Und wenn du nicht gut aussiehst, dann spüren die Leute das sehr schnell."
Sie empfiehlt deshalb neben der reinen Faktenlage niemals die Außenwirkung zu vernachlässigen. "Die Ausstrahlung ist wirklich wichtig, man muss seine Kräfte managen und so dafür sorgen, so positiv wie möglich zu bleiben."
Eine ähnlich wichtige Schlüsseleigenschaft ist aus ihrer Sicht, die Kommunikation so klar und konstant wie möglich aufrecht zu erhalten. "Eine verlässliche Kommunikation ist entscheidend", ist sich McGarry sicher. "Das Schlimmste, was man in jeder Situation tun kann, ist, die Leute im Unklaren zu lassen. Weil sie dann anfangen, Hypothesen aufzustellen und darüber nachzudenken, was ist und was nicht, und das ist niemals hilfreich."
Dieser Beitrag erschien zuerst bei unserer Schwesterpublikation CRN Australien.
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