Portfolio- und Personal-Verjüngung bei Herweck – Schlussstrich unter Amazon
Die glorreichen TK-Zeiten sind vorbei, doch "Distribution hat Zukunft", so Vorstand Dieter Philippi. 40 Jahre gibt es den TK-Distributor Herweck, 20 Jahre seine Hausmesse, aber Geschichte trägt einen nicht in diese Zukunft. Wie Herweck sich im Verdrängungswettbewerb behauptet.
Den Margenbooster beim neuen Mietmodell muss Herweck Mobilfunkhändlern kleinschrittig vorrechnen: Empfohlener VK minus EK ist gleich knapp 8 Euro Marge pro Monat für das Apple iPhone 16, 128 GB, mal 24 Monate Laufzeit ist gleich 192 Euro. Und da Kunden ihre gesamte Geräteflotte auf Mieten statt Kaufen umstellen, kämen Händler "schnell auf 75 Geräte", so Herweck. Fazit: Das Device-as-a-Service-Gewinnpotential nach 24 Monaten beträgt insgesamt rund 14.400 Euro. Den Einstieg in DaaS hat Herweck nun angekündigt.
Jetzt muss der TK-Distributor dafür sorgen, dass der Funke auf jene Partner überspringt, mit denen Herweck groß geworden ist in den letzten 40 Jahren: Die TK-Fachhändler.
Großes Firmenjubiläum in Saarbrücken mit der Party im E-Werk und davor ein kleineres Jubiläum: die Hausmesse Perspektives, die zum 20 Mal stattfindet, traditionell am Firmensitz in St. Ingbert-Rohrbach. Rund 80 Hersteller, knapp 1.000 Besucher, Stimmung wie das Bilderbuchwetter am Freitag vor zwei Wochen: prächtig.
Historisch dieser Tag, und auch ein Detail bezeichnet Herweck-Vorstand Hans-Jürgen Witfeld als "historisch": Es sei "das erste Mal, dass ein neuer Dienst bei Herweck "fast ausschließlich von Systemhäusern nachgefragt wird". Neuland also für die klassischen Mobilfunkhändler, die erst noch für das Nutzungsmodell und regelmäßige Einnahmen begeistert werden müssen.
Dabei übernimmt Herweck in seinem neuen DaaS-Full-Service-Modell alles, kümmert sich um die Komplettabwicklung, samt Rechnungsstellung an den Kunden des TK-Händlers, einschließlich Provisionsvorauszahlung sowie Rücknahme der Geräte nach Ende der Vertragslaufzeit und professionelle Datenlöschung.
"Logistik und Money Collecting hat immer Zukunft", sagt Herweck-Mitbegründer und Vorstand Dieter Philippi zur Erweiterung des Herweck-Geschäfts mit Kleinstbeträgen satt Einmalkauf. Kaufleute und Juristen sprechen von einem Dauerschuldverhältnis, das zu "Recurring Revenue" führt, je höher desto strahlender die Gesichter von Investoren, die auf Firmen mit hohen ARR (Annual Recurring Revenue) ganz heiß sind.
In Sachen Zukunft hat Herweck gleich mehrere Entscheidungen zu verkünden. Da wäre zunächst eine Verjüngung von Vorstand und Geschäftsleitung. Dieter Philippi wird kommenden Oktober 63 Jahre und wechselt Anfang 2026 vom Vorstand in den Aufsichtsrat. Seinen Nachfolger, den 20 Jahre jüngeren Finanzexperten Jakob Saga, arbeitet er in die Feinheiten des Zahlenwerks eines TK-Distributors ein. Saga, Betriebswirt und MBA, kommt aus der Pharmabranche. Ob er als Branchenexterner nicht den Kopf schüttelt über manche Prozesse bei einem Distributor, der Erlöse über eine halbe Milliarde Euro erzielt, will CRN von ihm wissen. "Am Anfang muss man verstehen lernen und nicht zu früh anfangen, Prozesse zu kritisieren", antwortet Saga dipolmatisch und zurückhaltend.
Optimismus im laufenden Jahr
Die TK-Distribution agiert seit Jahren in einem Verdrängungsmarkt, hinzu kommt das schwierige konjunkturelle Umfeld vor allem in Deutschland. Insofern ist Vorstand Jörg Herweck mit dem mageren Umsatzplus von 0,5 Prozent auf über 500 Mio. Euro sowie einem "stabiles Ergebnis" in 2024 zufrieden. "Rosarot sehen wir die Zukunft nicht, sind aber optimistisch", so sein Ausblick auf das laufende Jahr. Er sieht erste Impulse der Geschäftsbelebung: Der öffentliche Sektor zieht an, der private Konsum ebenfalls.
Die Insolvenz des kanadischen UCC-Anbieters Mitel hat Herweck nicht zu spüren bekommen, im Gegenteil sogar. "Mitel wächst bei Herweck trotz der Insolvenz der Muttergesellschaft", sagt Jörg Herweck. Und auch im Mobilfunkgeschäft läuft es gut. "Wir haben gezeigt, dass Herweck in einem schwächelnden Markt Marktanteile gewinnen kann. Im ersten Quartal 2025 sind wir nochmal gewachsen", sagt Vorstand Witfeld.
Wachstum im schwächelnden Mobilfunkgeschäft
Ob man nicht international aufgestellt sein, sich längerfristig zu einem Multi-Milliarden-Distributor entwickeln müsste, um ähnlich wie die IT-Broadliner mehr Gewicht bei großen Herstellern zu haben, fragt CRN. "Wer von Internationalisierung spricht, dem fällt im deutschen Markt nichts neues ein", entgegnet Witfeld.
Herweck, respektive Can Güntuncer, mangelt es nicht an Ideen. Er kennt alle Netzbetreiber seht gut, war, als er vor 8 Jahren zu Herweck kam, selbst viele Jahre bei Teléfonica. Davor leitete er eine Filiale von Talkline (später Freenet) in Bochum. "Alle Netzbetreiber ticken unterschiedlich, so dass wir die zentrale Betreuung aufgebrochen haben", sagt er. Nun gibt es bei Herweck verschiedene Teams mit dezidierter Zuständigkeit für jeweils einen Carrier. Diese dezentrale Struktur sei zwar teurer, "aber das Wissen unserer Experten ist dafür sehr hoch, was die Netzbetreiber und die Fachhändler sehr schätzen", sagt Güntuncer.
Das Konzept komme sehr gut an, sagt auch Witfeld, "manche Wettbewerber kopieren es". Man kopiert eben nur von den Besten. Güntuncer darf sich nicht nur freuen, der Konkurrenz die Plagiatsvorlage geliefert zu haben. Herweck hat seinen VP "Mobile" nun zum Mitglied der Geschäftsleitung berufen. Ein weiterer Schritt der Vorstände und Gesellschafter Jörg Herweck und Dieter Philippi, die Verjüngung der Führungsriege einzuleiten.
Mit dem Generationenwechsel ist Philippi auch deswegen konfrontiert, weil die ersten Mitarbeiter vor kurzem in Rente gegangene sind. "Eine ganz neue Erfahrung für mich", sagt er. Viele sind bei Herweck Jahrzehnte dabei, man sei jetzt bei Personalnummer "in etwa 1100" angekommen, bei 330 Beschäftigten sei dies eine "niedrige Fluktuation", so Philippi. Er wird kürzertreten, als einer der beiden Hauptgesellschafter aber an Bord bleiben. Zunächst aber steht für ihn nächstes Jahr der Rombesuch und die Privataudienz bei Leo XIV. an.
Geschäft mit Amazon beendet
Apropos Segen. Es gibt Kunden, bei denen man nichts anderes empfinden kann als Hassliebe, die Fluch und Segen zugleich sein können. Amazon Retail beispielsweise. Herweck hatte vor einigen Jahren endgültig einen Schlussstrich unter das Kapitel Amazon gezogen. Differenzen wegen Rechnungsabzügen, Streit um Forderungen, Ungereimtheiten bei Anlieferungen, schlechte Kommunikation zwischen den Geschäftspartnern, fehlender Wille, sich gütlich zu einigen: das alles belastete Herweck, so dass der Distributor auf juristischem Weg seine Forderungen gegen Amazon Luxemburg durchzusetzen breit war und damit das Ende dieser Geschäftsbeziehung in Kauf nahm.
Übrigens war es gar nicht so leicht, im Großherzogtum einen Anwalt zu finden, der einen Kläger gegen den Online-Riesen vertritt. Kurios auch das Gericht, das von Herweck verlangte, alle Dokumente des Rechtsstreits in ausgedruckter Form vorzulegen, obwohl der gesamte Schriftverkehr digital vorlag. An welche Adresse man die zwei Europaletten Akten schicken solle, fragte Herweck an. Vermutlich dürfte die Gegenpartei ebenfalls zwei Paletten Schriftsätze ans Gericht in Luxemburg geschickt haben. Jörg Herweck schlägt die Hände über den Kopf, doch der Riesenaufwand hat sich offenbar gelohnt: Man habe 80 Prozent der ausstehenden Forderungen zugesprochen bekommen.
Herweck kann einen solchen nervenaufreibenden Prozess auch finanziell durchstehen, bilanziell steht der TK-Distributor gut da. 2022 hatte der Jahresüberschuss 5,7 Mio. Euro betragen, der Gewinnvortrag nach Ausschüttung 2022 summierte ich auf 36 Mio. Euro.
20 Jahre Hausmesse "Perspektives"
Und Jörg Herweck? Er wird kommenden August 60 Jahre, hat mit 20 Jahren begonnen, Telefone aus Asien nach Deutschland zu importieren, profitierte von der Liberalisierung des staatlichen TK-Sektors, erst vom Festnetz, dann vom Mobilfunk- und Internetboom, Digitalisierung und Collaboration. In den letzten 20 Jahren treffen jedes Jahr im Mai/Juni die Hersteller von Herweck auf mittlerweile 1000 Fachhändler. 1.300 waren es in diesem Jahr, die auf knapp 2.000 Quadratmetern im großen Messezelt auf dem Firmengelände rund 80 Unternehmen trafen. Mobile Computing, Netzwerktechnik, UCC, Smart Home, IT und Telekommunikation, jede Menge Zubehör und Services für den PoS wurden gezeigt.
Ist eine solche "Hausmesse", von der sich andere Distributoren verabschieden noch zeitgemäß? Diese Frage stellt man sich bei Herweck jedes Jahr und jedes Jahr lautet die Antwort des Vorstands: "Natürlich machen wir die Messe, wir wollen sie, die Hersteller wollen sie und die Besucher freuen sich, wenn sie die Perspektives besuchen".
Mit Blick auf das Publikum kann man auch hier eine Verjüngung feststellen. Mütter, die im eigenen TK-Shop stehen, bringen Mann und Kinder mit. Auch die nächste Business-Generation des TK-Fachhandels braucht die Distribution, fühlt sich womöglich bei einem Familienunternehmen mit bodenständigen Inhabern gut aufgehoben. "Distribution hat immer eine Zukunft", sagt Dieter Philippi. Er wird sich zwar aus dem Tagesgeschäft zurückziehen, vermutlich aber noch so einige Hausmessen mitmachen.
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