Mitel verlagert IP-Telefonproduktion nach Deutschland

Mehr Resilienz, weniger Lieferkettenrisiken: Mitel lässt seine IP-Tischtelefone und Schnurlostelefone künftig in Deutschland produzieren. Gemeinsam mit Gigaset sollen bald rund eine Million Geräte jährlich im Werk Bocholt vom Band laufen.

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Mitel hat eine Vereinbarung mit Gigaset unterzeichnet, um pro Jahr rund eine Million Endgeräte im Werk in Bocholt herzustellen. (Foto: Mitel)

Tischtelefone? Ist das nicht mindestens so von Vorgestern wie ein Tastenhandy? Keineswegs. "Trotz der wachsenden Bedeutung mobiler und softwarebasierter Lösungen bleiben Tisch- und Schnurlostelefone für viele Unternehmen und Branchen essenziell", sagt Mitel und beruft sich dabei auf ein seriöses Beratungsunternehmen. Laut den Marktanalysten von Frost & Sullivan liegt das weltweite Marktvolumen der Tisch- und Schnurlostelefone bei rund zwei Milliarden US-Dollar. Pro-Argumente für die Geräte sind deren einfache Handhabung, Geschwindigkeit und ihre Rolle in Notfallszenarien sowie im operativen Frontline-Bereich.

Glücksfall für den Fertigungsstandort

Die Verlagerung der Produktion der IP-Telefone nach Deutschland ist für den kanadischen Kommunikationshersteller angesichts geopolitischer Unsicherheiten und der europaweiten Diskussion über digitale Souveränität ein durchaus werbewirksamer Schritt, der nicht nur Sympathien fördert.

Europäische Kunden dürften von deutlich kürzeren Lieferzeiten profitieren – der Hersteller kann seine Lieferkette stärken. Ein Glücksfall ist die Verlagerung aber auch für Gigaset: Der Hersteller kann sein Werk in Bocholt (Nordrhein-Westfalen) mit der Fertigung von rund einer Million Endgeräten für Mitel pro Jahr deutlich besser auslasten. Das sichert Arbeitsplätze.

Mitel profitiert durch die Kooperation mit Gigaset darüber hinaus von einer hohen Fertigungsexpertise. Die hochautomatisierten, umweltschonenden und TAA (Trade Agreement Act)-konformen Fertigungsprozesse von Gigaset erfüllen die Anforderungen von Kunden, die in regulierten Branchen und Regionen tätig sind.

"Globale Lieferketten stehen zunehmend unter Druck. Wir gehen bewusst proaktive Schritte, um Qualität und Verlässlichkeit für unsere Kunden zu sichern. Mit deutscher Ingenieurskunst steigern wir die Produktqualität und schaffen Planbarkeit für den Betrieb kritischer Kommunikationsinfrastrukturen", sagt Martin Bitzinger, Senior Vice President Product Management bei Mitel.

Gigaset hat chinesische Eigentümer

Das Produktionsmodell basiert auf klarer Arbeitsteilung: Mitel entwickelt die Hardware und ist Eigentümer der Software, die diese steuert, während Gigaset für die Fertigung zuständig ist. Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings auch, dass man trotz der wohlklingenden Fertigung "Made in Germany" mit einem chinesischen Unternehmen kooperiert. Eigentümer von Gigaset ist seit Anfang 2024 die Gigaset Technologies GmbH unter dem Dach der VTech Holdings Limited. Der Hersteller hat seinen steuerschonenden Sitz in Hamilton (Bermuda) und seinen operativen Hauptsitz in Hongkong.

Die Begeisterung über die Zusammenarbeit ist dennoch groß: "Wir freuen uns sehr, unsere Partnerschaft mit Mitel weiter auszubauen und mit unserer Produktion in Bocholt ein starkes Signal für Qualität, Zuverlässigkeit und 'Made in Germany' zu setzen. Mit unserer hochautomatisierten und präzisionsorientierten Fertigung bieten wir Mitel-Kunden in Europa und weltweit die Gewissheit schnellerer Lieferzeiten, höchster Qualitätsstandards und langfristiger Planungssicherheit", kommentiert Gigaset Senior Vice President Global Sales & Marketing Ralf Lueb die Vereinbarung.

Bedeutung für den ITK-Handel

Für Systemhäuser und Fachhändler ist die Produktionsverlagerung unter dem Strich weitgehend positiv. Die Lieferfähigkeit wird sich verbessern, was insbesondere für das Projektgeschäft förderlich ist. Das Risiko von Vertragsstrafen für zu spät gelieferte Hardware dürfte sinken.

Trotz der Zusammenarbeit mit einem chinesischen Eigentümer dürfte das Label "Made in Germany" als Verkaufsargument funktionieren. Das ist gerade bei der Zusammenarbeit mit öffentlichen Auftraggebern und KRITIS-Unternehmen sicherlich äußerst vorteilhaft.

Nicht zuletzt ist die Zusammenarbeit von Mitel und Gigaset ein Beleg dafür, dass der Trend hin zur Verlagerung von Fertigungskapazitäten nach Asien keine Einbahnstraße ist. Die Corona-Pandemie, die wirre Zoll-Politik von Trump und geopolitische Spannungen wie durch den Ukraine-Krieg sind Faktoren, die Europa wachgerüttelt haben. Hohe Qualitätsstandards und eine aufgrund kalkulierbarer Lieferzeiten zuverlässige Planung sind Faktoren, die heute (langsam wieder) mehr wiegen als eine möglichst billige Produktion.

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