KI im deutschen Channel: Die Reise hat gerade erst begonnen
Der deutsche IT-Channel erwartet in den nächsten zwei Jahren deutlich anwachsende Geschäftschancen mit KI, mit einem zunehmenden Fokus auf die Infrastruktur. Zugleich attestieren sich die meisten hiesigen Reseller in einer aktuellen Bestandsaufnahme von Cisco aktuell noch einen deutlichen Nachholbedarf.
Mit seinem heute veröffentlichten "Cisco KI Channel Guide" versucht sich der Hersteller an einer Vermessung des Status Quo des deutschen IT-Channels im Hinblick auf KI. Neben der Auswertung vorangegangener Studien und interner Zahlen hat Cisco dazu im Herbst 59 Top-Führungskräften der größten Partner in Deutschland zu ihren Einschätzungen und Erwartungen rund um KI und die damit einhergehenden Chancen und Herausforderungen befragt.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Die KI-Reise des hiesigen Channels hat gerade erst begonnen. Die Systemhäuser und Dienstleister haben hohe Erwartungen und planen dementsprechend große Investitionen, nicht zuletzt, um das dafür notwendige Knowhow und Personal aufzubauen und zur internationalen Spitze aufzuschließen. Nach eigener Einschätzung sind die größten Hindernisse aktuell fehlende Kenntnisse zu Systemen und Prozessen (63 Prozent), mangelnde Erfahrung beim Einsatz neuer Technologien (58 Prozent) sowie zu wenig Wissen über verfügbare Technologien (44 Prozent).
Viele Partner sehen derzeit das eigene Haus als gute Spielwiese, um dieses Wissen und die Praxiserfahrung zu erwerben und erweitern. Während sie ihre eigene Effizienz verbessern, können sie so lukrative Einsatzmöglichkeiten für ihre Kunden erarbeiten und mögliche Defizite identifizieren. Derer gibt es offenbar noch einige. In der Selbsteinschätzung geben 55 Prozent der Führungskräfte ihrem eigenen Unternehmen beim KI-Einsatz im Durchschnitt nur die Schulnote 3. Immerhin 24 Prozent halten ihr Unternehmen für gut, lediglich zwei Prozent sogar für sehr gut aufgestellt. Gleichzeitig geben sich 19 Prozent aktuell nur die Noten 4 und 5.
Es bleibt also in der Eigenbetrachtung noch einiger Spielraum für Verbesserungen. Zumal die KI-Kompetenz als wichtiger Faktor für die eigene Wettbewerbsfähigkeit identifiziert wird. 62 Prozent der Befragten geben an, KI habe schon heute einen hohen Einfluss auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Mit stark steigender Tendenz: Bis 2027 gehen 94 Prozent von einem solchen Effekt aus. Ganz ähnlich stellt sich die Lage beim mit KI-Produkten und -Lösungen generierten Umsatz aus. Derzeit erzielen fast alle der befragten Partner (97 Prozent) noch weniger als 20 Prozent ihres Umsatzes mit KI-Angeboten. Zwei Drittel wollen diese Schwelle jedoch innerhalb der nächsten zwei Jahre überspringen.
Damit ist klar, dass für die Partner kein Weg am Thema KI vorbeiführen wird und die Aufholjagd mit voller Energie betrieben werden muss. Genau das hat der Channel auch vor. In der Befragung geben 31 Prozent der Führungskräfte an, ihr Unternehmen plane im nächsten Jahr mehr als eine Million Euro in KI-Technologien investieren, ebenso viele nehmen 500.000 Euro dafür in die Hand. Nur etwa jeder zehnte Partner (12 Prozent) will weniger als 100.000 Euro in KI investieren.
"Für ausnahmslos jeden Partner ist KI aktuell die Top-Priorität, aber vielerorts scheitert es noch an der Umwandlung in handfeste Umsätze", fasst Detlev Kühne, Managing Director für die Partner Organisation bei Cisco in Deutschland, die Bestandsaufnahme zusammen und erklärt: "Der Cisco KI Channel Guide soll Orientierung für die nächsten Schritte geben, egal auf welchem Stück der Reise sich die Partner gerade befinden."
KI wird zum Hardware-Thema
Besonders interessant dafür sind die verschiedenen Betrachtungen der einzelnen Betätigungsfelder im KI Channel Guide. Hier zeigt sich unter anderem, dass die in der Öffentlichkeit so präsenten KI-Agenten nur für weniger als jeden Fünften Partner (19 Prozent) zu den größten Umsatzbringern zählen, ähnlich wie Lösungen für Sicherheit und Governance (24 Prozent). Stattdessen wird das Geld aktuell vor allem mit intelligenter Prozessautomatisierung (61 Prozent), der KI-gestützten Identifizierung von Use Cases (53 Prozent) und der dafür notwendigen KI-Infrastruktur (48 Prozent) verdient. Allerdings erwarten die Befragten eine signifikante Verschiebung in Richtung der Infrastruktur. Ihr Verkauf und Betrieb stehen für 64 Prozent der Partner im nächsten Jahr ganz oben im Hinblick auf die erwarteten Umsätze. Die Automatisierung von Prozessen (48 Prozent) und die Umsetzung von Business Use Cases (36 Prozent) fallen dadurch in ihrer Bedeutung zurück, bleiben aber dennoch in der Spitzengruppe.
Eine Entwicklung, auf die sich viele Partner gut vorbereitet sehen. Gerade im Infrastruktur-Bereich attestieren 69 Prozent der Befragten ihren Unternehmen bereits eine gute Ausstattung mit den notwendigen KI-Fähigkeiten und -Kompetenzen. Aber auch bei den anderen beiden Spitzenreitern der Prozessautomatisierung und der Business-Cases korrelieren die hohen Erwartungen mit einem ebenfalls relativ hohen Reifegrad.
Um den eingangs beschriebenen Nachholbedarf abzubauen und künftig mit der rasanten Entwicklung Schritt halten zu können, gilt es zudem, das Personal und Knowhow im Bereich KI energisch auszubauen. Eine nicht ganz leichte Aufgabe angesichts der oft hohen Auslastung und des im Bereich KI besonders schwerwiegenden Fachkräftemangels. Umso wichtiger sind Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen, deren Notwendigkeit 58 Prozent als hoch und 34 Prozent sogar als sehr hoch bewerten. Selbst die verbleibenden acht Prozent sehen zumindest einen mittleren Schulungsbedarf für KI.
Ganz oben auf der Liste der Bereiche für geplante Qualifizierungsmaßnahmen stehen die Geschäftsanwendungen (70 Prozent). Aber auch bei der KI-Infrastruktur und-Sicherheit sehen jeweils 54 Prozent der Befragten Schulungsbedarf. Erst mit etwas Abstand folgen die KI-Technologien selbst (32 Prozent), das Consulting (29 Prozent) und die Datenanalyse (25 Prozent). Dabei streben die Führungskräfte aus dem Channel eine Mischung aus breiten Schulungen der gesamten Belegschaft (70 Prozent) und gezielten Maßnahmen zum Aufbau interner ExpertInnen (73 Prozent) an. Auch das Recruiting neuer KI-Fachkräfte (41 Prozent) genießt, wo möglich, eine hohe Priorität bei den IT-Dienstleistern. Für nicht ganz so dringlich (36 Prozent) erachten sie es indes, auch das Management entsprechend zu schulen.
Wie in einigen anderen Bereichen auch zu beobachten, wir es zudem immer üblicher, externe Partner hinzuzuziehen, wenn das eigene Fachwissen nicht ausreicht. Für fast jeden Dritten (29 Prozent) der Befragten gilt das als probates Mittel, um eigene Lücken bei der Durchführung von KI-Projekten zu schließen.
Faruk Sari, der Ciscos deutschen Partnerkanal als Technical Leader, Technology Office betreut, empfiehlt den Partnern drei aus seiner Sicht besonders wichtige Leitlinien für ihre KI-Bemühungen:
- "Konzentrieren Sie sich darauf, die individuellen geschäftlichen Herausforderungen der Kunden zu verstehen, um KI-Lösungen mit echtem Mehrwert zu bieten.
- Beginnen Sie mit Pilotprojekten, die schnelle Erfolge erzielen.
- Skalieren Sie dann erfolgreiche Initiativen im gesamten Unternehmen."
Dabei will ihnen der Hersteller mit allerhand Unterstützung zur Seite stehen, um gemeinsam vom erwarteten Aufschwung im Bereich der Infrastruktur profitieren zu können. Maßnahmen wie Schulungen in Technik und Beratung über Förderung und Incentives bis hin zur praktischen Begleitung sollen es den Partnern ermöglichen, ihren aktuell laut Faruk Sari noch "unterschiedlichen Reifegrad" weiterzuentwickeln, sodass sie sich bei den Kunden als vertrauensvoller Berater in Sachen KI positionieren können. Darüber hinaus will Cisco auch seine Funktion als Brücke zwischen den Partnern verstärken.
Hardwareseitig setzt Cisco bei seiner AI Factory auf einfache, skalierbare Architektur, die auch modular in anderen Umgebungen nutzbar ist. Das Optimum soll jedoch Ciscos Referenzarchitektur mit den AI Pods als Basis bieten, indem sie USPs wie die durchgängige Sicherheit und die Möglichkeit der integrierten Observability mit Splunk voll zur Geltung bringt.
Fünf große Partner werden mit entsprechenden Systemen ausgestattet, um deren Möglichkeiten auszuloten, sie Kunden zu demonstrieren und weitere Use und Business Cases zu entdecken, bis hin zur Bereitstellung von KI als Service. Aber auch kleinere Partner sollen Möglichkeiten für Tests und Demonstrationszwecke bekommen, denn "seeing is believing", wie Channel-Manager Kühne weiß. Auch wenn beim Thema KI manches noch im Trüben liegt, unterstreicht die Studie aus seiner Sicht, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist und verspricht den Partnern: "Wir gehen da wirklich mit Vollgas drauf".
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