Entlassungswelle in der Technologiebranche geht weiter – Deutsche Börse auf Rekordkurs
Jüngste Pläne zum Jobabbau bei AWS und Lenovo diese Woche. Die Welle von Entlassungen seit Jahresbeginn vor allem bei Technologiekonzernen aus den USA geht weiter. An der US-Börse ist der Schock über die US-Zölle verdaut. Der Deutsche Aktienindex überflügelt die US-Börse und jagt von einem Rekordhoch zum nächsten – trotz so vieler Firmenpleiten wie zuletzt vor zehn Jahren.
AWS hatte am Donnerstag in größeren Umfang Mitarbeiter per E-Mail gekündigt. Genauere Zahlen nannte der Hyperscaler zwar nicht. Medienberichten zufolge betreffen die Entlassungen Hunderte von Beschäftigten. Der Konzern erzielte 2024 einen Umsatz von mehr als 107 Mrd. US-Dollar – ein Plus von 19 Prozent. Im ersten Quartal 2025 stiegen die Erlöse um 17 Prozent auf 29,3 Mrd. Der Anteil von AWS am globalen Markt für Cloud-Infrastrukturdienste lag im ersten Quartal 2025 bei 29 Prozent, gefolgt von Microsoft mit 22 Prozent und Google Cloud mit 12 Prozent.
AWS bestätigte, dass die jüngste Stellenstreichung eine "schwierige Geschäftsentscheidung" gewesen sei. Welche Abteilungen vom Jobabbau betroffen sind, teilte der Konzern nicht mit. "Diese Entscheidungen sind notwendig, da wir weiterhin investieren, neue Mitarbeiter einstellen und Ressourcen optimieren, um unseren Kunden Innovationen zu bieten. Wir haben diese Entscheidungen nicht leichtfertig getroffen und sind entschlossen, die Mitarbeiter während ihrer Umschulung zu unterstützen", sagte eine Firmensprecher.
Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters werden die Entlassungen mindestens Hunderte von Arbeitsplätzen bei dem in Seattle ansässigen Cloud-Giganten betreffen. Auf Linkedin erklärte Sarah Storelli von AWS, dass einige ihrer Kollegen von den Entlassungen betroffen seien, so die Senior Executive Communications und Customer Programs Marketing Leader. "An alle Betroffenen: Bitte lasst mich wissen, wie ich euch bei eurer Karriere helfen und unterstützen kann. ... Für alle, die Mitarbeiter einstellen möchten: AWS zieht einige der besten und klügsten Köpfe an, die einen unermüdlichen, intrinsischen Antrieb haben und Ergebnisse mit Wirkung zu erzielen." CRN hat mehrere AWS-Mitarbeiter auf Linkedin gesehen, die über ihre Entlassung berichtet haben, darunter auch Mitarbeiter aus dem Marketingbereich.
KI treibt das Wachstum des Hyperscalers an, die Produktivitätsvorteile erkennen immer mehr Kunden. Die Schattenseite freilich: Die Einführung generativer KI-Tools würde einen Wegfall von Arbeitsplätzen auslösen, hatte Amazon-Chef Andrew Jassy vergangenen Monat gesagt. "Wir werden weniger Mitarbeitende brauchen, die heutige Jobs machen, und mehr Leute für andere Arbeiten", schrieb er in einer E-Mail an die Belegschaft.
US-Zölle für Importe aus China belasten Lenovo USA
Auch Lenovo streicht 3 Prozent seiner Belegschaft in den USA, um Kosten zu senken, wie aus einer Erklärung des Konzerns hervorgeht. "Wie alle Unternehmen überprüfen wir regelmäßig unsere Kostenstruktur, um sie an die externe Marktdynamik anzupassen und nehmen bei Bedarf Anpassungen bei der Belegschaft vor", heißt es in einer Erklärung des Unternehmens von dieser Woche. "Wir nehmen derzeit strategische Kürzungen in einigen Bereichen unseres Nordamerika-Geschäfts vor und werden weiterhin in Initiativen investieren und uns auf diese konzentrieren, die das Wachstum und die allgemeine Transformation des Unternehmens beschleunigen", so der Konzern.
Von den insgesamt 72.000 Mitarbeitern von Lenovo im März 2025 sind laut einem offiziellen Bericht von Lenovo etwa 16 Prozent in Nordamerika und Lateinamerika beschäftigt, also rund 11.500 Beschäftigte. Ein Unternehmenssprecher sagte, Lenovo habe "mehr als 5.000" Mitarbeiter in den USA.
Auf die Frage nach den Auswirkungen der Zölle während der Bilanzpressekonferenz im Mai sagte Lenovo-CEO Yuanqing Yang, dass das Unternehmen zwar eine "sehr flexible" Lieferkette mit Produktionsstätten in "mehr als 10 Ländern" außerhalb Chinas aufgebaut habe. Die plötzliche Einführung von 100-prozentigen Zöllen auf Importe aus China im März habe im Berichtsquartal negative Auswirkungen in Höhe von 50 bis 60 Mio. US-Dollar auf die Lenovo-Bilanz gehabt. "Wir machen uns keine Sorgen über Zölle. Wir machen uns Sorgen über die Unsicherheit und die schnellen Veränderungen. Wenn man nicht weiß, wann die Zölle erhöht werden oder wie hoch sie für bestimmte Länder sein werden, wirken sich diese Unsicherheiten auf die Leistung aus", erklärte Yang den Analysten bei der Telefonkonferenz im Mai.
Entlassungswellen in der Techbranche
Anfang Juli hat Software-Riese Microsoft die Entlassung von weltweit 9.000 Beschäftigten angekündigt. Es war bereits die zweite Welle von Jobstreichungen in diesem Jahr. Im Februar hatte Microsoft die Entlassung von rund 6.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bekanntgegeben.
Vor allem die US-Technologiebranche sorgt seit diesem Jahr mit Entlassungswellen für Schlagzeilen. Meta (3.600 Jobs, rund 5 Prozent der Belegschaft), Intel (mehr als 5.000 Jobs und bis zu 20 Prozent der weltweiten Stellen), HPE (rund 2.500 Jobs), Salesforce (circa 1.000 Arbeitsplätze), IT-Sicherheitsanbieter Crowdstrike (500 Beschäftigte): KI-Automatisierung, verpasste Innovationen wie vor allem bei Intel, mangelhafte Planbarkeit des Geschäfts wegen der Verunsicherung rund um die US-Zölle sind die Auslöser für die jüngsten Entlassungswellen.
Viele Aufgaben vor allem im Marketing, Kundensupport, in Vertriebsorganisationen, in der Softwareprogrammierung, im Finanz- und Personalwesen, in der allgemeinen Verwaltung lassen sich durch KI automatisieren. Mit weniger Personal können Unternehmen im besten Fall die Arbeitslast schneller erledigen, die Produktivität steigern, ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern und dennoch die Kosten senken.
Umbau Richtung KI Cloud bei SAP
Gleichzeitig suchten Unternehmen neue Mitarbeiter, Experten für KI, die mit ihren Qualifikationen in der Lage sind, diese internen Transformationsprozesse umzusetzen. SAP beispielsweise. Europas größter Softwarekonzern hatte vergangenes Jahr ein Abfindungsprogramm für seine Beschäftigten aufgelegt. Ziel: Jeder Zehnte der weltweit mehr als 100.000 SAP-Beschäftigte soll den Konzern verlassen. CEO Christian Klein hatte den Schritt damit begründet, SAP wolle sich stärker auf KI und Cloud ausrichten und suche hierfür Personal mit entsprechenden Kompetenzen.
DAX eilt von Rekord zu Rekord – schlägt US-Technologiewerte
Trotz geopolitischer Risiken, Handelsstreit mit den USA, einem nur zögerlichen Anspringen der Konjunktur in Deutschland und 11.900 Unternehmensinsolvenzen in ersten Halbjahr 2025, so viele wie zuletzt vor zehn Jahren, zeigt sich die Börse völlig unbeeindruckt von diesen negativen Entwicklungen. Vor allen deutsche Aktien sind gefragt, Investoren verlagern ihren Schwerpunkt – weg von den USA, hin zu europäischen Märkten. In Fokus vor allem Deutschland. Der Deutsche Aktienindex DAX, vom US-Zollschock wesentlich weniger betroffen als der technologielastige US-Börsenindex Nasaq eilt seit April dieses Jahres von einem zu nächsten Rekordhoch.
Während der Nasdaq 100 den Einbruch der US-Zollkrise im April verdaut hat und mittlerweile wieder zehn Prozent seit Jahresbeginn 2025 im Plus liegt, stieg der DAX um rund 22 Prozent.
Mit Material von CRN USA: Mark Haranas (Entlassungen bei AWS) und O’Ryan Johnson (Jobabbau bei Lenovo)
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