Digitale Souveränität stärken: Verein zur Förderung von IT in Europa gegründet

Technologische Unabhängigkeit sowie Qualität und Nachhaltigkeit im IT-Sektor durch europäische Lieferketten stärken, das ist der Zweck der neuen Initiative von IT-Firmen aus Deutschland. Dem Verein zur Förderung von IT in Europa (ITE) gehören namhafte Firmen an: u.a. Extra Computer, Thomas-Krenn und Kontron. Sie wollen das Gütesiegel "IT aus Europa" etablieren.

Ein Bild, das Kleidung, Person, Im Haus, Bürogebäude enthält. KI-generierte Inhalte können fehlerhaft sein.

Berthold Schuster, Christian Herzog, Oliver Schmid, Peter Hoser, Armin Stutzmiller (alle Extra Computer) und Peter Hoser von Kontron, gehören u.a. zu den Gründungsmitgliedern von ITE - Verein zur Förderung von IT in Europa

Europa muss auf eigenen Beinen stehen, sich unabhängig machen von den USA und anderen Ländern außerhalb des Kontinents: in jeder politischen Diskussion hört man dieses Statement angesichts der brüchigen transatlantischen Partnerschaft mit den USA, seit US-Präsident Trump an der Macht ist. In der deutschen IT-Branche wird seither viel über digitale Souveränität diskutiert, über Open-Source-Technologien als Alternative zu Lösungen US-amerikanischer Anbieter wie AWS, Microsoft, Google und andere Player auch aus China. Sieben deutsche IT-Firmen haben nun den Verein zur Förderung von IT in Europa (ITE) gegründet.

[Mehr zum Thema: "Security und Datensouveränität bei Kiwiko-Partnertreffen"]

Zu den Gründungsmitgliedern zählen neben Mitarbeitern der Extra Computer auch Beschäftigte von deren Muttergesellschaft, dem Server- und Storage-Spezialisten Thomas-Krenn, Angestellte der Mainboard-Sparte des Embedded-Spezialisten Kontron, Mitarbeiter des IT-Beraters Sysfacts sind dabei und Michael Hänel, der vor wenigen Monaten die auf Kühlung von Computerkomponenten spezialisierte CoreColling gründete. Sie und künftige Mitglieder verpflichten sich zum zentralen Vereinszweck: die Unabhängigkeit, Qualität und Nachhaltigkeit im IT-Sektor durch europäische Lieferketten stärken.

Mit Verbands- und Öffentlichkeitsarbeit wollen sie ich Gehör verschaffen, die Kunden in Europa für digitale Souveränität sensibilisieren und der europäischen Industrie eine Plattform geben. Sie sind überzeugt, dass sich Europa von der Abhängigkeit von nicht-europäischen Technologien lösen müsse. "In der Folge sollen wirtschaftliche Risiken europäischer Unternehmen minimiert werden, wie sie etwa durch geo- und wirtschaftspolitische Unwägbarkeiten, Datenschutzbedenken sowie technologische Abhängigkeit entstehen und jüngst besonders offensichtlich wurden", sagt der Verein. Vor diesem Hintergrund werde ITE auch politische Initiativen wie den European Chips Act unterstützen, heißt es in der ersten Pressemitteilung des neuen Vereins.

Siegel "IT aus Europa"

Ein Gütesiegel ist in Vorbereitung: "IT aus Europa". Es soll ausschließlich für Unternehmen zugänglich sein, die "hohen Ansprüche an regionale Fertigung, Entwicklung und Dienstleistung genügen: Es wird für Produkte aus den Bereichen IT-Hardware, IT-Dienstleistung und Software inklusive Cloud-Angeboten vergeben werden, die belegbar u. a. einen hohen Anteil an Wertschöpfung im europäischen Wirtschaftsraum samt UK und der Schweiz enthalten", so der Verein.

Auch Forschungsprojekte- und -einrichtungen können das Siegel verliehen bekommen. Es soll Entscheidern aus Wirtschaft und öffentlicher Hand helfen, Produkte und Dienstleistungen zu identifizieren, die einen besonders hohen lokalen Wertschöpfungs-Anteil bieten und zugleich europäische Sicherheitsstandards, DSGVO-Konformität sowie Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.

Für die Einhaltung und Prüfung aller Kriterien werde ITE mit einer etablierten Prüforganisation zusammenarbeiten. Mehrere Abstufungen würden "unter anderem die Höhe des Anteils der Wertschöpfung innerhalb Europas abbilden".

Zum ersten Vorstand des ITE bestimmten die Gründungsmitglieder Christian Herzog, Geschäftsführer Extra Computer. "Wir haben im europäischen Wirtschaftsraum einen Binnenmarkt mit 500 Millionen Menschen und enormer Wirkkraft. Wir haben ein starkes Ausbildungssystem und sind innovativ. Es wird Zeit, dass wir diese Stärken selbstbewusster einsetzen", sagt er.

Schwieriger Weg zur technologischen Unabhängigkeit

Zum "Selbstläufer", das weiß er, wird das Ziel des Vereins nicht. Die Dominanz der US-amerikanischen Hyperscaler spiegelt sich in deren marktbeherrschenden Position wider. Microsoft 365 und Azure-Services werden von vielen Behörden eingesetzt. Auf landespolitischen Agenden steht zwar die Umstellung auf Open-Source, wie beispielsweise von der Koalitionsregierung in Schleswig-Holstein vereinbart. Es gibt Alternativen zu Microsoft, ob sich der Riese im heterogenen Markt der deutschen und EU-Anbieter zurückdrängen lässt, ist fraglich. Oft fehlt der Wille, Mut und wohl auch das Know-how, auf Open-Source-Anbieter umzustellen.

"Wir müssen aktiv daran arbeiten, unsere Souveränität zu stärken, in vielen Bereichen. Zu den wichtigsten zählt nach unserem Verständnis die IT-Industrie, da sie das Rückgrat für jede weitere Branche bildet. Daran werden wir arbeiten, indem wir regionale Produktion und ein starkes Netzwerk unterstützen", sagt ITE-Vereinsvortand Christian Herzog.

Immerhin: Nach jüngst erfolgten Gesprächen rechnet er schon bald mit "weiteren namhaften Unternehmen", die sich für eine Unterstützung des ITE offen zeigen. Der Vereinssitz von ITE befindet sich in Giengen an der Brenz, am Unternehmenssitz der Extra Computer. Auf der Agenda des Vereins steht zunächst einmal die Anerkennung der Gemeinnützigkeit.

CRN-Newsletter beziehen und Archiv nutzen - kostenlos: Jetzt bei der CRN Community anmelden