Bundeskartellamt untersucht missbräuchliche Preisgestaltung von Amazon
Spielt Amazon Retail seine Marktdominanz im E-Commerce zum Nachteil seiner Marketplace-Händler aus? Händler könnten Waren auf Amazon nicht mehr kostendeckend anbieten, sorgt sich das Bundeskartellamt und fordert von Amazon Erklärungen.
Amazon in den USA und Amazon EU in Luxemburg liegen nun die rechtliche Einschätzung des Bundeskartellamts vor, das die Einflussnahme des E-Commerce-Riese auf die Preise seiner Marktplatzhändler untersucht hat. Teil der Ermittlungen war auch eine Umfrage unter Amazons Marketplace-Händlern. Die müssen ich an die von Amazon vorgegebenen Preisobergrenzen halten, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, dass ihre Produkte nicht mehr zum Kauf auf Amazon angeboten, bzw. nicht mehr in den Suchlisten angezeigt werden. Die Überprüfung von Preisen erfolgt bei Amazon über "Preiskontrollmechanismen", so die Behörde. Rechtlich problematisch sind laut Bundeskartellamt die von Amazon festgelegten und nicht transparenten Preisobergrenzen für die Händler. Sie seien "im freien Ermessen von Amazon", bemängeln die Kartellwächter.
"Darin könnte nach vorläufiger Auffassung des Bundeskartellamtes ein Missbrauch nach den besonderen Vorschriften für große Digitalunternehmen (§ 19a Abs. 2 GWB) sowie ein Verstoß gegen die allgemeinen Missbrauchsvorschriften des § 19 GWB und Artikel 102 AEUV liegen", teile die Behörde in einer Pressemitteilung vom Dienstag mit. Die Behörde fordert Amazon nun zur Stellungnahme auf.
Amazon hat mit einem Umsatzanteil von rund 60 Prozent im deutschen E-Commerce eine dominante Marktposition. Zudem konkurriert Amazon Retail mit eigenen Angeboten gegen seine rund 50.000 Marketplace-Händler in Deutschland. "Da Amazon auf ihrer Plattform in den direkten Wettbewerb zu den übrigen Marktplatzhändlern tritt, ist eine Einflussnahme auf die Preisgestaltung der Wettbewerber auch in Form von Preisobergrenzen grundsätzlich wettbewerblich bedenklich", sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. "Dies gilt insbesondere dann, wenn die betroffenen Händler ihre eigenen Kosten nicht mehr decken können und die Handelsplattform in kartellrechtswidriger Weise zur Behinderung des restlichen Onlinehandels eingesetzt wird".
Die "Mechanismen" von Amazon schränkten die Sichtbarkeit von Händlerangeboten ein und würden auf der Grundlage von "intransparenten Marktplatzregeln in die Preisgestaltungsfreiheit der Händler" eingreifen, beschreibt das Bundeskartellamt die Sachlage. Die Einschränkungen seien "nach gegenwärtiger Einschätzung unangemessen und sachlich nicht gerechtfertigt".
Als wettbewerblich problematisch führt das Bundeskartellamt diese drei Punkte an:
- Der Eingriff in die Sichtbarkeit der Händlerangebote anhand von im freien Ermessen von Amazon stehenden, häufig wechselnden Preisgrenzen könnte den Wettbewerbsprozess auf dem Marktplatz beschränken. Diese Beschränkungen folgen nach gegenwärtiger Einschätzung keinen objektiven, überprüfbaren Grundsätzen und werden in der Marketplace-Richtlinie und der Kommunikation von Amazon mit den Dritthändlern nicht ausreichend transparent gemacht.
- Mit den Preiskontrollmechanismen könnte Amazon außerdem in die Preisgestaltungsfreiheit der Marktplatzhändler in einer Weise eingreifen, die nach gegenwärtigem Stand der Beurteilung eine Konzentrationswirkung auf dem Marktplatz zur Folge haben kann. Denn durch strenge Preisgrenzen können Händler häufig ihre Kosten nicht mehr decken, sodass die Gefahr besteht, dass sie vom Marktplatz verdrängt werden.
- Die Preiskontrollmechanismen von Amazon als Wettbewerber der Marktplatzhändler könnten nach derzeitiger Einschätzung des Bundeskartellamtes der Koordinierung der Marktplatzpreise anhand der eigenen, von anderen Onlinehändlern kaum nachzubildenden Preiskalkulationsgrundsätze und -vorstellungen von Amazon dienen und als einheitliche Preisstrategie der Handelsplattform zulasten des übrigen Onlinehandels gehen. Dabei könnte sich insbesondere die Praxis von Amazon, den niedrigsten beobachteten externen Preis im Onlinehandel auf der gesamten Handelsplattform systematisch nachzuvollziehen, als hohe Wechselhürde auswirken und den übrigen Onlinehandel von Preisvorstößen und damit niedrigeren Preisen abschrecken.
Das Bundeskartellamt koordiniert das Verfahren eng mit der Europäischen Kommission, die u. a. für die Durchsetzung der EU-Verordnung über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (sog. Digital Markets Act) zuständig ist. Außerdem hat es sein Vorgehen mit der Bundesnetzagentur abgestimmt, die für die Durchsetzung der sog. Platform-to-Business-Verordnung zuständig ist.
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