Wo Infinigate noch viel Wachstumspotenzial sieht
Ein turbulentes Jahr mit vielen Wechseln an der Spitze erlebt 2024 Infinigate in Deutschland. Mit Blick auf die Zahlen läuft alles rund beim Security- und Netzwerkdistributor. CEO Klaus Schlichtherle im CRN-Interview über künftige Pläne, Trends im Markt und weiße Flecken auf der Akquisitionslandkarte.
So viele Wechsel an der Spitze bei Infinigate Deutschland gab es zuvor noch nie beim Distributor. Drei Geschäftsführer scheiden aus, darunter ein Urgestein, nämlich Geschäftsführer Andreas Bechtold. Nach fast einem Vierteljahrhundert bei Infinigate übergibt er zum Jahreswechsel seine Aufgaben. Der Schritt ist wohl vorbereitet, den Übergang begleitet Bechtold seit Juni. Nun steht zum endgültigen Abschied noch ein Abendessen mit CEO Klaus Schlichtherle an. Das Vergnügen haben alle lang gedienten und geschätzten Führungskräfte. Nicht aber jene, die durch eine Fusion hinzugekommen sind und irgendwie nicht Träger der Infinigate-DNA sein konnten oder wollten. Wie Helge Scherff und Thomas Henk, beide nun bei Exklusive Networks, davor lange Jahre bei Nuvias und nach der Übernahme nur kurz bei Infinigate.
10 Jahre war Geschäftsführer Robert Scicolone dabei, der Infinigate krankheitsbedingt verlässt und in allen Ehren verabschiedet wurde. Ihm folgt Falk Schwarzenberg, der seit 14 Jahren für Also arbeitet (CRN berichtete). Viele Wechsel also, vom Distributor zum Distributor. "Ja, Sie haben Recht: 2024 gab es bei Infinigate Deutschland Umbrüche in der Führung", sagt CEO Klaus Schlichtherle im Gespräch mit CRN. Grundlegende Änderungen, die mit dem Wort Umbruch verbunden werden, will der Infinigate-Chef nicht assoziieren. Die grundlegende Strategie und Richtung stimmen, und: "Ein neuer Chef bringt auch immer eine neue Tonalität mit". Man achte bei solchen Wechseln an der Spitze darauf, "dass die DNA von Infinigate beibehalten wird", sagt Schlichthere.
Ehrgeizige, hohe Wachstumsziele gehören dazu. 2028 will die Infinigate-Gruppe einen Meilenstein erreichen und die Umsatzmarke von 5 Mrd. Euro knacken. "An diesem Ziel halten wir fest", bekräftigt der CEO. Mehr als die halbe Strecke ist fast schon geschafft: Das laufende Geschäftsjahr bis Ende März 2025 wird der Distributor voraussichtlich mit 2,8 Mrd. Euro abschließen – ein Plus von 14 Prozent. Infinigate sei profitabel, Gewinn und Umsatz wüchsen in etwa im Gleichschritt, so Schlichtherle. Allerdings sei das sonst starke Geschäft zum Jahresende in diesem Jahr nicht mehr so stark wie noch vor drei Jahren.
Infinigate Cloud wächst doppelt so stark
Eine Perle im Portfolio ist Infinigate Cloud. SaaS-Lösungen aus Marktplätzen wachsen bei vielen Distributoren deutlich stärker als der traditionelle Produkt- und Lösungsverkauf. Das ist vor allem bei Infinigate so. "Dieses Geschäft ist profitabel, es wächst doppelt so stark wie unser traditionelles Distributionsgeschäft, erzielt auch höhere Margen", so der Manager. Rund 200 Mio. Euro erzielt Infinigate Cloud in den Ländern Deutschland und Großbritannien. "Wir werden unsere Plattform auch in anderen Ländern anbieten".
Infinigate hat sich durch die Akquisitionen der Cloud-Distributoren Acmeo 2018 und der britischen Vuzion 2022 vor allem technologisch im SaaS-Geschäft verstärkt. Beide Firmen sind mit Cloud-Distribution groß geworden, Vuzion als großer CSP von Microsoft setzte früh auf die Plattform von Cloudblue, die seither die Basis der SaaS-Geschäfts von Infinigate Cloud ist.
Eigenentwicklungen solcher Marktplätze sind sehr kostenintensiv, man kommt über Zukäufe entsprechender Spezialisten auch schneller voran. "Wir haben diskutiert, ob wir eine eigene Cloud-Plattform entwickeln, haben uns dann aber für die Technologie von Cloudblue entschieden", sagt Schlichtherle.
6.000 Kunden sind auf der Plattform aktiv, meinst kleinere Partner, die im Durchschnitt 10 bis 20 Mitarbeiter beschäftigen, und zwischen 20 bis 500 Seats betreuen. "Wir bieten Trainings und Schulungen für Partner, die sich zum MSP oder MSSP entwickeln wollen – inklusive Vertragsunterlagen und Hilfen bei Marketing und Vertrieb. Das ist ein Value-Geschäft", bekräftigt der CEO. Mit Angeboten wie SOC-as-a-Service als Whitelabel könnten kleinere MSPs wie die Großen in der Branche auftreten. "Infinigate Cloud versteht sich als MSSD: Managed Security Service Distributor".
Weitere Akquisitionen geplant
Infinigates Wachstumsstrategie: Marktanteile gewinnen, organisch wachsen, indem das Geschäft mit bestehenden Herstellerlösungen um neue Angebote ausgebaut und regional erweitert wird. Weitere Akquisitionen sollen folgen. "Ich sehe hier ein breites Feld an Möglichkeiten", sagt Schlichtherle.
In Italien beispielsweise, wo Infinigate noch nicht aktiv ist. In Frankreich sieht der CEO Infinigate "unterrepräsentiert", auch nach Osteuropa blickt der Distributor. Zu rund 140 Herstellern in 50 Ländern unterhält Infinigate Geschäftsbeziehungen, Distributionsrechte in Deutschland bestehen mit 50 Vendoren, 30 sind es in Großbritannien, 25 in Frankreich.
Gerade das Potential im Security-Anbietermarkt ist enorm. "Es gibt rund 30.000 Security-Hersteller. Infinigate selektiert Lösungen vor, die unser Portfolio ergänzen", sagt der Infinigate-Chef. Ein übergeordneter Trend: "Wir sehen auf Herstellerseite, dass Security-Vendoren ihre Angebote bündeln und im Markt als Plattformanbieter auftreten."
Aktuelle Lösungen, die stark nachgefragt werden, sind beispielsweise OTE-Lösungen, SASE, Secure-Cloud-Lösungen, Access-Management. Firewall-as-a-Service werde laut Schlichtherle "noch nicht so stark nachgefragt".
Größter Distributor für bald vereinte Hersteller Aruba und Juniper
Konsolidierung durch Akquisitionen auf Herstellerseite betrifft nicht nur Partner, sondern vor allem auch die Distribution. Die derzeit größte Fusion im Netzwerkmarkt, die zwischen HPE und Juniper, steht kurz vor dem Abschluss. Infinigate vertreibt die HPE-Tochter Aruba und Juniper. In EMEA sei man sogar größter Juniper-Partner, in Großbritannien "mit weitem Abstand die Nummer 1.". In DACH vertreibt Infinigate Aruba und Juniper. "Wir sind einer der wenigen Distributoren, die beide Hersteller vertreiben", sagt Schlichtherle. Ein für die beiden dann fusionierten Hersteller wohl auch in Zukunft unverzichtbarer Distributor, mit denen der CEO 2028 auf die 5-Mrd.-Euro-Marke anstoßen will.
Klaus Schlichtherle wäre in vier Jahren dann 64 Jahre, würde sein 10-Jähriges bei Infinigate feiern könnte im Ruhestand mit Infinigate-Gründer und Privatier David Martinez viel Zeit auf dem Golfplatz verbringen. "Da gibt es keinen Plan", lacht er.