CRN ehrt Gerhard Schick für sein Lebenswerk
Mit großer Mehrheit hat die CRN-Jury Gerhard Schick mit dem Channel Award 2024 für das Lebenswerk bedacht. Der Bechtle-Gründer ist ein herausragender Unternehmer, der in der IT-Branche Großes geleistet hat.
Donnerstag, 30. März 2000: Die Bechtle-Vorstände Gerhard Schick, Ralf Klenk und der für Finanzen zuständige Stefan Sagowski besteigen den Zug von Stuttgart nach Frankfurt am Main. An diesem Donnerstag findet die Erstnotierung der Bechtle-Aktien am Technologie-Börsensegment Neuer Markt der Frankfurter Wertpapierbörse statt – gerade zu jener Zeit, als die Börsen-Euphorie in Deutschland ihren Höhepunkt überschritten hat und die Aktienkurse wenig später zu einem tiefen Fall ansetzen.
Das Ende der so genannten Dotcom-Blase setzt ein. Beflügelt von Todeslisten in den Medien, wann all den defizitären Internetunternehmen das Geld ausgeht, weil sie mehr ausgeben als einnehmen.
Expansion des Systemhaus- und IT-Handelsgeschäfts
Bechtle ist kein dezidiertes Internetunternehmen und erst recht keine Luftnummer wie so einige andere Startups am Neuen Markt. Ein Startup ist Bechtle nicht: Das schwäbische Systemhaus ist schließlich schon seit 1983 auf dem Markt. Und es nutzt in diesem Frühjahr des Jahres 2000 die vorerst letzte Gelegenheit, um mit dem Börsengang rund 460 Mio. Deutsche Mark (rund 230 Mio. Euro Kapital für die weitere Expansion des Systemhaus- und IT-Handelsgeschäfts einzusammeln. Nur Monate später werden andere Börsengänge abgesagt, drei Jahre später, im Juni 2003, wird der an Skandalen nicht arme Neue Markt geschlossen.
Bechtle hätte beim IPO locker das Doppelte oder mehr erlösen können, hätte Gerhard Schick die selbst entwickelte E-Commerce-Software zu einem Produkt für den Markt gemacht und die gerade noch intakte Anleger-Euphorie befeuert, wie es eine Intershop oder diverse Shop-Softwarehersteller in den USA getan hatten. Die Emissionsbank drängte, aber Gerhard Schick wollte dieses Alleinstellungsmerkmal von Bechtle nicht aus der Hand geben.
Weise Voraussichten und kluge Haltung
Eine sehr kluge Entscheidung, denn die B2B-Plattform von Bechtle ist zur damaligen Zeit ein Alleinstellungsmerkmal. Warum diesen Wettbewerbsvorteil aus der Hand geben und die Konkurrenz unnötig stärker machen?
Und noch eine Besonderheit: von Bechtle, von Gerhard Schick, dessen Haltung so gar nicht in die Logik des Kapitalmarkts passt: viel mehr investieren als man einnimmt (Unternehmen, die Gewinne machten, wurden damals an der Börse abgestraft). Es herrschte Quartalsgetriebenheit: Schnelle Expansion um jeden Preis in alle Regionen und Kontinente – das war bei Bechtle nicht vorgesehen.
Gerhard Schick war beim Börsengang 59 Jahre alt, er suchte nie die großen, glänzenden Bühnen, er passte auch nicht in die Logik der Medien: Die wollen damals junge, stets strahlende Unternehmer präsentieren, die Champagne-Korken knallen lassen, weil ihre Firmen an der Börse aberwitzige Milliarden-Bewertungen erhalten.
Bodenständigkeit, Beharrlichkeit
Champagne zum Börsengang und Feiern bis zum Abwinken? Was macht Gerhard Schick am Nachmittag des Börsengangs der Bechtle AG?
Er und Bechtles heimlicher Börsenmacher Stefan Sagowski fahren mit dem Zug von Frankfurt zurück ins Büro nach Heilbronn. Der eine kniet sich ins liegengebliebene Tagesgeschäft, der andere vertieft sich in die Auftragseingänge des Vortags. Ein ganz normaler Tag für Gerhard Schick und seine Mitarbeiter.
"Der bodenständige Visionär", titelte CRN später im Manager-Porträt über den schwäbischen Unternehmer. Der mit seinen Brüdern im Nachkriegs-Deutschland zuhause auf dem Bauernhof anpacken musste. Der Vater kam aus Stalingrad nicht mehr heim, es war selbstverständlich, am Sonntag früh aufzustehen und zur Kirche zu gehen, da gab es keine Diskussionen, erzählt Gerhard Schick im CRN-Interview.
Allüren waren ihm immer fremd. Stattdessen prägte er Bechtle mit einer Haltung, die sich in zwei Worten zusammenfassen lässt, die man immer wieder hört: Bodenständigkeit und Beharrlichkeit.
Expansionsweltmeister Bechtle
Gerhard Schick redet wenig mit den Medien über seine unternehmerische Vision, er lässt vielmehr Taten folgen: Kauft regelmäßig andere Systemhäuser, öffnet in weiteren Ländern Europas das IT-Handelsgeschäft für B2B-Kunden, die im E-Commerce-Shop von Bechtle kaufen.
Während andere Systemhäuser aufgeben oder in die Insolvenz schlittern – nicht selten, weil Banken sie zu überhasteten Expansionen treiben oder der Lebensstil des Inhabers nicht zu der ein oder anderen Branchenkrise passen will – setzt Bechtle auf kontrollierte Expansion! Über 100 Zukäufe werde es bis heute.
Freilich - nicht immer lief alles reibungslos. Und nicht immer bewahrheitete sich, was man Gerhard Schick nachsagte: Die Werthaltigkeit eines Systemhauses per Handauflegen auf die Bilanz ermitteln zu können. Fühlte er sich hintergangen (Stichwort Lagerwerte) oder irrte er sich in einem Manager, den er zunächst für geeignet hielt, sein Nachfolger als Bechtle-CEO zu werden, zog er sehr schnell und ohne Rücksicht auf die öffentliche Meinung harte Konsequenzen.
Systemhaus-Riese mit über 6 Mrd. Euro Umsatz und 15.000 Beschäftigten
Ohne die große Unternehmerpersönlichkeit Gerhard Schick, ohne seine Werte, die von den nachfolgenden Vorständen weitergetragen wurden und werden. stünde Bechtle heute nicht da, wo das Unternehmen heute steht: Mehr als 6 Mrd. Euro Umsatz, Arbeitgeber von mehr als 15.000 Menschen in Deutschland und anderen Ländern Europas, ein strategisch wichtiger Partner für viele Weltkonzerne wie Cisco, HPE, HP, Lenovo, Apple und viele andere.
Stets klare Worte
Freilich konnte Gerhard Schick anderen auch den Kopf waschen. Dem ehemaligen Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg, Walter Döring (FDP), und dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Erwin Teufel (CDU), als sie ihm 2005 das Bundesverdienstkreuz verliehen für seine unternehmerische Leistung und sein soziales Engagement – das im Übrigen seine Tochter Karin Schick fortführt.
"Unser Land braucht moderne Patrioten wie ihn", sagte der Wirtschaftsminister an Gerhard Schick gewandt. Mehr Patriotismus wünschte sich der Geehrte dagegen von den Politikern. "Kümmert euch weniger um eure eigene Zukunft, sondern mehr um die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland", erwiderte Gerhard Schick.
Klare Worte, die der damals Geehrte fand. Sie haben nichts an Bedeutung verloren, im Gegenteil. Sie sind aktueller denn je!